Thüringische Landeszeitung (Jena)
Prozessauftakt zum Tod von vier Motorradfahrern auf der A9
Schöffengericht in Rudolstadt geht der Frage nach, ob der Unfall vermeidbar gewesen wäre
Der 30. August 2019 wendete kurz vor 16.30 Uhr im freitäglichen Heimfahrverkehr auf der Autobahn A9 in Richtung Berlin das Schicksal einer Reihe von Menschen auf die schlimmste Weise: Als zwischen den Anschlussstellen Schleiz und Bad Lobenstein auf Höhe des Örtchens Raila der Fahrer eines Mercedes Sprinter die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, auf die Seite kippte und dabei die unter einer Brücke dort Schutz suchende Gruppe von vier Motorradfahrern erfasste.
Zwei waren auf der Stelle tot, zwei weitere erlagen kurze Zeit später ihren schweren Verletzungen. Den Unfallbericht hat die Polizei schon länger fertig, das zuständige Schöffengericht in Rudolstadt bewertet nun seit Montag die Details des Geschehens strafrechtlich. Auf der Anklagebank hatte Bernd B.* (41) – zu Hause in einem brandenburgischen Dorf – die Aufgabe, den Moment seines Lebens Revue passieren zu lassen, den er nie vergessen wird.
In der Anklageschrift ist von fahrlässiger Tötung in vier tateinheitlichen Fällen die Rede. Man sei in einem neuen Werkstattwagen zu dritt im Auftrag ihres Arbeitgebers auf Montage gewesen. In der BMWWelt in München habe man drei Wochen am Stück als Messebauer einen neuen Stand errichtet. Als sich an dem Freitag eine Materiallieferung verzögert, steht fest: Man würde etwas eher in Richtung Heimat aufbrechen können.
Kurz vor der Thüringer Landesgrenze verdüsterte sich der Himmel. Eine schwarze Wand zog auf, so schildern es alle Zeugen, die zum Prozessauftakt aussagen. Wie schnell der Fahrer des Sprinter langsamer wurde, bleibt an diesem Morgen Auslegungssache. Bernd B. selbst sagt, er habe deutlich auf unter Tempo 100 verzögert und erst sehr spät gemerkt, dass der Wagen trotzdem aufschwimmt. Dann sei die Lenkung erst schwammig geworden und dann der Wagen plötzlich ausgebrochen. Er habe die Insassen noch warnen können, dann sei das Auto auf die rechte Seite auf die dort vor dem Wolkenbruch Schutz suchenden Motorradfahrer und ihre abgestellten Zweiräder aufgeschossen und habe sich dabei auch selbst überschlagen.
Viel wird auf das Gutachten des Sachverständigen ankommen, bevor am 7. März mit dem Urteil gerechnet wird.
*Namen geändert