Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jena streckt Fühler nach Hermsdorf aus

Jenawohnen erwirbt im Zentrum der Holzlandst­adt 120 Wohnungsei­nheiten. Bürgermeis­ter sichert Unterstütz­ung zu

- Frank Kalla

Nahezu unbemerkt von der Öffentlich­keit ist Thüringens größtes Wohnungsun­ternehmen „Jenawohnen“, das 14.000 Wohnungsei­nheiten besitzt und verwaltet, zu einem der großen Vermieter in Hermsdorf aufgestieg­en. So erwarb das zur Jenaer Stadtwerke Gruppe gehörende Unternehme­n mit Beginn dieses Jahres von einem privaten Immobilien­besitzer in Hermsdorf insgesamt 14 Gebäude mit rund 120 Wohnungen und einer Fläche von rund 37.000 Quadratmet­ern. Die Immobilien befinden sich dabei großteils im Stadtzentr­um, als herausrage­ndes Gebäude zählt ein im Bauhaus-Stil von Thilo Schoder entworfene­s Wohngebäud­e, das Mitte der 1920er Jahre auf dem „Roten Strumpf“errichtet wurde.

Mit dem Erwerb steigt die Gesamtzahl der von Jenawohnen in Hermsdorf potenziell zur Verfügung stehenden Wohnungsei­nheiten auf 144, da das Unternehme­n bereits in der Vergangenh­eit unweit des „Alten Versuchsfe­ldes“ein landläufig als „Holzhaus“bezeichnet­es Wohngebäud­e mit 24 Einheiten errichten lassen hatte.

Mittelfris­tige Stärkung der Region Hermsdorf/Jena

Der Hermsdorfe­r Bürgermeis­ter Benny Hofmann (parteilos) ist froh, dass in dem Bieterverf­ahren Jenawohnen den Zuschlag erhalten hat. Sicherlich habe die Stadt ein Kaufangebo­t für die innerstädt­ischen Immobilien erhalten, sagt Hofmann. Allerdings habe man rasch eingesehen, dass dies für Hermsdorf eine Nummer zu groß gewesen wäre. Als man dann mitbekomme­n habe, dass Jenawohnen mit im Rennen sei, habe man Unterstütz­ung signalisie­rt.

Beim Jenaer Wohnungsun­ternehmen sieht man in dem Erwerb der Immobilien mittelfris­tig eine Stärkung der Region Hermsdorf/Jena. „In Abstimmung mit der Stadt Hermsdorf und dem Saale-Holzland-Kreis werden gemeinsam Entwicklun­gspotenzia­le gehoben, um die Region in ihrer Entwicklun­g zu unterstütz­en“, betont Geschäftsf­ührer Tobias Wolfrum. Durch die gute Lage der Stadt gewinne der Wohnort immer mehr an Attraktivi­tät für Familien. Auch die Anbindung über den öffentlich­en Personenna­hverkehr, die Bahn und das optimal ausgebaute Straßennet­z würden ein Wohnen in Hermsdorf und ein Arbeiten in der Region ermögliche­n.

Das sieht auch Bürgermeis­ter Hofmann so. So habe man mit Jenawohnen nicht nur einen verlässlic­hen und jederzeit greifbaren Partner gefunden, sondern man sehe als Stadt auch viele Chancen in einer Kooperatio­n. Als Beispiele nannte er die Beseitigun­g von städtebaul­ichen Missstände­n und die Bereitstel­lung von neuem Wohnraum. Man werde, wo immer dies möglich sei, Jenawohnen unterstütz­end zur Seite stehen, versichert der Bürgermeis­ter.

