Thüringische Landeszeitung (Jena)
Birxsteig ist der erste Scharfrichter
Olympiasieger und ZDF-Experte Sven Fischer erklärt die Schwierigkeiten der Oberhofer WM-Strecken
Oberhof. Die berüchtigte Wolfsschlucht, wo schon mal Tempo 80 erreicht wurde, gehörte einst zum festen Bestandteil der Oberhofer Biathlon-Strecken. Wegen der Sturzgefahr und Problemen bei der Präparierung wurde sie aber aus dem Programm genommen. Trotzdem hält der WM-Kurs viele anspruchsvolle Abschnitte bereit – allen voran den Birxsteig. Olympiasieger und ZDF-Experte Sven Fischer erklärt die wichtigsten Passagen.
Birxsteig
Schon wenige hundert Meter nach dem Start steht man vor diesem knackigen Anstieg mit einer Steigung von teilweise 13 Prozent. Wer sich nicht richtig erwärmt hat, bekommt da gleich Probleme – mit erheblichen Folgen. Wer in Sauerstoffschuld gerät, erholt sich das gesamte Rennen nicht mehr davon. Bei den riesigen Zuschauermassen an diesem Berg kommt es außerdem darauf an, nicht übermotiviert zu sein, sondern zwingend sein Tempo der körperlichen Verfassung anzupassen.
Hochwaldabfahrt
Es ist eine schöne Abfahrt, auf der man sich zumindest ein wenig erholen kann, aber wegen der hohen Geschwindigkeit immer konzentriert bleiben muss. In der Spitze erreichen die schnellsten Biathleten an dieser Stelle Tempo 60.
Kulle-Kurve
Nur im Einzelrennen der Männer am Dienstag ein Teil des Kurses, gibt es an dieser Stelle einige Richtungsänderungen. Darauf muss man sich einstellen. Entscheidend ist die Frage nach den Schneeverhältnissen. Fahre ich auf Eisplatten oder in tiefem Schnee? Darauf muss ich meine Technik ausrichten und immer fokussiert bleiben. Wenn mir das gut gelingt, kann ich Zeit gewinnen und davon im gesamten Rennen profitieren.
Brunnenweg
Das Stadion ist weit weg, meist stehen hier vor allem lediglich Trainer und Betreuer. Spätestens auf diesem Abschnitt kann ich mich emotional und körperlich einpegeln und die Frage stellen: Wie geht es mir? Zu diesem kurzen Innehalten ist vorher keine Zeit. Aber genau das ist wichtig, um sich das Rennen perfekt einzuteilen.
FIS-Schneise
Ich komme dem Stadion und dem Schießstand wieder näher und kann mich gedanklich darauf einstellen und überlegen, welche Bedingungen beim Schießen herrschen und wie ich darauf reagiere.
IBU-Schneise
Dieser Abschnitt wird direkt nach dem Birxsteig unter anderem bei den Verfolgern und Staffeln gelaufen. Hier werden mit bis zu Tempo 70 die höchsten Geschwindigkeiten auf der Strecke erreicht.
Sägespänerunden
Den Namen erhielt der Streckenabschnitt, weil man einst beim ersten Schnee, um die Ski nicht zu zerkratzen, zugleich Sägespäne auf der Rollerbahn verstreute. Wenn sie angefroren sind, kann man auf ihnen richtig gut rutschen. Es handelt sich um einen recht flachen Abschnitt.
Henkel-Schleife
In Würdigung von Olympiasiegerin Andrea Henkel so benannt, baute man einst diesen Abschnitt ins Streckennetz mit ein, wo noch mal ein kurzer Anstieg wartet.
Zielgerade im Stadion
Während zum Beispiel in Ruhpolding nur kurz nach der letzten Richtungsänderung schon der Schießstand wartet, hat man in Oberhof auf der sehr langen Geraden genügend Zeit, um mich auf das Schießen zu einzustellen. Da bleiben bestimmt anderthalb Minuten, bis man den Schießstand erreicht hat. Aber meist bereitet der Gegenwind den Athletinnen und Athleten hier gehörig Probleme. Auf der letzten Runde des Rennens läuft man an dieser Stelle zum Ziel. Da bleibt keine Zeit zum Taktieren, sondern über die Medaillen und Platzierungen entscheidet allein, wie viel Kraftreserven vorhanden sind.
Strafrunde
Hier läuft natürlich niemand gerne. Aber auch an dieser Stelle ist vieles Kopfsache. Entweder man ärgert sich und grübelt darüber, was man falsch gemacht hat. Oder man hakt alles schnell ab und betrachtet die zusätzlichen Meter als Teil des Rennens. Aber Vorsicht: Ich habe es schon erlebt, dass sich Athleten mit mehreren Schießfehlern bei den Strafrunden verzählt haben.