Thüringische Landeszeitung (Jena)
Der Kapitän kommt vom Kurs ab
Die deutsche Mixed-Staffel verpatzt mit Platz sechs den WM-Auftakt in Oberhof. Favorit Norwegen triumphiert
Oberhof. Nichts war es mit dem Traumstart in die Heim-WM. Trotz herrlichem Sonnenschein und einer Kulisse von 19.000 Zuschauern schauen die deutschen Biathleten nach dem „schwarzen Mittwoch“bedröppelt drein. Bei Norwegens Triumph kamen sie nicht über den sechsten Platz hinaus und verpassten die erhoffte Initialzündung in die Titelkämpfe. Schon bei den letzten beiden Weltmeisterschaften war die 4 x 6-km-Mixed-Staffel zu Beginn leer ausgegangen.
Getröstet werden musste vor allem Benedikt Doll. Ausgerechnet der innerhalb der Mannschaft „Capitano“gerufene Routinier verpatzte seinen Auftritt. „Das ärgert mich sehr. Mein Schießen war vogelwild. Das war eine Katastrophe. Dafür trainiert man nicht 20 Jahre Biathlon“, sagte Doll völlig geknickt im ZDF und fügte traurig an: „Das tut mir leid für die Teammitglieder.“
Doch die nahmen den Unglücksraben in Schutz: „Das ist uns allen schon passiert“, sagte Denise Herrmann-Wick. „Die größte Schmach ist es für einen selbst. Doch wir halten als Team zusammen.“Vanessa Voigt, die das gleiche Schicksal mit zwei Strafrunden bei den Olympischen Spielen 2002 ereilt hatte, meinte: „Wir haben gemeinsam gekämpft. Schade, dass es nur der sechste Platz geworden ist. Aber es ging ja bei mir schon holprig los.“
Die deutsche Starterin, die auf ihrer Heimstrecke erstmals vor Publikum antrat, konnte läuferisch nicht mit der Spitze mithalten und beklagte später das dichte Gedränge auf der ersten Runde: „Wenn man die ganze Zeit nur auf die Ski ‚gelatscht‘ bekommt, ist es schwer vorwärtszukommen. Da steht man fast am Berg.“Dadurch sei die Lücke nach vorn immer größer geworden. Weil die gute Schützin zudem zwei Nachladepatronen benötigte, betrug der Rückstand auf die zu dem Zeitpunkt führenden Französinnen bereits eine Minute.
Dank der Aufholjagd von Herrmann-Wick durften die Fans am Grenzadler wieder von einer Medaille träumen. Die Erzgebirgerin fegte durch den Schnee, musste nur einmal nachladen, und übergab mit nur noch 27 Sekunden Rückstand
als Dritte auf Doll. „Ich war schon auf Attacke gebürstet nach den guten Leistungen in diesem Trimester“, sagte sie und lächelte: „Das Laufen passt gut. Es ist schön zu sehen, dass die Form da ist.“
Doll vergab dann alle Chancen im Liegendanschlag, saß nach seinem Teilstück wie ein Häufchen Elend in der Wechselzone und wollte später nur allein sein. Schlussläufer Roman Rees, der mit zwei Extrapatronen auskam, war sich trotz aller Enttäuschung sicher: „Das ist natürlich bitter, wenn so etwas passiert. Aber ich denke, er kommt damit klar.“Letztlich fehlte dem deutschen Quartett eine gute halbe Minute zu Edelmetall.
Gold gewannen die favorisierten Norweger, bei denen Startläuferin Ingrid Landmark Tandrevold ebenfalls eine Strafrunde absolvieren musste, in 1:04.41,9 Stunden. Doch dieses Handicap schien das restliche Trio nur zusätzlich anzustacheln.
Letztlich machte Johannes Thingnes Bö den Sieg gegen überraschend starke Italiener perfekt. Deren Schlussläufer Tommaso Giacomel konnte dem Dominator auf den
letzten Kilometern zwar nicht folgen, feierte Silber mit 11,6 Sekunden Rückstand aber ausgelassen.
Bronze holten nach 1:05.37,8 Stunden die Franzosen, die kurz vor
dem Ziel noch einen Schreckmoment überstehen mussten. Quentin Fillon-Maillet hatte zunächst den Zielkorridor verpasst und wäre beinahe wieder Richtung Schießstand gelaufen. Nach ein paar Metern bemerkte er jedoch seinen Fauxpas, drehte um und nahm die richtige „Einfahrt“. Der Vorsprung auf den heranrauschenden Österreicher Simon Eder war dadurch auf 3,3 Sekunden geschmolzen. „Das war klar mein Fehler. Zum Glück hat es noch gereicht“, meinte Frankreichs Schlussläufer hinterher erleichtert und konnte über seinen „Umweg“sogar schmunzeln.
Ernüchtert resümierte indes der deutsche Sportdirektor den Auftakt: „Man muss anerkennen, dass wir nicht gut genug fürs Podium waren“, sagte Felix Bitterling und hofft nun vor allem auf Herrmann-Wick. Die 34-Jährige gilt nach ihrer starken Vorstellung als Mitfavoritin im 7,5-km-Sprintrennen am Freitag.