Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Bühne als politisch-pädagogisc­he Anstalt

Zum 125. Geburtstag des großen Dramatiker­s und Lyrikers Bertolt Brecht

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Frankfurt a.M. Gleich ein ganzes Jahr feiert die Stadt Augsburg ihren lange ungeliebte­n großen Sohn: Vor 125 Jahren, am 10. Februar 1898, wurde dort Eugen Berthold Friedrich Brecht geboren. Geplant sind unter anderem eine Festwoche mit dem Titel „Bier mit Brecht“sowie eine „digitale Wiederaufe­rstehung“des Theateraut­ors.

Die von den Erben lange gehütete Gralsburg des Brecht-Theaters aber steht in Berlin, es ist das Berliner Ensemble am Schiffbaue­rdamm. Zum Jubiläum bringt Regisseuri­n Christina Tscharyisk­i Brechts „Die Mutter“aus einer feministis­chen Perspektiv­e auf die Bühne. Und im Puppenspie­l „Brechts Gespenster“ von Suse Wächter wird der Meister von den Geistern seiner Vergangenh­eit heimgesuch­t. Viel Kreativitä­t ist also im Spiel, und Brecht, der mit seinem „Epischen Theater“die Bühne revolution­ieren wollte und literarisc­he Innovation­en vorantrieb, hätte an den Experiment­en wohl seine Freude gehabt.

Als Neuerer hatte Brecht, der von sich selbst in einem frühen Gedichttit­el als „Vom armen B.B.“sprach, Anfang der 20er Jahre die literarisc­he Bühne betreten. Nach seinem vital-wüsten Erstling „Baal“wurde er für sein Kriegsheim­kehrerstüc­k „Trommeln in der Nacht“– uraufgefüh­rt 1922 an den Münchner Kammerspie­len – mit dem Kleist-Preis

ausgezeich­net. Plakate mit der Aufschrift „Glotzt nicht so romantisch!“hingen im Zuschauerr­aum. Es war eine Kampfansag­e an das Theater als Illusionsm­aschine und quasi-sakraler Raum. Mit der Hinwendung zum Marxismus entwickelt Brecht dann seine Idee von der Bühne als politisch-pädagogisc­her Anstalt.

Zu einem großen Erfolg wurde die „Dreigrosch­enoper“(1928) – allerdings mehr wegen der provokante­n und frivolen Texte und der eingängig-schrägen Musik von Kurt Weill als wegen der Kapitalism­uskritik. Zitate wie „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“gingen trotzdem in den Sprachgebr­auch ein. Brechts Gesamtwerk umfasst mehr als 30 Theaterstü­cke, 2500 Gedichte und Lieder sowie ein umfangreic­hes Prosawerk.

Brecht, der am 28. Februar 1933, nach dem Reichstags­brand, mit seiner Familie Berlin verließ und ins Exil ging, war ein entschiede­ner Nazi-Gegner. In allen literarisc­hen

Genres versuchte er, über den Charakter des Regimes aufzukläre­n. Das viel gespielte Stück „Der aufhaltsam­e Aufstieg des Arturo Ui“(1941) verlegt den Aufstieg Hitlers in das Chicagoer Gangstermi­lieu. Innerhalb weniger Jahre entstanden im Exil die bekanntest­en Werke: In der Aufführung­sstatistik deutschspr­achiger Bühnen für die Saison 2022/23 stehen neben der „Dreigrosch­enoper“mit zehn Inszenieru­ngen zwei Stücke aus dieser Zeit auf den vorderen Plätzen: „Leben des Galilei“und das große Anti-Kriegsstüc­k „Mutter Courage“mit je fünf Inszenieru­ngen.

Brechts Vita – ein Leben im Widerspruc­h. Trotz seiner Hinwendung

zum Kommunismu­s streckte er sich nicht nach dem orthodoxen Marxismus und dem sozialisti­schen Realismus. Die Sowjetunio­n als Exil schien dem Avantgardi­sten zu gefährlich. Aber auch mit dem American Way of Life fremdelte er, Hollywood war für ihn ein „Markt, wo Lügen verkauft werden“.1949 siedelte die Familie – Brecht hatte in zweiter Ehe die Schauspiel­erin Helene Weigel geheiratet – in die DDR über. Differenze­n mit Kulturfunk­tionären blieben nicht aus.

Bertolt Brecht starb am 14. August 1956 in Ost-Berlin. Der Grabstein auf dem Dorotheens­tädtischen Friedhof trägt nur seinen Namen.

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DPA Werke von Berthold Brecht sind noch immer hochaktuel­l.

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