Thüringische Landeszeitung (Jena)
Achtung, Overbeck kommt!
Mit seiner schrägen Krimilesung und ohne Sonnenbrille gastiert der Schauspieler Roland Jankowsky in Jena
Jena. Er spielt den stets aufgedrehten Kommissar Overbeck in der ZDF-Serie „Wilsberg“: Roland Jankowsky. Die Rolle hat ihm eine große Fangemeinde beschert. So groß, dass Jankowsky darüber nachgedacht hat, der Figur eine eigene Fernsehreihe zu verschaffen. Mit seiner schrägen Krimilesung gastiert er jetzt in Jena und in anderen Städten Thüringens.
Könnten wir das Interview führen, ohne über Wilsberg zu sprechen?
Sicher. Aber Wilsberg ist natürlich ein wichtiger Punkt, nicht nur in meinem Leben, sondern auch für viele Zuschauer.
Ist wahrscheinlich machbar, aber wenig sinnvoll. Sie treten auch mit Texten von François Villon auf, rezitieren und singen vertonte Balladen. Was reizt Sie an dem Dichter?
Wenn man bedenkt, dass er die Texte vor über 500 Jahren geschrieben hat, sind sie erstaunlich aktuell. Villon hat vier große Themenbereiche, die zeitlos sind: Frauen und Liebe, Gesellschaft und Obrigkeit sowie Tod und Vergänglichkeit. Zudem verarbeitete er in seinen Texten auch seine Erfahrungen als Krimineller. Diese Zeitlosigkeit fasziniert mich ungemein.
Was ist das für ein Programm, mit dem Sie in Jena gastieren?
Mit den schrägen Krimilesungen bin ich seit zehn Jahren unterwegs. Zunächst waren es ein bis zwei Termine im Jahr, zuletzt etwa 90. Panem et circenses eben. Und das Volk will immer neuen Stoff, weshalb ich in den vergangenen Jahren sechs Programme entwickelt habe. In Jena bin ich zum ersten Mal und trete mit meinem ersten Programm auf: „Wenn Overbeck kommt…“Natürlich spiele ich mit meinem Rollennamen. Wenn damals auf den Plakaten „Wenn Jankowsky kommt…“gestanden hätte, wäre der Saal wohl nicht so voll geworden. Einige werden Jankowsky schon kennen, aber Overbeck ist der, der seit über 25 Jahren in die Wohnzimmer der Zuschauer kommt. Ich lese Kurzgeschichten namhafter deutscher Autoren, die durch überraschende Wendungen, Wortwitz, groteske Situationen gekennzeichnet sind und unerwartet enden. Die Lesung ist aber keine Fortsetzung von Wilsberg.
Über Leichen lachen: Das ist offenbar ein Spezialgebiet der Fahnder aus Münster. Worüber können Sie selbst nicht lachen?
Über Intoleranz, Dummheit gepaart mit Voreingenommenheit. Vor wenigen Tagen war ich in Trier und wurde Zeuge einer Kundgebung mit einer großen Friedenstaube auf dem Pflaster. Und da faselt ein Mann von „Frieden und Freiheit“und in einem Atemzug von „Ruhm und Ehre“. Grotesk! Was hat das miteinander zu tun, eine Nazi-Parole und der Freiheitsbegriff? Die SS hat schlimm gehaust und gemordet. Ich sprach den Mann an. Ein anderer meinte, ich möge doch bitte den Mund halten. Freiheit? Nein, eine andere Meinung durfte ich nicht haben. Das regt mich auf.
Deutschland ist ein Krimi-Land. Seit Jahren geflutet von Romanen, Filmen und Serien: Was reizt Sie an dem Genre?
Warum haben wir uns früher das „Das indische Tuch“nach einem Roman von Edgar Wallace angeschaut? Ich war von Kindesbeinen an immer fasziniert von spannenden Geschichten, diese Faszination ist gewachsen. Heute mag ich skandinavische Autoren wie Henning Mankell, Arne Dahl oder Håkan Nesser sowie französische Autoren. Ich mag es, zu rätseln und in die Abgründe der menschlichen Existenz zu schauen.
Wilsberg geht in den Ruhestand: Zumindest als literarische Vorlage, denn der Autor Jürgen Kehrer hat im vergangenen Jahr seinen letzten Wilsberg-Krimi veröffentlicht: Wann ist die TV-Reihe auserzählt?
Die Serie hat sich früh von den Vorlagen gelöst. Im Fernsehen funktionieren viele Dinge anders. Overbeck taucht als Figur in den Romanen nicht auf. Und auch die alte Liebesgeschichte und die Nickeligkeiten zwischen Wilsberg und der Kommissarin Anna Springer lassen sich im Fernsehen einfach besser erzählen. Solange den Autoren und der Redaktion die Themen nicht ausgehen, die Umsetzung gut ist und die Zuschauer es mögen, solange wird es Wilsberg geben. Wir sind jetzt bei mehr als 80 Folgen. Es wäre schön, wenn wir die 100 voll kriegen.
