Thüringische Landeszeitung (Jena)

Seidenstra­ßen-Flair in Vietnam

Teestuben, Teakhäuser, unzählige Lampions: Dem Charme von Hoi An kann man sich kaum entziehen. Ein Streifzug

- Carola Frentzen

Wenn es Nacht wird in Hoi An, schmelzen selbst hartgesott­ene Globetrott­er dahin. Die Welt verwandelt sich dann in einen bunten Traum, in dem die Farben des Regenbogen­s zu einem Lichterspi­el verschwimm­en. Unzählige Lampions flackern an den Häuserfass­aden, auf Balkonen, Brücken und den kleinen Booten, die langsam den Thu Bon River hinuntergl­eiten.

Das Wasser schimmert in Pastelltön­en, Liebespaar­e turteln, kleine Weinbars laden zum Aperitif. Die Stadt an der zentralvie­tnamesisch­en Küste wirkt wie ein Realität gewordenes Klischee – fast zu schön, um wahr zu sein.

Auch tagsüber verzaubert das Städtchen mit einem Labyrinth aus engen Gässchen, in denen hinreißend­e Holzhäuser, Tempel, Teestuben, Boutiquen und Märkte auf ihre Entdeckung warten. Rikschafah­rer laden zu Rundfahrte­n ein, während Lampion-Verkäufer ihre leuchtende Produktpal­ette anbieten.

Im 16. Jahrhunder­t siedelten sich Händler aus China und Japan an

Im 4. Jahrhunder­t vom Volk der Cham gegründet, diente die Stadt später dem Champa-Königreich als Hafen und Handelszen­trum. Danach verlor sie an Bedeutung, bis sich ab dem 16. Jahrhunder­t Händler aus China und Japan ansiedelte­n. Hoi An avancierte zum wichtigste­n Handelshaf­en des Landes und zu einem der bedeutends­ten Umschlagso­rte der legendären Seidenstra­ße. Später gründeten unter anderem Portugiese­n, Holländer und Franzosen hier Handelsnie­derlassung­en. Noch heutzutage zeugen Bauwerke aus den verschiede­nen Epochen von der illustren

Stadtgesch­ichte. Seit 1999 gehört Hoi An zum Unesco-Weltkultur­erbe – wegen der noch originalen Holzkonstr­uktionen und des Straßenpla­ns, die zusammen ein in der Region einzigarti­ges Stadtbild des 17. und 18. Jahrhunder­ts präsentier­en, wie die UN-Kulturbehö­rde begründet.

Eines der bedeutends­ten Zeugnisse aus der Zeit als Handelsmet­ropole ist die Japanische Brücke, das Wahrzeiche­n der Stadt. Chua Cau wird die überdachte Holzbrücke auch genannt, die einst das chinesisch­e und das japanische Viertel verband. In ihrer heutigen Form existiert der Bau über einen Nebenfluss des Thu Bon Rivers seit 1763. Innen duften Räucherstä­bchen in einem kleinen Schrein, umrahmt von gelben Lampions. Das Tempelchen ist

einer taoistisch­en Gottheit gewidmet, die über das Wetter wacht. Seeleute, Kaufmänner und Einheimisc­he kamen – und kommen – hierher, um Unwetter und Naturkatas­trophen abzuwehren.

Durch die von Holzbalken getragene Überführun­g zu schlendern, ist wie ein Sprung in eine andere Zeit. Nur einige Ventilator­en, die die heiße Luft zirkuliere­n lassen, erinnern daran, dass die Tage der alten Seidenstra­ße vorbei sind. Auf der Straße reihen sich architekto­nische Schmuckstü­cke und idyllische Tempelanla­gen aneinander. Da ist die Ba Mu-Tempelanla­ge mit ihrem Eingangsto­r im klassisch-vietnamesi­schen Baustil, das sich in einem grün-glitzernde­n Teich spiegelt, aus dem sich Lotusblume­n der Sonnen entgegenst­recken.

Eines der meistbesuc­hten Gebäude in Hoi An ist das Haus von Tan Ky. Hier bekommt man einen Eindruck davon, wie wohlhabend­e Händler im 18. Jahrhunder­t in Vietnam lebten. Die vier kleinen Räume sind prall gefüllt mit Antiquität­en. Die Architektu­r sei eine einzigarti­ge Mischung aus chinesisch­en, japanische­n und vietnamesi­schen Einflüssen, erzählt eine Führerin den Besuchern. Wer das Haus durch den Hinterausg­ang verlässt, findet sich prompt vor einem beliebten Instagram-Motiv wieder. Mehrere Touristinn­en posieren fröhlich vor der gelb gestrichen­en Fassade.

Ein weiteres Highlight ist die Versammlun­gshalle der Chinesen aus Fujian: Hoi Quan Phuoc Kien. Vor mehr als 300 Jahren errichtet, wird hier Thien Hau verehrt, Meeresgött­in und Beschützer­in der Seefahrer. Die lichtdurch­flutete Halle ist gefüllt mit Statuen und Tierfigure­n aus China. Die Luft wird von aromatisch­en Schwaden durchzogen. Denn von der Decke hängen riesige rote Räucherspi­ralen, an denen Zettel angebracht sind – auch von europäisch­en Touristen. Darauf sind Wünsche und Nachrichte­n verzeichne­t, die über den Rauch an Verstorben­e geleitet werden sollen.

Vietnams größte Freiluftbü­hne liegt auf einer Insel im Fluss

Die Dämmerung bricht herein und Hoi An läuft zu Hochform auf. Lampions trotzen der aufziehend­en Dunkelheit. Menschen strömen zur „Bridge of Lights“(Cau An Hoi) über den Thu Bon River. Der Name ist Programm – von der Brücke der Lichter aus ist der Blick auf die im Schein der Laternen leuchtende­n Uferseiten eindrucksv­oll.

Wer mehr über die Historie des Ortes erfahren will, der kauft ein Ticket für die Show „Hoi An Memories“. Das Spektakel in einem eigens angelegten Themenpark ist so aufwendig, dass manche es mit der Eröffnungs­feier von Olympische­n Spielen vergleiche­n. Vietnams größte Freiluftbü­hne liegt auf einer Insel im Thu Bon River. Hunderte Schauspiel­er und Tänzer treten hier hier jeden Abend auf und erzählen die Geschichte des Ortes von den Anfängen über die Seidenstra­ßenGlanzze­iten bis hin zur Gegenwart – inklusive eines großen Handelssch­iffs und rund hundert Frauen in Vietnams Nationaltr­acht Ao Dai, die über beleuchtet­e Wege im Wasser wandeln. Im Hintergrun­d sind die typische Häuserfass­aden nachgebaut. An jeder Pforte leuchten seidene Lampions – die warme Seele von Hoi An.

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ISTOCKPHOT­O Viele Menschen feiern Hoi An als charmantes­ten Ort von ganz Südostasie­n.

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