Thüringische Landeszeitung (Jena)
Hälfte verlorener Stücke entstammt dem Nahverkehr
Jenaer Fundbüro zieht Bilanz. Gute Quote: 35 Prozent zurück an die Besitzer. Immer mehr technische Geräte im Bestand
Das Wichtigste, was die Suchenden im Fundbüro nach Kontaktaufnahme haben müssen? Sandra Kämpfer sagt es mit Ausrufezeichen: Geduld! Die ausgebildete Betriebswirtin leitet seit Mai im Haus Löbdergraben 12 das derzeit fünfköpfige Fundbüro-Team des Bürgerservice. Und die Bitte um Geduld hat nach ihrer Beschreibung nicht zuletzt mit dem Jenaer Nahverkehr zu tun. Über 50 Prozent aller im Jenaer Fundbüro verbuchten Gegenstände würden dem Verkehrsbetrieb entstammen, der dienstags und donnerstags die Fundsachen anliefere. „Es vergehen ein paar Tage, bis das alles bei uns ist“; kurzzeitig würden – logisch – jene Gegenstände zunächst beim Jenaer Nahverkehr gesammelt.
Oder als wohltätige Spende
In der Summe verwaltet Sandra Kämpfers Team aktuell etwa 3500 Fundstücke im Büro und im hergerichteten Kellerraum des Hauses. Etwa 35 Prozent der Fundsachen, die in jedem Fall digital erfasst seien, würden von den Besitzern wiedergefunden.
Sandra Kämpfer stellt nicht ohne Stolz fest: „Alles ab 30 Prozent ist schon schön.“Was nach sechs Monaten nicht an Besitzerinnen und Besitzer zurückgeht und vom Zustand her akzeptabel ist,
werde als wohltätige Spende über den Fachdienst Soziales der Stadtverwaltung an Bedürftige verteilt. Wie Sandra Kämpfer erläuterte, ist eine Fundsachen-Weitergabe lupenrein innerhalb einer Sechs-MonateFrist
nicht möglich. Es würden gemeinhin ein, zwei Wochen abgewartet, um die Terminketten zu glätten und Sachen en bloc weitergeben zu können. „Das haben wir inzwischen sehr gut organisiert.“
Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist es für Sandra Kämpfer in ihrem neuen Tätigkeitsfeld, dass es saisonbedingt Fundstück-Trends gibt. Habe es viel geregnet, kämen viele Regenschirme im Fundbüro an. Oder dieses Sommersyndrom: Die Jacke für die frischeren Stunden am Morgen wird gern liegengelassen, wenn’s wärmer wird. Einen immer größeren Part unter den Fundsachen nähmen technische Geräte ein, sagte Sandra Kämpfer. „Das merkt man immens.“Dabei möge man zum Beispiel an „In Ear“-Kopfhörer denken: „Es wird ja alles immer kleiner; dann kann man es auch leichter verlieren.“Ähnliches lasse sich sagen von Hörgeräten für Menschen, die die Welt akustisch nicht mehr so gut wahrnehmen. „Die Geräte sind so klein, dass sie nur schwer gefunden werden. Da freuen sich die Betroffenen besonders über das Auffinden. Die Teile sind ja auch sehr wertvoll.“
Klassischer Turnbeutelvergesser
Gleichwohl bleiben die Fundartikel-Arten „wahnsinnig vielfältig“. Als Besonderheit hat Sandra Kämpfer zum Beispiel ein Gebiss eingeliefert bekommen. Oder: Gehhilfen, was doch die Frage suggeriert habe, ob es schon wieder besser ging? Ja, auch Koffer gehören zum Arsenal am Löbdergraben 12. Mitunter gelte es dann, die Polizei zu informieren oder die Rettungsleitstelle einzubeziehen wegen möglicher gefährlicher Inhalte. „Drogen, Waffen – so etwas kam schon vor.“Ebenso muss Sandra Kämpfer an den Klassiker des vergessenen Sportbeutels denken. „Dazu haben wir Dauergäste.“– Oder an den alten Herrn, der sein Tagebuch samt Geschichten aus der Jugend verloren hatte. „Es wäre schlimm gewesen für ihn, hätte sich das nicht wieder angefunden.“Der Herr habe häufig nachgefragt, ehe es tatsächlich ein Happy End gab.
Wenn der Bürgerservice 2024 mit der Abbebücherei im Engelplatz-Neubau gestartet ist, wird das Fundbüro erweiterte Öffnungszeiten bieten. Aktuelle Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9 bis 11 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 16 bis 18 und 13 bis 15 Uhr. Telefon 03641 / 49 2523. Online-Fundregister: service.jena.de/fundbuero-online