Thüringische Landeszeitung (Jena)
Experten: Babymilch-Firmen halten Mütter vom gesunden Stillen ab
Mit umstrittenen Marketingtricks bringen Babymilchpulver-Firmen junge Mütter nach Überzeugung von Gesundheitsexperten vom Stillen ab. Das müsse gestoppt werden, verlangen sie in einer Artikelserie in der Fachzeitschrift „The Lancet“. Nötig seien mehr Unterstützung für Mütter beim Stillen und ein internationaler Vertrag, der vor „ausbeuterischer Vermarktung“schützt und den Firmen politische Lobbyarbeit verbietet.
Nach Angaben der Autorinnen und Autoren nutzen Hersteller die Unsicherheit von Müttern zum Geschäftemachen aus. Sie erweckten den Eindruck, dass Babys, die nicht durchschlafen oder Koliken haben, mit künstlicher Babynahrung besser versorgt würden als mit Muttermilch. Dabei könnten solche Probleme oft mit Unterstützung durch Fachpersonal gelöst werden. Gestillte Babys hätten ohne Zweifel den besten Start ins Leben.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Babys sechs Monate lang ausschließlich zu stillen. Danach sollten Babys auch andere Nahrung bekommen, aber mindestens bis zum zweiten Geburtstag weiter gestillt werden. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt in Deutschland vier bis sechs Monate voll zu stillen. „Das ganze Wunderwerk Muttermilch ist nicht nachahmbar“, sagte Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsdepartments Kinderernährung an der Universität Bochum. Sie war nicht an den Artikeln beteiligt.
Die WHO hatte die Marketingpraktiken von Herstellern 2022 angeprangert. Manchmal nähmen Mitarbeiterinnen an Gruppen für junge Mütter in sozialen Medien teil, schürten dort Ängste und priesen Milchpulver als Lösung, ohne zu sagen, dass sie dafür bezahlt werden, hieß es. Der Hersteller mit dem größten Marktanteil weltweit, die Schweizer Firma Nestlé, weist solche Machenschaften von sich.