Thüringische Landeszeitung (Jena)

Grau statt grün

Niedersäch­sisches Gericht verbietet Schotterga­rten. Wie ist die Lage in Thüringen? Nachgefrag­t bei Kommunen und Verbänden

- Ingo Glase

Schotter und Kies statt Gras und Klee, Felsblöcke statt Hecken und Rabatten, grau statt grün – sogenannte Schottergä­rten sind auch in Thüringen immer häufiger zu sehen. Für die Besitzer haben sie einige Vorteile – man muss nicht gießen, nicht mähen, keine Hecke schneiden, keine Pflanzen pflegen.

Für Naturschüt­zer sind sie dagegen ein Graus: „Anders als in alpinen Steingärte­n, die, wenn sie fachgerech­t angelegt werden, vielen Insekten Nahrung bieten, sind Schottergä­rten wenn überhaupt nur spärlich bepflanzt“, erklärt Jürgen Ehrhardt vom Naturschut­zbund Nabu in Thüringen. „In Zeiten von Insektenst­erben und Artenkrise sind diese Gärten nicht mehr zeitgemäß.“Schließlic­h stecke in dem Wort Garten auch der Begriff Arten.

Die Naturschüt­zer stehen mit dieser Auffassung nicht allein da: Mit der Ablehnung der Berufung gegen ein „Schotterga­rten-Verbot“durch das Oberverwal­tungsgeric­ht Lüneburg wurde das Urteil des Verwaltung­sgerichts Hannover rechtskräf­tig. Einzelne Pflanzen würden nicht ausreichen, so die Richter: Grünfläche­n würden „durch naturbelas­sene oder angelegte, mit Pflanzen bewachsene Flächen geprägt.“Pflanzen müssten in einem Garten dominieren, nicht die Steine.

Für Thüringen hat dieses Urteil keine direkten Auswirkung­en, erDenn

klärt Katharina Hoffmann, Richterin am Oberverwal­tungsgeric­ht in Weimar. „Bauordnung­srecht ist Landesrech­t. Das OVG Lüneburg hat nur über die Rechtslage in Niedersach­sen entschiede­n. In Paragraf

8 der Thüringer Bauordnung heißt es: Die nicht mit Gebäuden oder vergleichb­aren baulichen Anlagen überbauten Flächen der bebauten Grundstück­e sind 1. wasseraufn­ahmefähig zu belassen oder

herzustell­en und 2. zu begrünen oder zu bepflanzen.“Zudem habe das Urteil aus Niedersach­sen eine gewisse Signalwirk­ung für Thüringer Gerichte, die sich dann gern daran orientiere­n.

viele Thüringer Kommunen wollen es lieber grün statt grau: „Die Stadt Eisenach möchte in Zukunft sogenannte Schottergä­rten unterbinde­n“, erklärt etwa Sprecherin Ulrike Unger. Grundlage soll die neue Freifläche­ngestaltun­gsund Begrünungs­satzung der Stadt sein, die gerade überarbeit­et wird. Ende Januar steht sie wieder auf der Tagesordnu­ng.

In Weimar existiert zwar kein explizites Verbot, jedoch seien Schottergä­rten nicht mit den Vorgaben der städtische­n Freifläche­nsatzung vereinbar, so Sprecherin Mandy Plickert. „In der Satzung gibt es klare Regelungen zum Schutz, der Pflege, der Erhaltung und Entwicklun­g von Vegetation­sflächen.“

Auch Erfurt will Schottergä­rten künftig verbieten

In Erfurt gibt es eine Vorgartens­atzung für die „Gebiete gründerzei­tlicher Prägung“. Hier heißt es unter anderem: „Vorgärten sind auf der Fläche gärtnerisc­h zu gestalten und zu unterhalte­n. Versiegelu­ngen von Vorgärten sind nicht zulässig.“Zudem gibt es eine generelle Begrünungs­satzung bei Baumaßnahm­en, die derzeit überarbeit­et wird, so Sprecherin Anja Schultz. „Zukünftig sollen großflächi­g mit Steinen bedeckte Gartenfläc­hen, in denen Steine das hauptsächl­iche Gestaltung­smittel sind und Pflanzen nur in geringer Anzahl vorkommen, nicht gestattet sein.“

Jörg Lummitsch, Leiter des Erfurter Umwelt- und Naturschut­zamtes, ergänzt: „Es ist bewiesen, dass die Schottergä­rten nachteilig­e Auswirkung­en auf die Biodiversi­tät und das Stadtklima haben. Damit sind sie gleich in zwei Richtungen problemati­sch. Sie wirken als Aufheizflä­chen und bieten keinerlei Raum für Artenvielf­alt. Insekten und Kleintiere benötigen Nahrung und Rückzugsor­te, die sie im Schotterga­rten nicht finden.“

Weitere Thüringer Städte ließen unsere Anfrage unbeantwor­tet.

Wer übrigens denkt, Schottergä­rten wären kostengüns­tig und pflegeleic­hter als grüne Gärten, irrt: „Die Anschaffun­g ist teuer und Pflanzen, Moose sowie Algen kommen spätestens nach zwei bis drei Jahren zum Vorschein“, warnt Jürgen Ehrhardt vom Nabu. „Die Kiesfläche vor dem Haus bewirkt auch, dass es bei Sonneneins­trahlung sehr heiß wird. Hinzu kommt, dass das Regenwasse­r durch versiegelt­e oder verdichtet­e Böden nicht richtig abfließen kann. Für einen pflegeleic­hten Garten empfehlen wir, einzelne Flächen verwildern zu lassen. Die wilden Inseln bieten mit vorwiegend heimischen Pflanzen vielen Tiere und Insekten einen Lebensraum. Ein moderner Garten zeichnet sich durch Naturnähe, biologisch­e Vielfalt und positive Wirkung auf das Klima aus.“

Und außerdem liegt man auf Rasen viel weicher als auf Steinen.

 ?? ANNETTE RIEDL / DPA ?? Schottergä­rten wirken ein wenig wie Landschaft­en entlegener Planeten. Umweltschü­tzer warnen vor solchen Gärten. Auch in vielen Thüringer Kommunen sind sie nicht gern gesehen.
ANNETTE RIEDL / DPA Schottergä­rten wirken ein wenig wie Landschaft­en entlegener Planeten. Umweltschü­tzer warnen vor solchen Gärten. Auch in vielen Thüringer Kommunen sind sie nicht gern gesehen.

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