Thüringische Landeszeitung (Jena)
Wachsende Bedeutung von Gedenkstätten
Wierling: Besondere Orte der Erinnerung
Frankfurt/Oder. Die Historikerin Dorothee Wierling sieht eine wachsende Bedeutung von KZ- und Stasi-Gedenkstätten als besondere Orte der Erinnerung und der Information. „Als Orte des realen Geschehens bieten sie Authentizität, auch wenn sie als Gedenkstätten umgestaltet sind“, sagte die emeritierte Professorin für Zeitgeschichte der Universität Hamburg zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Sie seien wichtig, weil man dort etwas lernen könne, was man an anderer Stelle nicht lerne. Als Orte mit Aura böten sie eine Fülle von Informationen. Vor der Corona-Pandemie hatten die deutschen Gedenkstätten Besucherrekorde verzeichnet.
Wer heute von Gedenkstätten spreche, habe meist die Orte der großen Verbrechen des Nationalsozialismus oder Stalinismus vor Augen, sagte Wierling. Neben konkretem Wissen über historische Geschehnisse vermittelten Gedenk- stätten nonverbales Wissen, das von der emotionalen Kraft dieser Orte ausgehe, vor allem wenn sie an be- stimmte Opfergruppen wie Juden oder politisch Verfolgte und Verbre- chen erinnerten.
Besuche an pädagogisches Konzept angeknüpft
Die Expertin für Erinnerungskultur bekräftigte das Überwältigungsver- bot, das vorschreibt, dass Gedenk- stätten vor allem Kinder und Ju- gendliche nicht durch reine Kon- frontation mit Grausamkeiten emo- tional überwältigen dürften. So müsse die Aura der Orte unbedingt an ein pädagogisches Konzept ge- knüpft sein. „Es soll nicht verhin- dert werden, dass Besucher sich emotional beeindrucken lassen, das darf aber nicht das eigentliche Ziel sein“, sagte Wierling.
Häufig erlebten Besucher von Gedenkstätten sogar die „doppelte Aura des Originals“, wenn Zeitzeu- gen von ihren Erfahrungen und Er- lebnissen am Ort berichteten. Dies halte sie jedoch auch für problema- tisch, da man aus ehemaligen Op- fern „ständige Zeugen ihrer eigenen Opfergeschichte“mache, betonte Wierling. Gedenkstätten kämen in der Wissensvermittlung auch an Grenzen. So sei häufig nicht mehr viel zu sehen von ursprünglichen Lagerstrukturen, etwa in KZ-Ge- denkstätten.