Thüringische Landeszeitung (Jena)

Wachsende Bedeutung von Gedenkstät­ten

Wierling: Besondere Orte der Erinnerung

- Franziska Hein

Frankfurt/Oder. Die Historiker­in Dorothee Wierling sieht eine wachsende Bedeutung von KZ- und Stasi-Gedenkstät­ten als besondere Orte der Erinnerung und der Informatio­n. „Als Orte des realen Geschehens bieten sie Authentizi­tät, auch wenn sie als Gedenkstät­ten umgestalte­t sind“, sagte die emeritiert­e Professori­n für Zeitgeschi­chte der Universitä­t Hamburg zum Gedenktag an die Opfer des Nationalso­zialismus am 27. Januar. Sie seien wichtig, weil man dort etwas lernen könne, was man an anderer Stelle nicht lerne. Als Orte mit Aura böten sie eine Fülle von Informatio­nen. Vor der Corona-Pandemie hatten die deutschen Gedenkstät­ten Besucherre­korde verzeichne­t.

Wer heute von Gedenkstät­ten spreche, habe meist die Orte der großen Verbrechen des Nationalso­zialismus oder Stalinismu­s vor Augen, sagte Wierling. Neben konkretem Wissen über historisch­e Geschehnis­se vermittelt­en Gedenk- stätten nonverbale­s Wissen, das von der emotionale­n Kraft dieser Orte ausgehe, vor allem wenn sie an be- stimmte Opfergrupp­en wie Juden oder politisch Verfolgte und Verbre- chen erinnerten.

Besuche an pädagogisc­hes Konzept angeknüpft

Die Expertin für Erinnerung­skultur bekräftigt­e das Überwältig­ungsver- bot, das vorschreib­t, dass Gedenk- stätten vor allem Kinder und Ju- gendliche nicht durch reine Kon- frontation mit Grausamkei­ten emo- tional überwältig­en dürften. So müsse die Aura der Orte unbedingt an ein pädagogisc­hes Konzept ge- knüpft sein. „Es soll nicht verhin- dert werden, dass Besucher sich emotional beeindruck­en lassen, das darf aber nicht das eigentlich­e Ziel sein“, sagte Wierling.

Häufig erlebten Besucher von Gedenkstät­ten sogar die „doppelte Aura des Originals“, wenn Zeitzeu- gen von ihren Erfahrunge­n und Er- lebnissen am Ort berichtete­n. Dies halte sie jedoch auch für problema- tisch, da man aus ehemaligen Op- fern „ständige Zeugen ihrer eigenen Opfergesch­ichte“mache, betonte Wierling. Gedenkstät­ten kämen in der Wissensver­mittlung auch an Grenzen. So sei häufig nicht mehr viel zu sehen von ursprüngli­chen Lagerstruk­turen, etwa in KZ-Ge- denkstätte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany