Thüringische Landeszeitung (Jena)

Das Spiel des Lebens

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Sie schläft gern, sie bloggt gern und vor allem versinkt sie gern tief in Grübeleien über traurige Dinge: Victoria Spring, genannt Tori, versteht die Welt nicht – umgekehrt gilt das Gleiche. Denn Tori redet nicht, jedenfalls nicht oft und viel. Selbst mit ihrer besten Freundin nicht, an deren Gruppe sie sich gehängt hat, um nicht ganz so sehr aus dem Rahmen zu fallen in der Oberstufe, kurz vor dem Abi und dem unvermeidl­ichen Schritt ins wenig verlockend­e Erwachsene­nleben.

Tori ist am liebsten allein oder bei ihren Brüdern: Oliver, dem Kleinen, und Charlie samt Freund Nick, Oseman-Leserinnen gut vertraut. Nick und Charlie sind die Hauptfigur­en der erfolgreic­hen Serie „Heartstopp­er“; „Solitaire“ ist der Vorgänger, Alice Osemans erster Roman. Veröffentl­icht, als sie 19 war, was vermutlich der Grund ist, warum die Dauerbaust­elle Pubertät glaubwürdi­g rüberkommt, auch wenn weniger Weltschmer­z und Freudlosig­keit mehr gewesen wären.

Kleiner Ausgleich sind Witz und Sarkasmus, an denen es Tori nicht mangelt. Und obwohl Alice Oseman ihm deutlich nacheifert, parodiert sie zugleich die Wahrnehmun­g von „Der Fänger im

Roggen“: Wenn Jugendlich­e melancholi­sch und lebensüber­drüssig sind, muss es am Roman von J. D. Salinger liegen.

Ein Blog namens „Solitaire“reißt Tori aus ihrer Lethargie. Hacker haben die Schulinfra­struktur gekapert, stören massiv durch Musikbesch­allung im Unterricht, Schmähvide­os über Lehrer und andere Aktionen. Was passiert, wie und wann es passiert – das alles hat mit Tori zu tun, sie ist der Auslöser.

Und dann ist da Michael Holden, der fröhliche Hipster, der ihr trotz aller Abwehr nicht von der Seite weicht, sie mit Neugier und aberwitzig­en Einfällen für das Leben begeistern möchte. Nein, sie werden kein Liebespaar. Am Ende ist auch mitnichten alles gut. Aber Tori muss sich nicht mehr halt- und orientieru­ngslos durchs Leben quälen.

Alle Buchtipps im Internet unter:

Alice Oseman (Text), Anja Galic (Übers.): Solitaire. Loewe, 320 Seiten, 16,95 Euro, ab 14

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Anette Elsner über Melancholi­e und glaubwürdi­ge Happy-Ends
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tlz.de/heuteschon­gelesen

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