Thüringische Landeszeitung (Jena)
Jena will zeigen, wie Transformation gelingt
Erfolgsgeschichte der Stadt ist Segen oder Fluch bei Bewerbung um Zukunftszentrum des Bundes. Gespräch mit dem OB
Jena. Nein, er wolle „jetzt gar nicht darüber nachdenken“, dass Jena nicht gewinnen könnte. So hat Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) im Gespräch mit unserer Redaktion den Hinweis eingeordnet, dass Jena in den nächsten Tagen beim Jury-Entscheid zum Standort des „Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“(ZET) keineswegs den Sieg sicher hat.
Für den 200-Millionen-EuroNeubau des Bundes und den – Stand heute – jährlich mit 43 Millionen Euro an Bundesmitteln ausgestatteten Betrieb des ZET bei 200 Mitarbeitern liegen auch Bewerbungen vor von Eisenach, Leipzig/ Plauen, Halle und Frankfurt/Oder. Und ob es wohl hinreichend Hirn und Herz in Jena erobert hat – dieses Vorhaben, das die Enquetekommission „30 Jahre deutsche Einheit“angestoßen und das als Ziel Aufnahme im Koalitionsvertrag der Bundesregierung gefunden hat? Thomas Nitzsche hat „den Eindruck, dass die Resonanz sehr breit und der Wunsch groß ist, dass wir den Zuschlag kriegen“.
Immer eng mit der Uni
Während der nichtöffentlichen Jena-Präsentation im Jentower am 17. Januar habe die Stadt der Jury „ziemlich gute Karten“vorlegen können. „Ich glaube, dass nirgends sonst eine solche Enge zwischen Stadt und Universität gegeben ist“, sagte der OB zur Bewerbungsprämisse „Universitätsstadt“. Das habe selbstverständlich im Prozess der gemeinsamen Erstellung der Bewerbung Ausdruck gefunden. „In
den Bewerbungsformularen war gar nicht genug Raum zu zeigen, was wir alles haben.“
Welchen Eindruck gewann der OB von der Jury: War da eine Art Ranking beim Gewicht der Kriterien zu spüren? Schließlich kann Jena zum Beispiel nicht mit einem tollen ICE-Anschluss werben! In diesem Punkte habe Jena auf die Kombination
von Bahn und beiden Autobahnen hingewiesen. Die ICESituation sei kein Ausschlusskriterium gewesen. Aber klar, trotz des Pokerface-Gebots in der Jury „haben Sie aber gemerkt, dass unterschiedliche Gewichtungen“im Spiel waren. Unter den Kriterien sei aber insgesamt etwa die OsteuropaÖffnung „erkennbar wichtiger“gewesen – und dies seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine „erst recht“, sagte der OB. Während Mitbewerber Frankfurt/Oder sich „eher über die Deutschland-PolenVerbindung“in diesem Punkt definiere, „ist unser Ansatz auf ganz Ost- und Südosteuropa“gerichtet. „Wir sind überall“, sagte der OB mit Blick auf die Verbindungen der Universität.
Jenas Mut machende Geschichte
Alles entscheidend beim Jury-Entscheid ist aus Sicht des OB diese Frage: „Haben es, salopp gesagt, andere Bewerber nicht nötiger? Da kommen wir nicht dran vorbei.“Jena setze hier entgegen, „Transformation zu zeigen, wie sie gelingen kann“. Nicht von ungefähr sei doch im Koalitionsvertrag formuliert, dass im ZET die Bedingungen für gelingende Transformation „besser vermittelt werden“. Wenn die Jury aber eine „Strukturentscheidung“treffe, „dann sind wir ziemlich sicher nicht erste Wahl“. Das sei für Jena die Achillesferse.
„Positive, Mut machende Geschichte“: Dafür stehe die Stadt Jena als Hochburg der Bürgerrechtler schon vor 1989 samt Eichplatz als Sinnbild der Wende-Demos. Das ist für den OB ebenso der Umbau von Zeiss nach 1990 mit der Schlüsselfigur Lothar Späth. Späth habe die von der Treuhand vorgegebene Zerschlagung von Zeiss verweigert und erkannt gehabt: „Du hast in Jena einen Nährboden, eine Grundstimmung, die dafür sorgt, dass Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen.“Seit Jahrhunderten hätten die Jenaer immer schon gezeigt, dass sie mitgestalten wollen. „Carl Zeiß hat in Weimar nicht Fuß gefasst. Er kommt nach Jena, und es funktioniert“, sagte Nitzsche. „Das ist eine Dynamik, die wir bis heute sich fortsetzen sehen.“Der Genius Loci habe immer schon dazu beigetragen, dass kooperiert wird.
Eine gute Fügung ist es nach Ansicht des OB, dass für das „Baufeld B“als Teilstück der Eichplatz-Wiederbebauung eine „nichtkommerzielle Nutzung“von den Jenaern gefordert wurde und nun Platz für das ZET böte. Der Funktionen-Mix des ZET aus Forschung, Museum und Bürgerbeteiligungsformaten sei „ziemlich genau das, was die Bevölkerung will“. Freilich müsste der Eichplatz-Rahmenplan geändert werden; derzeit lasse der Plan einen Bau zu, der „quadratisch, praktisch, nicht so gut“sei. Gefordert sei in der Ausschreibung aber „spektakuläre Architektur“mit fünf, sechs Etagen.
Logisch, mit einem ZET in der Jenaer Mitte käme vieles in Bewegung. Geschätzt eine Million Besucher zusätzlich im Jahr „musst du verarbeiten können“, sagte der OB. Etwa die aktuell 3000 Hotelbetten reichten dann nicht. Und die Notwendigkeit der Fernverkehrsanbindung geriete für die Bahn in ein neues Licht. Oder: Die alte Denklogik mit der klassischen Einkaufsstadt funktioniere ohnehin nicht mehr. Guter Aufenthaltsqualität und guter Erreichbarkeit könne nicht mit einer „monothematischen Strategie“entsprochen werden.
Insofern hätte Jena mit dem ZET „leichter lösbare Hausaufgaben“auf dem Tisch. Der OB denkt an Magneten wie das Planetarium, an das künftige Deutsche Optische Museum. Und dazu noch das ZET! „Dann verschieben sich die Schwergewichte.“