Thüringische Landeszeitung (Jena)
Den Blick haben für die Unvergänglichkeit
Erstmals gibt der Orlamünder Bildhauer Erich Becker in Hermsdorf Einblicke in sein Schaffen
Man könnte ihn einen „Metamorph“, einen „Formenwandler“nennen, wenngleich Erich Friedrich Becker nicht seine eigene Gestalt, wohl aber andere Dinge verändern und zu einer neuen Bestimmung führen kann. Becker selbst bezeichnet sich als jemand, der stets versucht, ein Objekt mit einer bestimmten Form mit der Struktur des Materials und seiner Idee in einen Gleichklang zu bringen. Wie dieser Gleichklang aussehen kann, dies kann man erstmals ab Freitag, 10. Februar, ab 19 Uhr bei der Eröffnung der Ausstellung „Werden und Vergehen – Vergehen und Werden“in der Kleinen Galerie der Hermsdorfer Stadtbibliothek im Stadthaus erkunden, der Einritt ist kostenfrei.
Jahrzehntelang schon beschäftigt sich der aus Orlamünde stammende und seit 2005 freischaffende Bildhauer mit unterschiedlichsten Kunstformen und Objekten. Eigentlich ist Becker von Haus aus Musiker – zur Eröffnung wird er selbst zur Violine greifen –, aber bereits in jungen Jahren zog es ihn hinaus in die Natur, wo Zeichenblock und Stifte nicht fehlen durften. „Die Natur, aber auch historische Gebäude sowie Mineralien haben mich immer in einen besonderen Bann gezogen“, sagt der 80-Jährige.
Becker besuchte Abendkurse an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar, er tastete sich mit verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen an seine
ausgewählten Objekte heran und verwandelte sie in etwas Neues, ohne den Ursprung zu verwischen. „Ich zeige die Vergänglichkeit der Dinge, aber auch die Möglichkeiten einer neuen Verwendung.“Was andere sprichwörtlich mit den Füßen treten würden, das hebe er auf, das Material für Plastiken, Stelen oder andere Kunstwerke finde er in den Ecken alter Gehöfte, in ehemaligen Steinbrüchen, auf seinen Reisen durch Frankreich oder Italien oder bei einem umgestürzten Baum vor der Haustür. Nebensächlichen Dingen
– wie eine alte, hölzerne Lade, die Becker 1995 bei einem Scheunenabriss in Jägersdorf barg – gab der Bildhauer eine neue Funktion, indem er sie zum Bestandteil einer Installation werden ließ. „Es geht um den Blick dahinter – und ja, die Dinge geben auch einen Teil ihrer Historie und ihrer ursprünglichen Verwendung preis.“
Großen Wert legt Erich Becker bei seinen Plastiken und Stelen – ob aus Holz oder Stein – auf die Bewahrung der ursprünglichen Form und der Struktur des Materials. So
steigt bei Becker der „Phönix“regelrecht aus der Asche, Porträts orientieren sich an der Maserung des Gesteins. Der Gleichklang hat oberste Priorität. Das Material für seine Werke findet der Orlamünder intuitiv, so wie er ein Stück Holz, einen Brocken Marmor oder Alabaster entdeckt, steckt bereits die Idee im Kopf, was für ein Werk aus dem Material entstehen könnte.
Oft erinnern Beckers Werke an die Vergänglichkeit, wie das Triptychon „Wandlung des Waldes.“Die Besonderheit an dem Werk besteht darin, dass es aus dem Holz von uralten Nussbäumen gefertigt wurde, die nach einer großen Kälte im Winter 1928/29 unweit der Wachsenburg gefällt werden mussten. Insgesamt sind rund 50 Werke in der „Kleinen Galerie“ausgestellt, die Zeitspanne ihrer Entstehung reicht dabei bis in die 1970-er Jahre zurück.