Thüringische Landeszeitung (Jena)
Roter Teppich ist ausgerollt
Zum Hochschulinformationstag wirbt die Ernst-Abbe-Hochschule Jena für Angebote. Ausländische Studierende berichten von Schwierigkeiten
Jena. Ernst Abbe zieht den Hut vor dem Nachwuchs, drinnen werden Sekt und Orangensaft gereicht. Die Jenaer Ernst-Abbe-Hochschule versuchte zum Hochschulinformationstag die Gäste besonders zu empfangen. Da staunte so mancher – denn nicht jeder Zugereiste kann mit Ernst Abbe, hinter dem sich Schauspieler Paul Wellenhof verbarg, etwas anfangen. Zeiss ist bekannt, aber Abbe?
Nachhilfe nicht nur in Sachen bedeutender Jenaer Physiker, Erfinder und Unternehmer, sondern besonders Hilfe bei der Studienwahl sollte der Sonnabend bieten. 1000 Gäste zog es nach Hochschulangaben auf den Campus. Experimentierstände, Führungen, Vorlesungen und Einblicke in die Labore wurden angeboten. Wichtig sei vor allem der persönliche Austausch. Der gefragteste Studiengang ist Soziale Arbeit. Die Gesundheitsstudiengängen – darunter beispielsweise die Hebammenwissenschaft – wurden in den vergangenen Jahren aufgebaut.
Studienanfänger in Jena: Zahlen bleiben konstant
Deutschlandweit kämpfen Hochschulen um Nachwuchs, auch weil die Zahl der potenziellen Erstsemester durch die geburtenschwachen Jahrgänge sinkt. Die Ernst-Abbe-Hochschule zählt rund 4000 Studierende. Die Zahl der Studienanfänger konnte zuletzt gehalten werden, worauf man stolz sei, sagt Hochschulsprecherin Christina Nolte. Zurückhaltendes Interesse gebe es allerdings an den technischingenieurwissenschaftlichen Studiengängen. Lasertechnik-Professorin Maria Dienerowitz kämpft dagegen an und versucht enthusiastisch, ihr Gegenüber für technische Studiengänge zu begeistern. Sie hält ihr Mobiltelefon hoch: „Wenn wir weiter so etwas haben wollen, brauchen wir Leute“, sagt sie.
Mit anwendungsbezogenen Beispielen will sie Interessierte für die Lasertechnik gewinnen. Sie unterstütze die Entwicklung der Lernwerkstatt im neuen Deutschen Optischen Museum, um junge Menschen später für Technik zu begeistern. Bei jeglichen Programmen, die es gebe, werbe man um den Nachwuchs – aber das Problem sei: „Das ist alles nicht mehr so cool“, sagt die Professorin. Mathe als schwierig zu bezeichnen, habe sich gesellschaftlich verankert.
Einkommensaussichten nach Studium? Top!
Sie lässt Interessierte auch mal wissen, was es für den Geldbeutel bedeute, wenn man ein technisches Studium wählt: „Die Gehalts- und Berufschancen sind top.“Und Jena biete beispielsweise bei seinen kleinen Seminargruppen in Feinwerktechnik deutlich bessere Bedingungen als die Maschinenbauer in Dresden.
Ab dem Wintersemester 2024/25 will die Hochschule ein neues Angebot einen Anreiz bieten: Das Orientierungsjahr Ingenieurwissenschaften
soll technikbegeisterten und noch unentschlossene junge Menschen ansprechen, um einen passenden Studiengang zu finden.
Internationalität sei ein wichtiger Grundsatz, zumal deutsche Studierende und Lehrende auch ins Ausland entsendet werden, sagt Hochschulsprecherin Nolte. 19 Prozent der Studierenden kommen aus anderen Ländern nach Jena. Der Master Scientific Instrumentation wird rein in Englisch unterrichtet. Shima Adbe ist seit Herbst 2023 eingeschrieben. Trotzdem steht die Iranerin vor sprachlichen Schwierigkeiten,
auch in Seminaren mit deutschen Dozenten, sagt sie.
Praktikum bei Zeiss scheitert an Deutschkenntnissen
Ein weiteres Problem sei für sie die Suche nach einem Praktikumsplatz, selbst Unternehmen wie Zeiss und Jenoptik fordern Deutschkenntnisse, die über ihre bisherigen A2-Kenntnisse hinausgehen. „Ich dachte, bei solchen internationalen Firmen ist es anders“, sagt sie. Ein indischer Kommilitone stimmt dem zu. Er lernt ebenfalls Deutsch, dachte aber auch, „meine fachlichen Fähigkeiten reichen aus“, sagt er. Mehr Kontakte mit Deutschen würden helfen, sagt Shima Adbe, aber solche zu knüpfen, sei schwierig.
Um internationale Studierende besser auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten, arbeiten die Abbe-Hochschule und die Universität Jena seit Kurzem zusammen in einem Projekt. Seit einigen Jahren werde verstärkt versucht, Studierende „hier zu behalten“, sagt Danny von Nordheim, Leiter des International Office.
Jena jedenfalls ist immer diverser geworden. „Internationale Studierende prägen das Stadtbild. Es hat sich sehr zum Positiven verändern“, sagt er. Die Jenaer würden ihnen freundlich begegnen, sagen die befragten ausländischen Studierenden. Auch die Hochschule spürt trotz der politischen Stimmung im Land mit den Umfragehochs für die AfD „keine Zurückhaltung ausländischer Studierender“. Die EAH engagiert sich in der Initiative „Weltoffenes Thüringen“.