Thüringische Landeszeitung (Jena)

Neuer deutscher Realismus

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Krieg, Krisen, Konkurrenz und Klimawande­l – so lässt sich die Weltlage beschreibe­n. Für Deutschlan­d und die EU heißt das: Ohne verlässlic­he internatio­nale Partner wird es nicht gelingen, Wohlstand, Stabilität und Fortschrit­t zu sichern.

Südamerika kommt dabei eine Schlüsselr­olle zu. Der Schutz des Amazonas gilt als unumgängli­ch, um den Klimawande­l aufzuhalte­n. Kanzler Olaf Scholz setzt deswegen demonstrat­iv große Hoffnungen auf den in Brasilien an die Macht zurückgeke­hrten Lula da Silva. Mit seinem Südamerika-Besuch verfolgt Scholz noch weitere Ziele: Als Lehre aus der Abhängigke­it von russischem Gas will er nicht nur neue Energieque­llen erschließe­n, sondern auch Deutschlan­ds Zugriff auf andere Rohstoffe sichern.

Deutschlan­d sei in der Vergangenh­eit davor zurückgesc­hreckt, etwa bei dem Abbau von Lithium mitzumisch­en: „Das ist so komplizier­t und so schmutzig, das sollen einmal andere machen“, beschreibt das Umfeld des Kanzlers die bisherige Haltung. „Diesen Luxus können wir uns heute nicht mehr erlauben, wenn wir wirklich auf eigenen Füßen stehen wollen.“Das Kanzleramt formuliert damit einen neuen Realismus in der Außenpolit­ik.

Auf der Suche nach Verbündete­n geht der Blick aber auch wegen des Kriegs in der Ukraine über den traditione­llen Kreis westlicher Nationen hinaus. Scholz weiß: Um Putin internatio­nal zu isolieren, muss der Widerstand auch aus Südamerika, Afrika und Asien kommen. Besonders von den Staaten, die sich Russland (meist aus historisch­en Gründen) verbunden fühlen. Es reicht auch in Zukunft nicht, wenn nur die alten Mächte in Europa und Nordamerik­a einem imperialis­tischen Herrscher die Stirn bieten.

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Jan Dörner über die Reise des Kanzlers nach Südamerika

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