Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Kapitän kommt vom Kurs ab

Die deutsche Mixed-Staffel verpatzt mit Platz sechs den WM-Auftakt in Oberhof. Favorit Norwegen triumphier­t

- Marco Alles

Oberhof. Nichts war es mit dem Traumstart in die Heim-WM. Trotz herrlichem Sonnensche­in und einer Kulisse von 19.000 Zuschauern schauen die deutschen Biathleten nach dem „schwarzen Mittwoch“bedröppelt drein. Bei Norwegens Triumph kamen sie nicht über den sechsten Platz hinaus und verpassten die erhoffte Initialzün­dung in die Titelkämpf­e. Schon bei den letzten beiden Weltmeiste­rschaften war die 4 x 6-km-Mixed-Staffel zu Beginn leer ausgegange­n.

Getröstet werden musste vor allem Benedikt Doll. Ausgerechn­et der innerhalb der Mannschaft „Capitano“gerufene Routinier verpatzte seinen Auftritt. „Das ärgert mich sehr. Mein Schießen war vogelwild. Das war eine Katastroph­e. Dafür trainiert man nicht 20 Jahre Biathlon“, sagte Doll völlig geknickt im ZDF und fügte traurig an: „Das tut mir leid für die Teammitgli­eder.“

Doch die nahmen den Unglücksra­ben in Schutz: „Das ist uns allen schon passiert“, sagte Denise Herrmann-Wick. „Die größte Schmach ist es für einen selbst. Doch wir halten als Team zusammen.“Vanessa Voigt, die das gleiche Schicksal mit zwei Strafrunde­n bei den Olympische­n Spielen 2002 ereilt hatte, meinte: „Wir haben gemeinsam gekämpft. Schade, dass es nur der sechste Platz geworden ist. Aber es ging ja bei mir schon holprig los.“

Die deutsche Starterin, die auf ihrer Heimstreck­e erstmals vor Publikum antrat, konnte läuferisch nicht mit der Spitze mithalten und beklagte später das dichte Gedränge auf der ersten Runde: „Wenn man die ganze Zeit nur auf die Ski ‚gelatscht‘ bekommt, ist es schwer vorwärtszu­kommen. Da steht man fast am Berg.“Dadurch sei die Lücke nach vorn immer größer geworden. Weil die gute Schützin zudem zwei Nachladepa­tronen benötigte, betrug der Rückstand auf die zu dem Zeitpunkt führenden Französinn­en bereits eine Minute.

Dank der Aufholjagd von Herrmann-Wick durften die Fans am Grenzadler wieder von einer Medaille träumen. Die Erzgebirge­rin fegte durch den Schnee, musste nur einmal nachladen, und übergab mit nur noch 27 Sekunden Rückstand

als Dritte auf Doll. „Ich war schon auf Attacke gebürstet nach den guten Leistungen in diesem Trimester“, sagte sie und lächelte: „Das Laufen passt gut. Es ist schön zu sehen, dass die Form da ist.“

Doll vergab dann alle Chancen im Liegendans­chlag, saß nach seinem Teilstück wie ein Häufchen Elend in der Wechselzon­e und wollte später nur allein sein. Schlussläu­fer Roman Rees, der mit zwei Extrapatro­nen auskam, war sich trotz aller Enttäuschu­ng sicher: „Das ist natürlich bitter, wenn so etwas passiert. Aber ich denke, er kommt damit klar.“Letztlich fehlte dem deutschen Quartett eine gute halbe Minute zu Edelmetall.

Gold gewannen die favorisier­ten Norweger, bei denen Startläufe­rin Ingrid Landmark Tandrevold ebenfalls eine Strafrunde absolviere­n musste, in 1:04.41,9 Stunden. Doch dieses Handicap schien das restliche Trio nur zusätzlich anzustache­ln.

Letztlich machte Johannes Thingnes Bö den Sieg gegen überrasche­nd starke Italiener perfekt. Deren Schlussläu­fer Tommaso Giacomel konnte dem Dominator auf den

letzten Kilometern zwar nicht folgen, feierte Silber mit 11,6 Sekunden Rückstand aber ausgelasse­n.

Bronze holten nach 1:05.37,8 Stunden die Franzosen, die kurz vor

dem Ziel noch einen Schreckmom­ent überstehen mussten. Quentin Fillon-Maillet hatte zunächst den Zielkorrid­or verpasst und wäre beinahe wieder Richtung Schießstan­d gelaufen. Nach ein paar Metern bemerkte er jedoch seinen Fauxpas, drehte um und nahm die richtige „Einfahrt“. Der Vorsprung auf den heranrausc­henden Österreich­er Simon Eder war dadurch auf 3,3 Sekunden geschmolze­n. „Das war klar mein Fehler. Zum Glück hat es noch gereicht“, meinte Frankreich­s Schlussläu­fer hinterher erleichter­t und konnte über seinen „Umweg“sogar schmunzeln.

Ernüchtert resümierte indes der deutsche Sportdirek­tor den Auftakt: „Man muss anerkennen, dass wir nicht gut genug fürs Podium waren“, sagte Felix Bitterling und hofft nun vor allem auf Herrmann-Wick. Die 34-Jährige gilt nach ihrer starken Vorstellun­g als Mitfavorit­in im 7,5-km-Sprintrenn­en am Freitag.

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SASCHA FROMM (2) Die Hände zum Himmel: Norwegens Schlussläu­fer Johannes Thingnes Bö sichert seiner Staffel die Mixed-Goldmedail­le.
 ?? ?? Verpatzt: Benedikt Doll reichen drei Nachladepa­tronen im Liegendsch­ießen nicht. Er muss eine Strafrunde absolviere­n.
Verpatzt: Benedikt Doll reichen drei Nachladepa­tronen im Liegendsch­ießen nicht. Er muss eine Strafrunde absolviere­n.

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