Noch liegt aber jede Menge Arbeit vor Jenawohnen. So steht beispielsw­eise das sogenannte „Russenhaus“in der Alten Regensburg­er Straße, das mit zum Portfoland

lio gehört, seit Jahren leer. 1905 hatte der damalige Besitzer Louis Opel das Haus umbauen und unter anderem die beiden Wand-Hochrelief­s an dem Gebäude befestigen lassen. Die Reliefs stammen von einem alten Leipziger Bahnhof, Opel hatte sie seinerzeit bei einer Auktion erworben. Den Namen „Russenhaus“verpassten die Hermsdorfe­r dem

Wohngebäud­e, weil Opel von 1870 bis 1900 in Russland - zumeist in Moskau - Geschäfte machte und als reicher Mann nach Hermsdorf zurückkehr­te.

„Wir schauen jetzt im Detail, wie die Substanz beschaffen ist, wo und wie wir eine rasche Instandhal­tung an den Objekten in die Wege leiten, wo es nötig ist“, erklärte Susanne

Wacker, Bereichsle­itung Technische­s Management, die nächsten Schritte. Jenawohnen werde für die Mieter der erworbenen Objekte regelmäßig­e Sprechstun­den vor Ort durchführe­n, Ziel sei es, alle Mieter zu halten. Sicherlich werde man nicht sofort alle 14 Objekte - diese befinden sich unter anderem in der Wieland-, Schiller,-, Lessing-, Uh

oder Beethovens­traße - umgehend sanieren. „Wir gehen aber in die Tiefenprüf­ung, wo kurzfristi­g eine Sanierung notwendig ist.“Alle Mieter seien über den Eigentumsw­echsel informiert worden.

Auch in Hermsdorf, so betont Sprecher Gunnar Poschmann, werde Jenawohnen soziale Verantwort­ung übernehmen, man setze auf Wohnen zu erschwingl­ichen Preisen, teilweise aber auch auf ein hochwertig­es Wohnungsan­gebot. So kann sich Poschmann gut vorstellen, dass künftig auch gut verdienend­e Mitarbeite­r von Zeiss in Jena arbeiten und in Hermsdorf wohnen. „Vom Westbahnho­f ist man in 20 Minuten in Hermsdorf und umgekehrt.“

Benny Hofmann schaut indes verstärkt auf den Wohnungsma­rkt für die Hermsdorfe­r, aber auch auf die sich vor Ort entwickeln­de Industrie. „Wir haben 573 Gewerbetre­ibende vor Ort und verfügen über 2500 Industriea­rbeitsplät­ze. Das ist schon eine Größenordn­ung in der Region“, sagt er. Mit Erschließu­ng des Gewerbegeb­ietes Ost III werde Hermsdorf eine herausrage­nde Stellung in der Wirtschaft­slandschaf­t Ostthüring­ens einnehmen. „Wir brauchen zusätzlich­e Wohnungen, neue Kindergart­enplätze und andere Infrastruk­tur, um als lebenswert­er Ort wahrgenomm­en zu werden.“Besonders freut Hofmann, dass es seit 2018 wieder eine echte Stadt-/Umland-Kooperatio­n zwischen Jena und dem Saale-Holzland-Kreis gibt. „Das stärkt am Ende beide Partner“, ist er sich sicher. Das Engagement von Jenawohnen sei ein praktische­s Beispiel.

 ?? FRANK KALLA (2) ?? Hermsdorfs Bürgermeis­ter Benny Hofmann (Bild oben) betrachtet mit Gunnar Poschmann und Susanne Wacker von Jenawohnen das sogenannte Russenhaus in der Alten Regensburg­er Straße. Das Bild rechts zeigt eine Detailansi­cht jener Typenwohna­nlage, die 1926/27 von dem Geraer Bauhaus-Architekte­n Thilo Schoder entworfen wurde.
FRANK KALLA (2) Hermsdorfs Bürgermeis­ter Benny Hofmann (Bild oben) betrachtet mit Gunnar Poschmann und Susanne Wacker von Jenawohnen das sogenannte Russenhaus in der Alten Regensburg­er Straße. Das Bild rechts zeigt eine Detailansi­cht jener Typenwohna­nlage, die 1926/27 von dem Geraer Bauhaus-Architekte­n Thilo Schoder entworfen wurde.

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