Thüringische Landeszeitung (Jena)
Jena streckt Fühler nach Hermsdorf aus
Jenawohnen erwirbt im Zentrum der Holzlandstadt 120 Wohnungseinheiten. Bürgermeister sichert Unterstützung zu
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ist Thüringens größtes Wohnungsunternehmen „Jenawohnen“, das 14.000 Wohnungseinheiten besitzt und verwaltet, zu einem der großen Vermieter in Hermsdorf aufgestiegen. So erwarb das zur Jenaer Stadtwerke Gruppe gehörende Unternehmen mit Beginn dieses Jahres von einem privaten Immobilienbesitzer in Hermsdorf insgesamt 14 Gebäude mit rund 120 Wohnungen und einer Fläche von rund 37.000 Quadratmetern. Die Immobilien befinden sich dabei großteils im Stadtzentrum, als herausragendes Gebäude zählt ein im Bauhaus-Stil von Thilo Schoder entworfenes Wohngebäude, das Mitte der 1920er Jahre auf dem „Roten Strumpf“errichtet wurde.
Mit dem Erwerb steigt die Gesamtzahl der von Jenawohnen in Hermsdorf potenziell zur Verfügung stehenden Wohnungseinheiten auf 144, da das Unternehmen bereits in der Vergangenheit unweit des „Alten Versuchsfeldes“ein landläufig als „Holzhaus“bezeichnetes Wohngebäude mit 24 Einheiten errichten lassen hatte.
Mittelfristige Stärkung der Region Hermsdorf/Jena
Der Hermsdorfer Bürgermeister Benny Hofmann (parteilos) ist froh, dass in dem Bieterverfahren Jenawohnen den Zuschlag erhalten hat. Sicherlich habe die Stadt ein Kaufangebot für die innerstädtischen Immobilien erhalten, sagt Hofmann. Allerdings habe man rasch eingesehen, dass dies für Hermsdorf eine Nummer zu groß gewesen wäre. Als man dann mitbekommen habe, dass Jenawohnen mit im Rennen sei, habe man Unterstützung signalisiert.
Beim Jenaer Wohnungsunternehmen sieht man in dem Erwerb der Immobilien mittelfristig eine Stärkung der Region Hermsdorf/Jena. „In Abstimmung mit der Stadt Hermsdorf und dem Saale-Holzland-Kreis werden gemeinsam Entwicklungspotenziale gehoben, um die Region in ihrer Entwicklung zu unterstützen“, betont Geschäftsführer Tobias Wolfrum. Durch die gute Lage der Stadt gewinne der Wohnort immer mehr an Attraktivität für Familien. Auch die Anbindung über den öffentlichen Personennahverkehr, die Bahn und das optimal ausgebaute Straßennetz würden ein Wohnen in Hermsdorf und ein Arbeiten in der Region ermöglichen.
Das sieht auch Bürgermeister Hofmann so. So habe man mit Jenawohnen nicht nur einen verlässlichen und jederzeit greifbaren Partner gefunden, sondern man sehe als Stadt auch viele Chancen in einer Kooperation. Als Beispiele nannte er die Beseitigung von städtebaulichen Missständen und die Bereitstellung von neuem Wohnraum. Man werde, wo immer dies möglich sei, Jenawohnen unterstützend zur Seite stehen, versichert der Bürgermeister.
Noch liegt aber jede Menge Arbeit vor Jenawohnen. So steht beispielsweise das sogenannte „Russenhaus“in der Alten Regensburger Straße, das mit zum Portfoland
lio gehört, seit Jahren leer. 1905 hatte der damalige Besitzer Louis Opel das Haus umbauen und unter anderem die beiden Wand-Hochreliefs an dem Gebäude befestigen lassen. Die Reliefs stammen von einem alten Leipziger Bahnhof, Opel hatte sie seinerzeit bei einer Auktion erworben. Den Namen „Russenhaus“verpassten die Hermsdorfer dem
Wohngebäude, weil Opel von 1870 bis 1900 in Russland - zumeist in Moskau - Geschäfte machte und als reicher Mann nach Hermsdorf zurückkehrte.
„Wir schauen jetzt im Detail, wie die Substanz beschaffen ist, wo und wie wir eine rasche Instandhaltung an den Objekten in die Wege leiten, wo es nötig ist“, erklärte Susanne
Wacker, Bereichsleitung Technisches Management, die nächsten Schritte. Jenawohnen werde für die Mieter der erworbenen Objekte regelmäßige Sprechstunden vor Ort durchführen, Ziel sei es, alle Mieter zu halten. Sicherlich werde man nicht sofort alle 14 Objekte - diese befinden sich unter anderem in der Wieland-, Schiller,-, Lessing-, Uh
oder Beethovenstraße - umgehend sanieren. „Wir gehen aber in die Tiefenprüfung, wo kurzfristig eine Sanierung notwendig ist.“Alle Mieter seien über den Eigentumswechsel informiert worden.
Auch in Hermsdorf, so betont Sprecher Gunnar Poschmann, werde Jenawohnen soziale Verantwortung übernehmen, man setze auf Wohnen zu erschwinglichen Preisen, teilweise aber auch auf ein hochwertiges Wohnungsangebot. So kann sich Poschmann gut vorstellen, dass künftig auch gut verdienende Mitarbeiter von Zeiss in Jena arbeiten und in Hermsdorf wohnen. „Vom Westbahnhof ist man in 20 Minuten in Hermsdorf und umgekehrt.“
Benny Hofmann schaut indes verstärkt auf den Wohnungsmarkt für die Hermsdorfer, aber auch auf die sich vor Ort entwickelnde Industrie. „Wir haben 573 Gewerbetreibende vor Ort und verfügen über 2500 Industriearbeitsplätze. Das ist schon eine Größenordnung in der Region“, sagt er. Mit Erschließung des Gewerbegebietes Ost III werde Hermsdorf eine herausragende Stellung in der Wirtschaftslandschaft Ostthüringens einnehmen. „Wir brauchen zusätzliche Wohnungen, neue Kindergartenplätze und andere Infrastruktur, um als lebenswerter Ort wahrgenommen zu werden.“Besonders freut Hofmann, dass es seit 2018 wieder eine echte Stadt-/Umland-Kooperation zwischen Jena und dem Saale-Holzland-Kreis gibt. „Das stärkt am Ende beide Partner“, ist er sich sicher. Das Engagement von Jenawohnen sei ein praktisches Beispiel.