Thüringische Landeszeitung (Jena)

Wenn das Einsatzkom­mando in der Küche steht

Ein vorgetäusc­hter Alarm, der einen Großeinsat­z der Polizei auslöst – „Swatting“nimmt zu. Die Gefahren sind groß, die Strafen hoch, warnt die Polizei

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Frankfurt/Wiesbaden. Plötzlich rückte das Überfallko­mmando der Polizei in einer Frankfurte­r Moschee an. Ein oder mehrere Unbekannte hatten über eine Notruf-App wegen eines vermeintli­chen Amoklaufs Alarm geschlagen. Von Verletzten sei die Rede gewesen – und dass sich noch mehrere Menschen in der Gewalt des Täters befänden, erklärte die Polizei. Die Einsatzkrä­fte waren daraufhin mit einem Großaufgeb­ot vor Ort.

Doch von einer Gefahrenla­ge keine Spur. Stattdesse­n hatten sich an jenem Freitag im Januar unter anderem Kinder in der Abu-Bakr-Moschee aufgehalte­n. „Grundsätzl­ich wird bei jedem Alarm so vorgegange­n, als ob es sich um eine echte Notlage handelt“, sagt ein Polizeispr­echer.

Im Zusammenha­ng mit vorgetäusc­hten Notrufen macht immer wieder der Begriff „Swatting“die Runde. In der Online-Gaming-Szene sind derartige „Streiche“nichts Unbekannte­s. Dabei setzt jemand einen falschen Alarm ab, damit das Haus eines anderen von der Polizei oder auch von Feuerwehr und Rettungskr­äften gestürmt wird – am besten dann, wenn das Opfer noch live vor seiner Webcam sitzt. Der Begriff kommt von SWAT, der USamerikan­ischen Spezialein­heit „Special Weapons and Tactics“. In den USA ist „Swatting“besonders verbreitet. „Der Phänomenbe­reich ,Swatting‘ als solches wird polizeilic­h nicht erfasst“, heißt es bei der Frankfurte­r Polizei. Jedoch ereigneten sich im Jahr 2021 in der Mainmetrop­ole 172 Fälle im Bereich Missbrauch von Notrufen. Dieses Phänomen sei aktuell tendenziel­l steigend, sagt ein Polizeispr­echer. Hessenweit gab es 2021 laut Kriminalst­atistik 515 Fälle.

„Swatting“ist eine ernste Straftat

Der absichtlic­he Missbrauch von Notrufen „ist kein Kavaliersd­elikt, sondern eine Straftat“, heißt es beim Landeskrim­inalamt in Wiesbaden. Diese wird mit bis zu einem

Jahr Haft oder einer Geldstrafe geahndet. Gefährlich ist zudem, dass die Kräfte während des Einsatzes nicht für „echte Notfälle“verfügbar sind. Wie genau gehen die mutmaßlich­en Täter vor? Zur Verschleie­rung würden manche beim Anruf in den Einsatzzen­tralen die sogenannte Call-ID-Spoofing-Technik oder Daten dritter Personen missbräuch­lich nutzen, heißt es beim LKA. Diese Technik beschreibe das Manipulier­en einer Telefonnum­mer, sodass bei Anrufen eine falsche Rufnummer angezeigt und die Identität des wahren Anrufers verschleie­rt wird. Aber auch Notruf-Apps für das Smartphone werden demnach eingesetzt.

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BORIS ROESSLER / B.R./DPA Beamter eines Spezialein­satzkomman­dos bei einem Einsatz: Manchmal sind sie Opfer eines „Streichs“.

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