Thüringische Landeszeitung (Jena)
Angekommen im Team
Oksana Lozinska hat ein Jahr nach der Flucht aus der Ukraine ihr Leben neu organisiert
Fast ein Jahr lebt Oksana Lozinska mittlerweile in Thüringen. Im März 2022, kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, war die junge Frau mit ihrer Mutter, ihrer Tochter und ihrer Schwester vor dem Krieg nach Deutschland geflohen. In Bad Sulza im Weimarer Land fand die Familie eine Bleibe. Bekannte boten eine Wohnung und Unterstützung beim Ankommen in der neuen Heimat und bei Behördengängen an.
Schon nach wenigen Wochen sei ihr klar geworden, dass aus der baldigen Rückkehr in die Heimat nichts wird, erinnert sich die 44-Jährige an ihre ersten Besuche bei der Arbeitsagentur. „Ich wollte mich nützlich machen und habe einen Job gesucht“, berichtet sie.
Bei der Firma Ibutec in Weimar wurde sie fündig. Aus drei Angeboten konnte sie wählen, ihre Entscheidung für das Unternehmen in Weimar hat sie bis heute keine Sekunde bereut.
Dafür nimmt sie die langen Fahrten mit Bahn und Bus gern in Kauf, versichert sie. „Wenn es gut läuft, bin ich morgens und abends jeweils eine Stunde und fünfzehn Minuten unterwegs zwischen Wohnung und
Arbeit“, erzählt Oksana Lozinska. Es kann aber auch gut zwei Stunden dauern, bis sie ihr Ziel erreicht, die Bahnen führen nicht immer pünktlich. „Ich kenne inzwischen viele Gründe dafür“, sagt sie schmunzelnd. Das reiche von kleineren und größeren Störungen an den Weichen über technische Defekte am Fahrzeug bis zu medizinischen Notfällen
und Bäumen im Gleis. Doch nicht nur die Durchsagen am Bahnsteig versteht sie.
Ihre perfekten Deutschkenntnisse machten auch den beruflichen Neustart im Freistaat deutlich einfacher. „Wir haben uns sehr gefreut, dass es auf Anhieb gepasst hat“, erinnert sich Firmenvorstand Jörg Leinenbach an das erste Vorstellungsgespräch.
Mittlerweile sei Lozinska im Unternehmen angekommen, habe sich ins Team integriert. „Natürlich machen ihre Sprachkenntnisse es einfacher, sich mit den Kolleginnen in ihrer Abteilung die Bälle auf kurzen Wegen zuzuspielen“, sagt der Firmenchef. In ihrer Heimat hatte sie als Dolmetscherin gearbeitet.
„Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Atmosphäre im Team stimmt. Ich kann mir gut vorstellen, hier noch ein paar Jahre zu bleiben“, sagt die junge Ukrainerin. Sicherlich spielt es bei ihren Überlegungen auch eine Rolle, dass ihre Tochter parallel zum Studium in der Ukraine jetzt auch ein Studium in Erfurt begonnen hat.
Ihre Schwester sei gerade dabei, die deutsche Sprache zu erlernen, der Kurs nehme sie voll in Anspruch, nach den Stunden übe sie daheim fleißig weiter. In Kiew hat die Schwester als Musiklehrerin in einem Kindergarten gearbeitet und den Kindern das Klavierspielen beigebracht, etwas ähnliches wolle sie auch hier wieder machen. Die Sprache sei für ihre Landsleute die größte Hürde beim Ankommen in der Wahlheimat, so Lozinska.
Aus der Heimat kommen unterdessen keine guten Nachrichten, Die Schwester habe täglich Kontakt zu ihrem Mann, der geblieben ist, sagt Oksana Lozinska. Der berichte in den Telefonaten von zerstörten Stromleitungen und Tagen ohne Strom, Wasser und Heizung. Jüngst sei zudem unweit ihres Hauses eine Rakete eingeschlagen, sie macht sich große Sorgen, erzählt Oksana Lozinska.
„Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Atmosphäre im Team stimmt. Ich kann mir gut vorstellen, hier noch ein paar Jahre zu bleiben.“Oksana Lozinska, Dolmetscherin aus der Ukraine