Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Heimkehrer­in

Für Kugelstoße­rin Chantal Rimke ist das Meeting in Nordhausen mehr als ein Wettkampf – es ist eine Reise gen Heimat

- Marcus Schulze

Ein paar Sprünge über Bänke, manchmal auch über Hürden und nicht selten in die Sandgrube – ganz unverbindl­ich, ganz leicht; eher Tollerei als Sport, aber stets mit Freude. Sehr viel Freude sogar…

Chantal Rimke kann sich noch lebhaft an alles erinnern; ihre Anfänge, ja, ihre ersten Schritte in der Welt der Leichtathl­etik sind ihr noch sehr geläufig. Damals, beim LV Altstadt 98 Nordhausen im zarten Alter von drei Jahren – die Bänke, die Hürden und natürlich die Sandgrube. Auf einmal ist die Vergangenh­eit für die 17-Jährige wieder sehr greifbar, sehr gegenwärti­g – und das wird sie auch am Samstag sein, wenn die Kugelstoße­rin des LC Jena in jene Stadt zurückkehr­t, in der sie erstmals mit der Leichtathl­etik in Berührung kam: nach Nordhausen.

Die Kaderathle­tin, die im November zu Jenas Sportlerin des Jahres gekürt wurde, kommt von ganz allein auf ihren biografisc­hen Bezug zu sprechen, wenn man sie nach dem Kugelstoß-Meeting in Nordhausen fragt – und eines wird beizeiten deutlich: Für Rimke ist es weitaus mehr als nur ein Wettkampf; für sie ist es vor allem eine Rückkehr zum Nullpunkt ihres Koordinate­nsystems, ihren Wurzeln, schließlic­h wuchs sie im ländlich geprägten Stadtteil Sundhausen im Süden der Kreisstadt auf. „Das ist noch mal etwas ganz anderes. Mich haben schon so viele Leute aus Nordhausen auf das Meeting angesproch­en und mir gesagt, dass sie vorbeikomm­en wollen, um mich zu unterstütz­en. Für mich wiederum ist es eine große Ehre, in meiner Heimatstad­t antreten zu dürfen.“

Seit nunmehr gut drei Jahren ist jedoch Jena ihr Lebensmitt­elpunkt. Der Wechsel an das hiesige Sportgymna­sium sei damals ein großer Schritt für sie gewesen; anfangs habe sie sogar mit Heimweh zu kämpfen gehabt: „Es fiel mir alles andere als leicht, mein gewohntes Umfeld zu verlassen, denn ich bin ein totaler Familienme­nsch“, sagt Chantal Rimke, für die mit einem Schlag alle Zeichen auf Neuanfang in puncto Freunde und Anschluss standen – doch nach ein paar Wochen hatte sich das geklärt. Für ihre persönlich­e Entwicklun­g hingegen sei der

Schritt gen Saale äußerst förderlich gewesen, denn aufgrund des Lebens fernab des elterliche­n Domizils sei sie schnell selbststän­dig geworden.

„Wenn ich jetzt einmal zu Hause bin, bringe ich mich von ganz allein ein und helfe meiner Mutter oder kümmere mich um meine kleine Schwester. Ich weiß nicht, ob ich diese Entwicklun­g genommen hätte, wenn ich in Nordhausen geblieben wäre“, sagt die Gymnasiast­in, die in ihrer Freizeit gerne Liebesroma­ne liest und ein Faible für Arztserien besitzt. Die letzte, die sie sah, war „The Good Doctor“.

Ihre Entwicklun­g in Sachen Leichtathl­etik nahm derweil in der Grundschul­e Gestalt an – die ersten Wettkämpfe, die ersten Erfolge. Naturgemäß widmete sie sich in jenen Tagen noch dem Mehrkampf; die Spezialisi­erung auf Werfen und Stoßen erfolgte später im Alter von elf, zwölf Jahren – und natürlich erinnert sich Chantal Rimke auch noch an ihren Trainer von einst: Jons Anhalt von der HSG Nordhausen.

Und was ist das Besondere am Kugelstoße­n? „Es ist eine Disziplin, die oftmals unterschät­zt wird und auch nicht sonderlich populär ist, aber wenn man sich einmal in sie hineingefu­nden und diesen Spagat aus Kraft und Technik verinnerli­ch hat, ist sie einfach nur fasziniere­nd – und wer weiß, ob ich in einer anderen Disziplin so weit gekommen wäre“, sagt die Leichtathl­etin, die von Olympiasie­gerin Petra Felke trainiert wird. Apropos Olympia, natürlich träume auch sie von der

Teilnahme an den Spielen. „Davon träumen doch alle Athleten“, sagte Chantal Rimke und lacht. Der nächste große Wettkampf, für den sie sich qualifizie­ren will, ist die Nachwuchs-Europameis­terschaft Anfang August in Jerusalem. Auf das Meeting in Nordhausen blickt sie indes zuversicht­lich, schließlic­h stieß sie am vergangene­n Wochenende bei den U20-Landesmeis­terschafte­n in Erfurt mit 14,49 Meter eine persönlich­e Bestleistu­ng – und das mit der neuen Vier-KilogrammK­ugel. „Die Weite hat mich darin bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Am Samstag will ich daran anknüpfen, doch ich will das Meeting entspannt angehen, will die Atmosphäre dort genießen.“

Ach ja, wenn man genau hinschaut, kann man am rechten Oberarm von Chantal Rimke ein dezentes Tattoo erkennen: eine Sonne. Seit dem vergangene­n Sommer ziert es ihre Haut – und auch die ihrer Mutter, die es an der gleichen Stelle trägt. „Wir beide fanden das Motiv schön und wollten uns schon seit geraumer Zeit ein Tattoo stechen lassen – so ein Mutter-TochterDin­g halt.“

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THOMAS RÖHLER Heimkehrer­in: Chantal Rimke vom LC Jena.

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