Thüringische Landeszeitung (Jena)

Tochter stiehlt Boris Becker die Show

Anna Ermakova machte von Geburt an Schlagzeil­en. Jetzt ist sie der Star bei „Let’s Dance“

- Oliver Stöwing

Köln. Anna Ermakova war 16 Monate alt und hatte keine Ahnung, welchen Wirbel sie bereits verursacht hatte. 2001 stellte die „Bild“sie auf dem Titel der Öffentlich­keit vor, zeigte eine Aufnahme des Babys mit seiner Mutter Angela Ermakova und schrieb dazu die Schlagzeil­e: „Hallo, Papa Boris!“Die Zeitung sprach von „verblüffen­den Fotos des Besenkamme­r-Babys“. Denn Deutschlan­ds berühmtest­er Tennisstar Boris Becker und das russische Model mit nigerianis­chen Wurzeln hatten eine kurze, aber folgenreic­he Begegnung im Abstellrau­m eines Londoner Restaurant­s. Das Kind sah Becker so ähnlich, dass jeder Vaterschaf­tstest überflüssi­g schien.

An dem Seitenspru­ng war seine Ehe mit Barbara Becker gescheiter­t. Schon Monate vor der Veröffentl­ichung des Bildes hatte Becker die Blitzaffär­e vor dem Scheidungs­gericht so geschilder­t: „Das war eine fünfsekünd­ige Aktion, ich habe sie vorher und nachher nie gesehen.“Gerüchte wurden laut, Angela Ermakova hätte es gezielt auf die DNA des Jungmillio­närs abgesehen. So war ein weiteres erniedrige­ndes, geflügelte­s Wort entstanden: der Samenraub.

Man kann sich denken, dass kein Wohlstand es aufwiegen kann, mit einer solchen weltweit bekannten Entstehung­sgeschicht­e aufzuwachs­en. Heute ist Anna Ermakova 22, versteckt hat sie sich nie. Erstmals tritt die gebürtige Londonerin nun in einer großen Fernsehsho­w in Deutschlan­d auf, der Heimat ihres Vaters: Ab 17. Februar ist sie Kandidatin bei „Let’s Dance“. Dazu gehört Mut, nicht nur, weil Juroren wie Joachim Llambi einen für jeden ungelenken Schritt vor einem Millionenp­ublikum abstrafen. Jeder will sehen: Wie schlägt sich eine junge Frau, deren Start ins Leben von solchen Schlagzeil­en begleitet wurde?

Im Podcast zur RTL-Sendung spricht sie erstaunlic­h offen darüber: „Mir ist bewusst, dass meine Familiensi­tuation seltsam ist“, sagt sie. Viele Kinder wüssten gar nicht, wie genau sie „passiert“seien. Anders bei ihr. Sobald ihr Name falle, sei es sogar „eines der ersten Dinge, die angesproch­en werden. Um darüber hinwegzuko­mmen, braucht man wirklich ein dickes Fell.“

Vor ihrer Schule hätten früher Paparazzi gelauert. Heute lese sie im Internet Meinungen über sich, die ihr niemals jemand ins Gesicht sagen

würde. Lange habe sie eine Mauer um sich errichtet. Jetzt hat sie sich für die Flucht nach vorne entschiede­n. „Let’s Dance“soll ihr helfen, sich zu öffnen und zuversicht­licher zu werden.

Suche nach der Identität

Auf der Suche nach ihrer Identität irrlichter­t Ermakova zwischen den Welten. „Ich identifizi­ere mich als Deutsch, Russisch und Nigerianis­ch. Das ist meine kulturelle Herkunft. Aber ich habe nie an einem dieser Orte gelebt“, beschreibt sie ihr Problem. Und weiter: „Du willst unbedingt irgendwo hingehören, aber du kannst deinen Platz nicht finden. Das ist so schwierig und frustriere­nd. Viele Menschen verstehen das nicht unbedingt, es ist eine wirklich seltsame Situation.“

Auf Instagram imitiert sie die glamouröse­n Posen von Paris Hilton, Gigi Hadid oder den Kardashian­s, die meisten sind in ihren beiden Wohnsitzen London und Monaco entstanden. Auf fast allen Fotos ist

sie allein. Ausnahme: ein Bild, das sie mit Elton John zeigt. Entstanden ist es auf einer Oscarparty, schon

vor vier Jahren. Die Kommentare unter jedem einzelnen Bild sind so beleidigen­d, dass man sie nicht wiedergebe­n kann, dass man sich fragt: Wie hält sie das aus?

In London ging sie auf ein privates Gymnasium und eine Kunstschul­e. Als Beruf gibt sie Model an, bei welcher Agentur sie derzeit unter Vertrag ist, kann einem niemand sagen. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist eng, sie nennt sie ihren „Fels“. Über die Beziehung zu ihrem Vater und ihren drei Brüdern sagte sie einmal: „Wir leben fast alle an unterschie­dlichen Orten. Wir sind nicht miteinande­r aufgewachs­en. Es ist alles nicht einfach.“Zu Beckers Gefängnisa­ufenthalt 2022 äußerte sie Mitgefühl. Becker selbst beschrieb das Verhältnis zur Tochter einmal als „innig“. Vor Corona hätte man jeden Sonntag Mittag gegessen. Ermakova lernt jetzt Deutsch, und mit ihrem Auftritt bei „Let’s Dance“scheint sie sagen zu wollen, was die Zeitung ihr als Baby in den Mund legte: „Hallo, Papa Boris!“

 ?? ISA FOLTIN / GETTY IMAGES FOR MARCEL REMUS ?? Anna Ermakova liebt das glamouröse Leben: Hier ist sie im vergangene­n Sommer Gast bei einer Veranstalt­ung auf Mallorca.
ISA FOLTIN / GETTY IMAGES FOR MARCEL REMUS Anna Ermakova liebt das glamouröse Leben: Hier ist sie im vergangene­n Sommer Gast bei einer Veranstalt­ung auf Mallorca.
 ?? CARSTENSEN / PA/ DPA ?? Anna und ihre Mutter Angela im Jahr 2007.
CARSTENSEN / PA/ DPA Anna und ihre Mutter Angela im Jahr 2007.
 ?? HARALD TITTEL / DPA ?? Boris Becker genießt seine Freiheit.
HARALD TITTEL / DPA Boris Becker genießt seine Freiheit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany