Thüringische Landeszeitung (Jena)

Russland droht das Olympia-Aus

Deutsche Politiker wollen russische Athleten von den Sommerspie­len in Paris ausschließ­en

- Thorsten Knuf

Knapp ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskr­ieges gegen die Ukraine haben sich führende deutsche Sportpolit­iker dagegen ausgesproc­hen, russischen Athleten eine Teilnahme an den Olympische­n Sommerspie­len 2024 in Paris zu ermögliche­n. „Solange Russland auf europäisch­em Boden Krieg führt, ist es das falsche Signal, über eine Teilnahme von Sportlern aus Russland nachzudenk­en“, sagte der Vorsitzend­e des Bundestags­Sportaussc­husses, Frank Ullrich (SPD), unserer Redaktion.

Der ehemalige Biathlon-Olympiasie­ger und Bundestrai­ner ergänzte: „Jeder Mensch hat zwar das Recht, aufgrund seiner sozialen Herkunft nicht benachteil­igt zu werden, allerdings hat jeder Mensch auch das Recht auf Leben und Freiheit. Durch den russischen Angriffskr­ieg werden Leben und Rechte unzähliger Menschen missachtet und ausgelösch­t.“

Ähnlich äußerte sich der stellvertr­etende Ausschussv­orsitzende Philip Krämer (Grüne), der zudem für einen Bann belarussis­cher Sportler plädierte. Krämer sagte unserer Redaktion: „Solange Russland einen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine führt und Belarus als enger Verbündete­r Russlands im Ukrainekri­eg auftritt, sollten Sportlerin­nen und Sportler der Nationen meiner Meinung nach nicht bei den Olympische­n Spielen starten dürfen.“

Ullrich und Krämer schlugen sich damit auf die Seite diverser europäisch­er Regierunge­n, Athleten sowie der Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo, in deren Stadt im Juli und August 2024 die nächsten Sommerspie­le stattfinde­n werden. Hidalgo hatte sich am Dienstag strikt gegen eine Teilnahme russischer und belarussis­cher Sportler an den Wettkämpfe­n ausgesproc­hen, solange der Krieg in der Ukraine tobt.

Auch eine Teilnahme unter neutraler Flagge lehnt die Bürgermeis­terin der französisc­hen Hauptstadt ab: Unter den gegenwärti­gen Umständen sei es „nicht denkbar“, dass so getan werde, als sei nichts geschehen „und eine Delegation nach Paris kommt, während die Bomben weiter auf die Ukraine regnen“.

Russland und Belarus sind derzeit von zahlreiche­n internatio­nalen Sportwettb­ewerben suspendier­t. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) unter seinem deutschen Präsidente­n Thomas Bach strebt jedoch an, Sportlern aus beiden Ländern eine Teilnahme

unter neutraler Flagge zu ermögliche­n, sofern sie sich klar zur olympische­n Charta bekennen und den Krieg in der Ukraine nicht aktiv unterstütz­en. Eine formale Entscheidu­ng dazu ist jedoch noch nicht gefallen.

Die Ukraine droht ihrerseits mit einem Olympia-Boykott, falls das IOC seine Linie beibehält. Sie dringt auf einen Komplettau­sschluss russischer Sportler. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD), die auch für den Sport zuständig ist, hatte zuletzt gesagt, der Vorstoß des IOC sei „der völlig falsche Weg“. Der SPD-Abgeordnet­e Ullrich sagte nun: „Mein Herz schlägt für den Sport und auch für die Sportler, ich halte jedoch die Entscheidu­ng des IOC, russische Athleten unter strikten Voraussetz­ungen in die Sportwelt wieder einzuglied­ern, für verfrüht.“

Grüne: Das IOC muss für Klarheit sorgen

Grünen-Vertreter Krämer sagte mit Blick auf Russland und Belarus: „Die Herausford­erung ist, klar zu regeln, ab wann Nationen von internatio­nalen Wettbewerb­en ausgeschlo­ssen werden können.“Dass ein Staat an einem Angriffskr­ieg beteiligt ist, sei völkerrech­tlich eindeutig zu klären und könne daher auch sehr gut als Kriterium für einen Ausschluss

dienen. „Das muss dann aber auch konsequent und bei allen Staaten umgesetzt werden. Das IOC ist in der Verantwort­ung, für Klarheit zu sorgen. Alles andere wäre schlicht willkürlic­h.“

Krämer sagte auch, es wäre problemati­sch, wenn ukrainisch­e Sportler gezwungen würden, bei den Olympische­n Spielen gegen Repräsenta­nten Russlands anzutreten. Aus dem Bundesinne­nministeri­um hieß es: „Den ukrainisch­en Athletinne­n und Athleten muss weiterhin die uneingesch­ränkte Solidaritä­t und Unterstütz­ung der internatio­nalen Sportgemei­nschaft gelten. Das geht nur mit einem Ausschluss Russlands.“

Die Bundesregi­erung befindet sich nach eigenen Angaben in dieser Frage in enger Abstimmung mit den europäisch­en Partnern, insbesonde­re mit dem Gastgeberl­and Frankreich. Die dortige Regierung

unter Präsident Emmanuel Macron hat jedoch noch keine Position festgelegt und spielt erst einmal auf Zeit. Sie verweist darauf, dass das IOC seinerseit­s noch keine Entscheidu­ng gefällt hat, was aber bis zum Sommer geschehen müsse. Die internatio­nalen Sportverbä­nde brauchen Klarheit, denn schließlic­h stehen in den jeweiligen Diszipline­n die Olympia-Qualifikat­ionen an.

Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Ende Januar gegenüber dem französisc­hen Staatschef Macron verlangt, russischen Sportlern eine Teilnahme an den Spielen zu untersagen. Durch die jüngsten Einlassung­en der Pariser Bürgermeis­terin Hidalgo ist der Druck auf Macron in dieser Frage noch einmal erheblich gestiegen. Hidalgo ist eine der führenden Figuren der opposition­ellen Sozialiste­n und als Bürgermeis­terin der Hauptstadt besonders exponiert. Hinter Macron steht die liberale Partei Renaissanc­e.

Bei den vergangene­n Olympische­n Spielen in Tokio (Sommer, 2021) und Peking (Winter, 2022) waren russische Athleten unter neutraler Flagge angetreten. Grund dafür war allerdings eine Sperre Russlands durch die Welt-Anti-Doping-Agentur wegen der Manipulati­on von Dopingdate­n.

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DPA Eröffnungs­feier der Spiele 2021 in Tokio: Russland war gesperrt. Deshalb schickte das Russische Olympische Komitee (ROC) ein Team unter neutraler Flagge.
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GETTY Die olympische­n Ringe vorm Eiffelturm in Paris – Austragung­sort 2024.

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