Thüringische Landeszeitung (Jena)
Auf der Strecke geblieben
Warum eine siebenköpfige Familie in einer 68-Quadratmeter-Wohnung hausen muss
An den Wänden in der kleinen Essecke hängen Regale, in den Fächern Windeln, Medikamente, Babynahrung. Haushaltsgeräte sind so gut es geht an einer anderen Stelle verstaut, vor dem Fernseher auf dem Boden ausgerollt liegt ein Spielzeugteppich. Obwohl Sandy und Timo Ackermann alle Kreativität und Einfallsreichtum walten ließen: So richtig Platz ist in der 68 Quadratmeter großen Wohnung nicht, in der die siebenköpfige Familie in Eisenberg wohnt. Hinzu kommt, dass Timo Ackermann seit 2019 unter CIPD – einer autoimmunologische Erkrankung des Nervensystems – leidet und seitdem großteils auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Auch Sandy Ackermann, die einst die Position einer stellvertretenden Pflegedienstleiterin innehatte, ist schwerbehindert und bezieht inzwischen Rente. Die Söhne Elias, Jonas und Niclas leiden ebenfalls unter Beeinträchtigungen und haben Schwerbehindertenausweise. „Schon aus diesem Grund hätten wir Anspruch auf mehr Wohnraum“, sagt Timo Ackermann.
„Insbesondere das Sozialamt und das Jugendamt, aber auch weitere Ämter sowie die kommunale Behindertenbeauftragte des Landkreises engagieren sich hier intensiv. Die Familie hat jegliche Unterstützung erhalten, auf die sie gesetzlichen Anspruch hat.“Stellungnahme des Landratsamts zum Fall der Familie Ackermann
Viele Hilferufe, aber keine Lösung in Sicht
Doch mehr Wohnraum ist nicht in Sicht, obwohl sich die Familie hilfesuchend an alle möglichen Stellen wandte: An die Stadt Eisenberg, die kommunale Wohnungsgesellschaft (EWG), die kommunale Behindertenbeauftragte des Saale-HolzlandKreises und den Thüringer Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung. Getan hat sich allerdings wenig - was das Thema Wohnraum angeht.
Eisenbergs Bürgermeister Michael Kieslich (CDU) ist bestens mit dem Fall vertraut. „Wir haben Gespräche mit der Familie geführt und nach Lösungen gesucht“, sagt er. Schnell habe man eine Brücke zur Wohnungsgesellschaft gebaut, Ende 2020 habe man der Familie den Umzug von der Bahnhofstraße in die Saasaer Straße in eine Übergangswohnung ermöglicht.
Timo Ackermann kann dies bestätigen. „Wir sind sehr dankbar, dass wir aus der größeren, sehr baufälligen und schlecht beheizten Wohnung in der Bahnhofstraße gekommen sind und die Wohnungsbaugesellschaft die Kosten für den Umzug übernommen hat.“Allerdings, sagt Ackermann, habe dies die grundsätzlichen Probleme nicht lösen können, in Aussicht gestellte
Lösungen seien wie Seifenblasen zerplatzt.
„Barrierefreiheit ist mit nicht tragbaren Kosten verbunden“
So schwebte der Wohnungsgesellschaft vor, das Objekt in der Bahnhofstraße grundlegend zu sanieren und eine behindertengerechte Wohnung für Ackermanns einzurichten. „Bei einer Bestandsaufnahme des Gebäudes mussten wir allerdings feststellen, dass die Bausubstanz so marode war, dass nur ein Abriss in Frage kommt“, sagt EWG-Geschäftsführer
Uwe Hofmann. Deshalb sei der Plan geboren worden, mit der Sanierung der Wohnblöcke in der Saasaer Straße 19 eine behindertengerechte Wohnungseinheit zu schaffen.
„Wir hatten mit der Behindertenbeauftragten, Frau Doreen Finn, einen Vorort-Termin mit der Schlussfolgerung, dass die Schaffung eines bedarfsgerechten Wohnraumes dort nicht möglich ist.“So sei darauf verwiesen worden, dass eine absolute Barrierefreiheit auch in der Wohnung gewährleistet werden müsse. „Das ist hier in der Tat nicht möglich, beziehungsweise mit nicht tragbaren Kosten verbunden.“
Sicherlich, sagt der Bürgermeister, als Kommune unternehme man alles, um auch schwierige Fälle wie den der Familie Ackermann zu lösen. „Wir können aber nicht einfach Mal so einen sechsstelligen Betrag in die Hand nehmen. Ein Wohnungsunternehmen muss ab einem gewissen Punkt auch die Wirtschaftlichkeit im Blick behalten.“
So sieht es auch EWG-Geschäftsführer Hofmann. Eine für Familie Ackermann ausreichende und bedarfsgerechte Wohnung, das gebe der vorhandene Wohnungsbestand nicht her. Auf Zuschüsse des Landes oder des Kreises könne man auch nicht bauen. Allein um einen Aufzug zu installieren, müsse man mit Kosten von 50.000 Euro rechnen.
Zu krank, um selbst auf Wohnungssuche zu gehen
Beim Landratsamt hält man sich bedeckt. Auf schriftliche Anfrage teilt man mit, dass die Familie seit Jahren und in vielfältiger Form Unterstützung vom Saale-Holzland-Kreis erhalte. „Insbesondere das Sozialamt und das Jugendamt, aber auch weitere Ämter sowie die kommunale Behindertenbeauftragte des Landkreises engagieren sich hier intensiv. Die Familie hat jegliche Unterstützung erhalten, auf die sie gesetzlichen Anspruch hat.“
Im Januar dieses Jahres teilte die Behindertenbeauftragte Timo Ackermann mit, er möge doch selbst Initiative ergreifen und sich auf dem privaten Wohnungsmarkt umschauen. Man würde die Familie auch gern mit Beratung zur Barrierefreiheit sowie möglichen Förderungen unterstützen.
Timo Ackermann kann da nur mit den Schultern zucken. „Wie soll ich das mit meiner Behinderung hinbekommen?“, fragt er. Man müsse sich auch intensiv um die Kinder kümmern, Milas Leon sei erst im November 2022 geboren.
Einen Umzug nach Gera, wo es größeren Wohnraum gibt, schließt die Familie wegen der Kinder aus. So seien drei Kinder, die das Förderzentrum Hainspitz besuchen, dort nach vielen Problemen endlich angekommen. „Das Wohl der Kinder muss hier Vorrang haben.“