Thüringische Landeszeitung (Jena)
Eichplatz kommt, wenn Zinsen fallen
Im Vertrag für das Jenaer Mega-Bauprojekt hat der Investor eine wichtige Ausstiegsklausel
Der finale Eichplatzbeschluss wird zur Wette auf steigende oder fallende Zinsen. Denn der zu beschließende Durchführungsvertrag besitzt am Ende eine Klausel, die es dem Eichplatz-Investor ermöglicht, aus dem Durchführungsvertrag mit seinen vielen und auch teuren Bauverpflichtungen wieder auszusteigen. Genannt wird im Vertrag der sogenannte 3-Monats-Euribor als Referenzzinssatz. Das sind die Zinsen, zu denen sich Banken untereinander Geld leihen. Der Vertrag soll kurz vor den Wahlen vom Stadtrat bestätigt werden.
Jenaer Banker halten das Zinsziel 1,5 Prozent für ambitioniert
Müssen sich jetzt ehrenamtliche Stadträte noch zu kleinen Kostolanys und mithin Börsengurus weiterbilden? Könnte sein, denn die Prognosen auf den weiteren Verlauf der Kapitalmarktzinsen sind schwierig, wie eine Zeitungsnachfrage bei örtlichen Banken ergab. Auf die Pressekonferenzen der Europäischen Zentralbank verweisen die Befragten: Zuletzt hatte Präsidentin Christine Lagarde angekündigt, im Juni über eine Lockerung der europäischen Geldpolitik zu diskutieren. Kurzfristig kommen die Zinsen wohl kaum ins Rutschen, so Jenaer Banker, weil Europa auch auf die Zinsen in den USA schaut, und da brummt die Wirtschaft gerade. Seit einem halben Jahr steht der 3-Monats-Euribor wie festgenagelt bei 3,9 Prozent. Der Zinssatz war auch schon mal höher als heute.
Im Eichplatzvertrag gehen Stadt Jena und Investor Strabag davon aus, dass der 3-Monats-Euriobor spätestens bis 2027 auf 1,5 Prozent oder darunter fallen wird. Passiert dies nicht für mindestens vier fortlaufende Monate, sei ein Festhalten am Vertrag „nicht zumutbar.“
Eine Nachfrage der Redaktion zur Zinsproblematik beantwortete die Stadtverwaltung am Mittwoch mit einer Pressemitteilung: „Wenn der Stadtratsbeschluss kommt, übernehmen wir selbstverständlich weiterhin unseren Teil der Verantwortung für das Bauvorhaben. Es würde uns freuen, wenn wir dieses ganz besondere Projekt im Herzen von Jena umsetzen können“, teilte
Marc Schreiber, Bereichsleiter der Strabag Real Estate, am Mittwoch mit. Wann genau der Baubeginn erfolgt, stehe noch nicht fest. Er hänge von Faktoren ab wie der Entwicklung des derzeitig hohen Zinsniveaus und der Bau- und Materialkosten. Entsprechend sei der richtige Zeitpunkt für den Baubeginn wichtig, damit die Baukosten im Rahmen bleiben. Eine nennenswerte Zinsveränderung werde voraussichtlich im kommenden Jahr erwartet.
Spätestens in elf Jahren sollen alle Hochhäuser bezugsfertig sein
Früher war von einer Fertigstellung im Jahre 2026 die Rede. Vor dem Hintergrund zahlreicher Risiken haben Stadt und Investor im Durchführungsvertrag folgende Zeiten als Bauverpflichtung festgelegt. Das Dokument ist im Stadtratsnetz einsehbar:
• Spätestens 30 Monate (2,5 Jahre) nach Bekanntgabe des Bebauungsplanes muss die Strabag einen genehmigungsfähigen Bauantrag stellen.
• Sinkt der 3-Monats-Euribor mittelfristig nicht unter 1,5 Prozent, verlängert sich diese Frist um 18 Monate (1,5 Jahre)
• Spätestens neun Monate nach
Vorliegen der Baugenehmigung muss der Bau beginnen, das könnte zunächst auch der Abbruch der Treppenanlage zur Johannisstraße sein.
• Innerhalb von 52 Monaten (4 Jahre, 4 Monate) nach Baubeginn ist das Bauvorhaben abzuschließen.
• Eine der drei Parzellen kann auch um 24 Monate (2 Jahre) zurückgestellt werden.
Das Baufeld A am Eichplatz müsste nach diesen Zeiten spätestens in 133 Monaten (11 Jahre und 1 Monat zuzüglich Baugenehmigungswartezeit) vollständig bezugsreif sein. Allerdings kann die Stadt die Fristen auch mehrfach verlängern.
Den Durchführungsvertrag mit der Strabag hat Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) am 10. April vor dem Jenaer Notar Eckart Maaß für die Stadt Jena unterschrieben, da der Oberbürgermeister an der Vertretung der Stadt gehindert war. Wie allgemein üblich wird der Vertrag erst wirksam, wenn der Stadtrat ihm zustimmt.
Ratsvotum ist „letzte entscheidende Hürde“
Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) spricht in einer Pressemitteilung von einer letzten entscheidenden Hürde und wirbt im Stadtrat um eine positive Entscheidung: „Nach Abschluss eines erfolgreichen Bauantragsverfahrens kann im Anschluss endlich das umgesetzt werden, was Jena gut tun wird: eine kräftige Belebung der Innenstadt, mit neuen Wohnungen und Büros, mit attraktiven Läden, Cafés und Restaurants. Und dazwischen offene und erlebbare Räume, die zum Verweilen einladen.“