Wie heißt Overbeck mit Vornamen?
Natürlich hat Overbeck keinen Vornamen. Und natürlich gibt es immer diejenigen, dies es besser wissen. In der Folge „Gegen den Strom“bekommt Overbeck per Brief Post von seinem Stromanbieter. Eine fleißige Ausstatterin hat Overbeck doch tatsächlich einen Vornamen verpasst, der auf dem Umschlag zu erkennen war, wenn man ins Bild hineinzoomte. Seit 25 Jahren aber ist der Name nie erwähnt worden. Das ist
der rote Faden, auch wenn Menschen es offenbar nur schwer ertragen können.
Overbecks Sonnenbrille: Das wäre doch ein toller Fan-Artikel.
Ist auch nur ein Zitat und steht für die supercoolen, oberwichtigen Ermittler aus CSI Miami et cetera. Da hat das ZDF Wichtigeres zu tun, als Sonnenbrillen zu verkaufen. Wenn ich aber ohne Sonnenbrille unterwegs bin, fragen die Leute gleich: Overbeck, wo haben Sie die Brille gelassen?
Die Amerikaner sind gut darin, Ableger von erfolgreichen Serien zu produzieren: Ich denke zum Beispiel an „Better call Saul“als Spin off von „Breaking Bad“: Könnte das ZDF auch machen, oder?
Sie werden lachen. Ich habe schon daran gedacht. Zusammen mit zwei Autoren habe ich auch etwas entwickelt, aus welchen Gründen auch immer fanden es die Verantwortlichen aber nicht gut. Rückblickend habe ich mich zu früh entmutigen lassen. Ich hätte es machen sollen.
Overbeck ist ein Macho und würde sicherlich mit der ZDF-Protagonisten des Jena-Krimis - Theresa Wolff – ständig aneinandergeraten. Wie viel Overbeck steckt in Ihnen?
Ich hoffe nicht, dass viel Overbeck in Roland Jankowsky steckt. Overbeck ist der Elefant im Porzellanladen, er tritt in jedes Fettnäpfchen, hat keine Freunde und keine Familie. Ich bin privat ganz anders. Ich bin ein Familienmensch.
Am Ende ist er aber doch irgendwie liebenswert.
Wenn er nur der Arsch wäre, würden ihn die Zuschauer nicht mögen. Overbeck ist kein Intrigant. Und auch wenn er einen Kopf kürzer gemacht wird, steht er immer wieder auf. Er lässt sich nicht unterkriegen.
Sind Sie bei den Dreharbeiten überhaupt in Münster? Weite Teile des Films werden in Köln gedreht.
Natürlich werden viele Szenen in Köln gedreht, einfach um Kosten zu sparen. Wenn wir eine Doppelfolge drehen, drehen wir neun Wochen. Und dann sind wir zwei Wochen in Münster. Das ist viel im Vergleich zu anderen Produktionen.
Ich war vor ein paar Wochen in Münster und habe das Antiquariat von Michael Solder besucht, das sich zweimal im Jahr in das Haus der alten Bücher von Georg Wilsberg verwandelt. Wie passen Schauspieler und das Kamerateam in das winzige Ladenlokal?
Das ist nicht ganz einfach. Es funktionierte aber seit 25 Jahren, dann kam Corona. Angesichts staatlicher Hygiene-Maßnahmen konnten wir in dem Antiquariat nicht drehen. Deswegen wurde in den Filmen für die Zuschauer immer von einem Wasserschaden gesprochen. Ab März drehen wir wieder. Dann weiß ich mehr.
Sie sind Botschafter eines Vereins in Nordrhein-Westfalen, der sich in Togo in Afrika engagiert. Was hat Sie dazu bewogen?
Grundsätzlich finde ich, dass Menschen, die viele andere Menschen erreichen, sich für den guten Zweck einsetzen sollen. Angesichts der deutschen Kolonial-Geschichte interessierte ich mich. Togo ist ein bitterarmes Land. Ich weiß, dass ich die Armut in der Welt nicht beenden kann. Aber der Verein geht kleine Schritte: Er baut Mutter-KindKliniken, Schulen und Kindergärten, bohrt Brunnen, damit sich die Situation der Kinder und vor allem der Mädchen verbessert. Meine Familie hat Patenschaften für zwei Kinder übernommen.
15. Februar Jena, F-Haus; 25. Februar, Mühlhausen; 26. Februar Arnstadt; 5. März Bad Tabarz; 27. September Erfurt