Thüringische Landeszeitung (Jena)
Granit aus China in der Oberaue eingetroffen
Nachgehakt: Warum bei einem Klimaschutzprojekt das Baumaterial mit der weitesten Anreise zum Einsatz kommt
Die Spur der Steine führt an der neuen Stadioneinfahrt nach China. Die neben der Baustelle abgestellten Paletten tragen die zwar kleine, aber doch lesbare Herkunftskennung „CN“. „Wie kann das sein?“, wollte eine Leserin wissen.
Für die als Stadionzufahrt mitgenutzte Radweg-Trasse fließen schließlich 1,7 Millionen Euro aus dem Sonderprogramm des Bundes „Stadt und Land“nach Jena, dessen Hauptziel Klimaschutz ist. In diesem Fall gibt es das Geld, weil der Weg nicht nur die Stadionzufahrt für den Kfz-Verkehr ist, sondern zugleich Teilstück von Jenas wichtigstem Radweg nach Lobeda. Der lange Transportweg, den der Granit von Asien bis nach Jena zurücklegt, widerspreche aber dem Ziel Klimaschutz, sagte die Leserin. Von Nachhaltigkeit und Umweltschutz könne nicht die Rede sein.
Rathaussprecher Kristian Philler leitete die Anfrage an den Kommunalservice
(KSJ) weiter, von wo folgende Stellungnahme kam. Grund für den China-Import sei das Vergaberecht.
Der wirtschaftlichste Anbieter
„Den Zuschlag für die Beschaffung und Bestellung der Granitborde erhält ausschließlich das wirtschaftlichste Angebot.“Der KSJ sei angehalten, produktneutral auszuschreiben. Das heißt, dass Spezifikationen wie zum Beispiel „Europäische Steinbrüche sind zu bevorzugen“nicht in die Ausschreibung einfließen dürfen. Damit werde der Preis im Sinne des Steuerzahlers zum bestimmenden Entscheidungskriterium. „Dadurch ist es tatsächlich so, dass die Materialanbieter des einheimischen und europäischen Marktes sehr oft den Angeboten aus Übersee unterliegen.“
Hätte nicht auch Beton gereicht?
Beim Radweg in der Oberaue steht überdies die Frage im Raum, muss das wirklich sein? Sparsamer Mitteleinsatz ist Grundsatz bei Förderoberstes
projekten. Links und rechts der Ausbaustrecke geht es derzeit auch ohne Bordsteine. Dort sind Radfahrer, anders als auf dem jetzt ausgebauten Wegeabschnitt, dann wieder unter sich.
„Die Errichtung von Borden im
Bereich Hauptzufahrt wurde zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Abgrenzung der Fahrbahn vorgesehen“, heißt es vom KSJ. Eine Trennung von fußläufigem und motorisiertem Individualverkehr sei vorgesehen. Sicherheit sei
Gebot. Und ferner wird zu dem Umbau gesagt: „Durch das neue Stadion ist auch eine Erhöhung des Pkw-Verkehrs bei Spielen und Veranstaltungen zu rechnen.“Ein Überfahren der Gehwegbereiche durch Kraftfahrzeuge in den Eckausrundungen solle weitestgehend vermieden werden.
Auch die Barrierefreiheit sei ein wichtiger Aspekt für die Wahl der Bordanlagen. So könnten Menschen mit Behinderungen von den Straßenbahnhaltestellen bis zu den Querungsstellen und über die Hauptzufahrt sowie über die Radweghauptverbindung in Richtung Stadion sicher geführt werden.
Granit soll robuster sein
Bleibt die Frage des Preises, denn die Straßenbauer hätte auch billigere Betonborde nehmen können, wie sie in vielen Jenaer Wohngebieten zu finden sind. Hierzu der KSJ: Der Einsatz von Granitborden ist nachhaltig, weil sie wesentlich beschädigungsresistenter sind als Betonborde.