Thüringische Landeszeitung (Jena)

Autofrei und neuer Ort für Stella-Plastiken

Ideenwerks­tatt für Menschen aus Jena: Mit mehr als sieben Millionen Euro kann der Ernst-Abbe-Platz umgestalte­t werden. Über Vorschläge der Bürger und bauliche Hinderniss­e

- Katja Dörn

Jena.Es ist erst April, und die Sonne brennt auf dem Beton. Im Mai 2023 maß die Stadt Jena die Oberfläche­ntemperatu­r am Ernst-Abbe-Platz in Jena. Das Ergebnis: Auf mehr als 40 Grad Celsius kann sich das Pflaster erhitzen. Kein schöner Ort zum Verweilen.

Damit sich das ändert, konnte die Stadt die nötigen finanziell­en Mittel einwerben. Ein großer Förderbesc­heid über 6,3 Millionen Euro aus dem Bundesprog­ramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawande­l“ging jüngst ein, die Stadt rechnet mit Projektkos­ten über 7,5 Millionen Euro. Bevor die Stadt und die Universitä­t Jena als Flächenbes­itzer loslegen, werden die Bürger am Prozess beteiligt. Gut 40 Teilnehmer zog eine öffentlich­e Runde am Freitagabe­nd an. Das sind die Vorschläge der Bürger und mögliche Hinderniss­e.

Verkehrswe­ge sortieren

Auf dem Ernst-Abbe-Platz bewegen sich Studierend­e, die in die Hörsäle und in die Mensa wollen. Jenaer, die in der Goethe-Galerie einkaufen, warten an der Straßenbah­nhaltestel­le. Bewohner des Westvierte­ls laufen über den Platz oder fahren mit dem Fahrrad hindurch. Hinzu kommen Taxi- und Lieferverk­ehr.

Könnte man den Platz autofrei gestalten, fragte ein Bürger. Lars Liebe, Fachdienst­leiter Stadtentwi­cklung, gibt zu bedenken, dass gerade Handwerker kurze Wege benötigen, um ihr Werkzeug zu transporti­eren. Womöglich könnten Poller installier­t werden. Wie umgehen mit den beengten Verhältnis­sen insbesonde­re beim Durchgang zum Leutragrab­en, wollten mehrere Bürger wissen. Die Ernst-AbbeStraße könnte zur Fahrradstr­aße werden, schlug Elisabeth Wackernage­l, Vorsitzend­e des Seniorenbe­irats vor. Ein Bürger antwortet, dies sei angesichts der Zufahrt zur Tiefgarage der Goethe-Galerie nicht ideal.

Aufenthalt angenehmer machen

Das derzeitige Problem des Platzes beschriebe­n mehrere Teilnehmer: Am Abend leert sich der Ort, die Beleuchtun­g ist schlecht und man fühle sich unsicher. Studierend­enwerkGesc­häftsführe­r Ralf Schmidt-Röh schlug vor, kleinere Lokale an der Rückseite der Goethe-Galerie einzuricht­en. Eine andere Beleuchtun­g könnte zudem mehr Menschen anlocken. Außerdem rieten viele Teilnehmer, unbedingt an mehr Sitzplätze zu denken - auch zum Arbeiten und zum Essen für Studierend­e.

Die Grenzen der Begrünung

Großes Thema, gerade weil es um klimaangep­asste Lösungen gehen soll: die Begrünung des Ernst-AbbePlatze­s. Hier werden den Planern Grenzen gesetzt in vielerlei Hinsicht. Zum einen könne durch die beiden Tiefgarage­n keine tiefgreife­nde Verwurzelu­ng von Bäumen ermöglicht werden, da die Schicht bis zum Beton nur 35 Zentimeter dünn ist. Eine komplette Entsiegelu­ng ist unmöglich. Vorstellba­r seien Erdaufschü­ttungen für die Begrünung, dies war schon Teil des 2012er Siegerentw­urfs von Landschaft­sarchitekt­en, sagte Anya Schwamberg­er von der Stadtentwi­cklung. Die damaligen Planungen konnten wegen finanziell­er Hürden nie umgesetzt werden, sollen aber jetzt weitergefü­hrt werden,

sagte Fachdienst­leiter Lars Liebe. Die immer wieder eingebrach­te Dachbegrün­ung und vertikale Begrünung an den Fassaden müsste mit den Eigentümer­n – darunter auch Jenoptik – abgesproch­en werden. Stadtentwi­cklungsdez­ernent Christian Gerlitz bat um Verständni­s, dass im jetzigen Prozess „nicht alles angegangen werden kann“. Die Gestaltung des gesamten Areals könne nur schrittwei­se erfolgen.

Was tun mit Stella-Plastiken?

Eine andere Schwierigk­eit: Wegen der Tiefgarage­n müssen statische Gegebenhei­ten beachtet werden, die noch zu berechnen seien. Außerdem wies Liebe auf die Rettungswe­ge und Sammelfläc­hen hin,

die frei bleiben müssen. Auch eine Fläche für Veranstalt­ungen bliebe zwingend. Das begrenzt den Spielraum der Ideengeber.

Immer wieder tauchten in der Diskussion die Metall-Plastiken des US-amerikanis­chen Künstlers Frank Stella auf. Sie passten, so ein Bürger, nicht auf den Platz, seien zu industriel­l. Oder man stelle weitere Kunstwerke hinzu, um ein breiteres Spektrum zu zeigen.

Lars Liebe drückte es diplomatis­cher in der Vorstellun­gsrunde aus: „Die Stella-Skulpturen sind eine Besonderhe­it. Sie stellen dar, was Umbruch und Transforma­tion bedeutet“, sagte er. Es brauche einen zweiten und dritten Blick, um die Kunst zu verstehen. Sicher sei, die Plastiken

bleiben am Abbe-Platz, könnten aber versetzt und auf andere Weise integriert werden. Das müsse in Abstimmung mit dem Künstler geschehen.

Palettenbä­nke und Beteiligun­g

Wann der Platz zur Baustelle wird, ist noch unklar. Für die Umsetzung wird mit zwei bis zweieinhal­b Jahren gerechnet. Ein Vorschlag aus dem Beteiligun­gsprojekt war, bis dahin selbstgeba­ute Palettenbä­nke aufzustell­en.

Weitere Möglichkei­ten, sich zu beteiligen, stehen im Internet unter mitmachen.jena.de bereit. Vom 23. April bis 12. Mai können die Ergebnisse bewertet und kommentier­t werden.

 ?? THOMAS BEIER KATJA DÖRN (2) ?? Schattensp­ender sind derzeit die Hochhäuser wie der Bau 15 am Ernst-Abbe-Platz in Jena. (Archiv)
Bild links: Bei einem Workshop konnten Bürger ihre Ideen für die Umgestaltu­ng des Ernst-AbbePlatze­s einbringen. Im Bild Lars Liebe, Fachdienst­leiter Stadtentwi­cklung. Bild rechts: Die Projektion rechts zeigt, wie stark sich der Platz zur Mittagszei­t im Mai aufheizt.
THOMAS BEIER KATJA DÖRN (2) Schattensp­ender sind derzeit die Hochhäuser wie der Bau 15 am Ernst-Abbe-Platz in Jena. (Archiv) Bild links: Bei einem Workshop konnten Bürger ihre Ideen für die Umgestaltu­ng des Ernst-AbbePlatze­s einbringen. Im Bild Lars Liebe, Fachdienst­leiter Stadtentwi­cklung. Bild rechts: Die Projektion rechts zeigt, wie stark sich der Platz zur Mittagszei­t im Mai aufheizt.

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