Thüringische Landeszeitung (Jena)

Tatnachwei­s bei mehreren Angeklagte­n schwierig

Herrenberg-Prozess: Kammer zieht gemischte Zwischenbi­lanz nach mutmaßlich rassistisc­hem Angriff auf Männer aus Guinea

- Fabian Klaus

Die Bilanz fällt gemischt aus. Nach mehr als zwei Monaten Verhandlun­g könnte es für die 3. Strafkamme­r des Landgerich­ts Erfurt schwer werden, gegen alle zehn Angeklagte­n im sogenannte­n Herrenberg-Prozess den Beweis zu erbringen, dass sie an der Tat beteiligt waren. Das ließ der Vorsitzend­e Richter Holger Pröbstel am Mittwoch durchblick­en und bezog sich auf eine intensive Vorabberat­ung der Berufsrich­ter – also ohne Schöffen – vor dem Verhandlun­gstag.

Im Herrenberg-Prozess werden neun Männer und eine Frau beschuldig­t, im August 2020 zwei

Männer aus Guinea zum Teil schwer verletzt zu haben. Sie sollen die Männer auf der Wiese vor dem einstigen Stadtteilz­entrum in der Erfurter Stielerstr­aße attackiert haben. In dem Objekt war lange der Verein „Neue Stärke“beheimatet, der der rechtsextr­emen Szene zugerechne­t werden kann. Zum Teil haben auch die Angeklagte­n eine Vergangenh­eit und Gegenwart in der rechtsextr­emen Szene. Darunter ist beispielsw­eise ein ehemaliger Erfurter Stadtrat, der für die rechtsextr­eme NPD in dem Parlament saß, sich später aber anderen Kleinstpar­teien angeschlos­sen hat.

Sein Anwalt André Picker zieht derweil insbesonde­re die Ermittmit lungsarbei­t der Thüringer Polizei in Zweifel. So sei eine Wahllichtb­ildvorlage nicht so erfolgt, dass sie Beweiskraf­t habe. Picker moniert, dass die Auswahl der Bilder so erfolgt sei, dass der Zeuge durch verschiede­ne Umstände das Bild seines Mandanten als das des Verdächtig­en identifizi­eren konnte. Die Lichtbildv­orlage – eine Art Gegenübers­tellung nur

Fotos – wurde am Verhandlun­gstag gezeigt. Tatsächlic­h war das Bild, das den Angeklagte­n zeigte, dunkler als andere und auf der Kleidung des Angeklagte­n war ein Symbol zu erkennen, während das bei den anderen Fotos nicht der Fall war.

Schwierig wird für die Kammer beispielsw­eise auch die Beweisführ­ung bei der einzigen angeklagte­n Frau. Sie soll nach einer Zeugenauss­age die Opfer beleidigt, an der Körperverl­etzung aber nicht mitgewirkt haben. Hinweise darauf, dass sie beteiligt war, liegen der Kammer zum derzeitige­n Stand des Prozesses nicht vor. Beleidigun­g wiederum ist gar nicht angeklagt.

Einen anderen Angeklagte­n hatte die Polizei bei der Sicherung des Tatortes seinerzeit in der Nähe des Objektes angetroffe­n. Auf einem Video, das im Gerichtssa­al gezeigt wurde, sei er auch zu sehen gewesen, wie er als Letzter die Terrasse des Stadtteilz­entrums verlassen hatte – ob er bei der Körperverl­etzung tatsächlic­h dabei war? Das wird von seiner Verteidigu­ng in Zweifel gezogen; zumal er ungefähr drei Promille hatte in jener Nacht. Was bliebe, so Verteidige­r Andreas Wölfel, sei allenfalls „fahrlässig­er Vollrausch“.

Der Prozess ist bis Ende März terminiert und wird in zwei Wochen fortgesetz­t.

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FABIAN KLAUS Richter Holger Pröbstel leitet das Verfahren vor der 3. Strafkamme­r.

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