Thüringische Landeszeitung (Jena)
WM-Endspurt wird Charaktertest
Handballer verpassen wieder Halbfinale, machen aber Schritt nach vorne mit Blick auf Heim-EM
Stockholm/Danzig. Nach einer kurzen Nacht quälten sich Deutschlands Handballer in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett. Noch immer enttäuscht über das Ende des Medaillentraums und genervt vom Reisestress erreichten sie den finalen Ort ihres WM-Trips. Statt um Edelmetall geht es für die DHB-Auswahl bei der Platzierungsrunde in Stockholm nur noch um einen vernünftigen Abschluss des Turniers, in dem das junge und unerfahrene Team von Bundestrainer Alfred Gislason spätestens bei der klaren 28:35-Niederlage im Viertelfinale gegen Olympiasieger und Rekord-Weltmeister Frankreich seine Grenzen aufgezeigt bekommen hat.
„Die Enttäuschung ist da, denn wir haben auf das Halbfinale geschielt“, so DHB-Sportvorstand Axel Kromer vor dem Spiel an diesem Freitag gegen Ägypten (15.30 Uhr/ARD). „Da ist etwas zerbrochen bei den Jungs.“Kapitän Johannes Golla gab vor dem Duell mit dem Afrikameister zu: „Die Köpfe sind unten.“Dennoch forderte der 25-Jährige: „Fünfter hört sich besser an als Sechster, Siebter oder Achter. Wir wollen uns vernünftig aus dem Turnier verabschieden.“
Tatsächlich bleibt kurz vor Ende dieser WM die Erkenntnis, dass es für die deutsche Nationalmannschaft noch immer nicht reicht, in die Phalanx der Etablierten einzubrechen. Erneut konnte das Gislason-Team keinen der Großen aus dem Welthandball bezwingen, seit 2016 gab es in K.-o.-Spielen keinen Sieg. Diese Bilanz ist trist aus Sicht des größten Handballverbandes der Welt. „Es stimmt, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen”, konstatierte Gislason, der aber aus dem 26:28 gegen Norwegen in der Hauptrunde und auch aus dem
Viertelfinal-Aus gegen Olympiasieger Frankreich um dessen in die Jahre gekommenen Star Nikola Karabatic Positives mitnahm: „Wir sind auf einem guten Weg und haben über dieses Turnier einen großen Schritt nach vorne gemacht.”
In der schwedischen Hauptstadt geht es für Deutschland nun vor allem um den Eindruck, der vom Turnier hängen bleiben wird. Mit Blick auf die Heim-EM nächstes Jahr gibt es einige Mutmacher. Einen Andreas Wolff, der bei der WM zurück zu alter Stärke gefunden hat. Einen Juri Knorr, der auf dem besten Weg in die Weltklasse ist. Und einen Julian Köster, der in der Abwehr schon internationales Spitzenformat nachgewiesen hat. „Wenn du Fünfter wirst, zeigst du, dass du zur erweiterten Weltspitze gehörst“, sagte der 31 Jahre alte Wolff. „Das muss unser erklärtes Ziel sein.“
Zumal es ja auch noch etwas zu gewinnen gibt: Das DHB-Team hat sich mit dem Erreichen des Viertelfinales für ein Olympia-Qualifikationsturnier qualifiziert. Gewinnt sie gegen Ägypten, ginge es gegen den Sieger zwischen Norwegen und Ungarn um Platz fünf. Das würde die Chancen auf die Austragung der Quali-Runde für die Teilnahme an Paris 2024 erhöhen.
Nach der historisch schlechten WM vor zwei Jahren (Platz 12) machte die deutsche Auswahl mit ihren Auftritten in Polen einen Schritt nach vorne. Die Verbandsspitze stellte dem deutschen Team ein zufriedenstellendes Zeugnis aus. „Die Handball- und Sportfans in Deutschland haben wahrgenommen, dass hier etwas wächst“, sagte Kromer. mit sid/dpa
Halbfinale, Freitag, 18 Uhr: Spanien – Dänemark, 21 Uhr: Frankreich – Schweden (beide Eurosport). Platzierungsrunde, Freitag, 15.30 Uhr: Deutschland – Ägypten (ARD).