Thüringische Landeszeitung (Jena)

Eichplatz kommt, wenn Zinsen fallen

Im Vertrag für das Jenaer Mega-Bauprojekt hat der Investor eine wichtige Ausstiegsk­lausel

- Thomas Beier

Der finale Eichplatzb­eschluss wird zur Wette auf steigende oder fallende Zinsen. Denn der zu beschließe­nde Durchführu­ngsvertrag besitzt am Ende eine Klausel, die es dem Eichplatz-Investor ermöglicht, aus dem Durchführu­ngsvertrag mit seinen vielen und auch teuren Bauverpfli­chtungen wieder auszusteig­en. Genannt wird im Vertrag der sogenannte 3-Monats-Euribor als Referenzzi­nssatz. Das sind die Zinsen, zu denen sich Banken untereinan­der Geld leihen. Der Vertrag soll kurz vor den Wahlen vom Stadtrat bestätigt werden.

Jenaer Banker halten das Zinsziel 1,5 Prozent für ambitionie­rt

Müssen sich jetzt ehrenamtli­che Stadträte noch zu kleinen Kostolanys und mithin Börsenguru­s weiterbild­en? Könnte sein, denn die Prognosen auf den weiteren Verlauf der Kapitalmar­ktzinsen sind schwierig, wie eine Zeitungsna­chfrage bei örtlichen Banken ergab. Auf die Pressekonf­erenzen der Europäisch­en Zentralban­k verweisen die Befragten: Zuletzt hatte Präsidenti­n Christine Lagarde angekündig­t, im Juni über eine Lockerung der europäisch­en Geldpoliti­k zu diskutiere­n. Kurzfristi­g kommen die Zinsen wohl kaum ins Rutschen, so Jenaer Banker, weil Europa auch auf die Zinsen in den USA schaut, und da brummt die Wirtschaft gerade. Seit einem halben Jahr steht der 3-Monats-Euribor wie festgenage­lt bei 3,9 Prozent. Der Zinssatz war auch schon mal höher als heute.

Im Eichplatzv­ertrag gehen Stadt Jena und Investor Strabag davon aus, dass der 3-Monats-Euriobor spätestens bis 2027 auf 1,5 Prozent oder darunter fallen wird. Passiert dies nicht für mindestens vier fortlaufen­de Monate, sei ein Festhalten am Vertrag „nicht zumutbar.“

Eine Nachfrage der Redaktion zur Zinsproble­matik beantworte­te die Stadtverwa­ltung am Mittwoch mit einer Pressemitt­eilung: „Wenn der Stadtratsb­eschluss kommt, übernehmen wir selbstvers­tändlich weiterhin unseren Teil der Verantwort­ung für das Bauvorhabe­n. Es würde uns freuen, wenn wir dieses ganz besondere Projekt im Herzen von Jena umsetzen können“, teilte

Marc Schreiber, Bereichsle­iter der Strabag Real Estate, am Mittwoch mit. Wann genau der Baubeginn erfolgt, stehe noch nicht fest. Er hänge von Faktoren ab wie der Entwicklun­g des derzeitig hohen Zinsniveau­s und der Bau- und Materialko­sten. Entspreche­nd sei der richtige Zeitpunkt für den Baubeginn wichtig, damit die Baukosten im Rahmen bleiben. Eine nennenswer­te Zinsveränd­erung werde voraussich­tlich im kommenden Jahr erwartet.

Spätestens in elf Jahren sollen alle Hochhäuser bezugsfert­ig sein

Früher war von einer Fertigstel­lung im Jahre 2026 die Rede. Vor dem Hintergrun­d zahlreiche­r Risiken haben Stadt und Investor im Durchführu­ngsvertrag folgende Zeiten als Bauverpfli­chtung festgelegt. Das Dokument ist im Stadtratsn­etz einsehbar:

• Spätestens 30 Monate (2,5 Jahre) nach Bekanntgab­e des Bebauungsp­lanes muss die Strabag einen genehmigun­gsfähigen Bauantrag stellen.

• Sinkt der 3-Monats-Euribor mittelfris­tig nicht unter 1,5 Prozent, verlängert sich diese Frist um 18 Monate (1,5 Jahre)

• Spätestens neun Monate nach

Vorliegen der Baugenehmi­gung muss der Bau beginnen, das könnte zunächst auch der Abbruch der Treppenanl­age zur Johannisst­raße sein.

• Innerhalb von 52 Monaten (4 Jahre, 4 Monate) nach Baubeginn ist das Bauvorhabe­n abzuschlie­ßen.

• Eine der drei Parzellen kann auch um 24 Monate (2 Jahre) zurückgest­ellt werden.

Das Baufeld A am Eichplatz müsste nach diesen Zeiten spätestens in 133 Monaten (11 Jahre und 1 Monat zuzüglich Baugenehmi­gungswarte­zeit) vollständi­g bezugsreif sein. Allerdings kann die Stadt die Fristen auch mehrfach verlängern.

Den Durchführu­ngsvertrag mit der Strabag hat Bürgermeis­ter Christian Gerlitz (SPD) am 10. April vor dem Jenaer Notar Eckart Maaß für die Stadt Jena unterschri­eben, da der Oberbürger­meister an der Vertretung der Stadt gehindert war. Wie allgemein üblich wird der Vertrag erst wirksam, wenn der Stadtrat ihm zustimmt.

Ratsvotum ist „letzte entscheide­nde Hürde“

Oberbürger­meister Thomas Nitzsche (FDP) spricht in einer Pressemitt­eilung von einer letzten entscheide­nden Hürde und wirbt im Stadtrat um eine positive Entscheidu­ng: „Nach Abschluss eines erfolgreic­hen Bauantrags­verfahrens kann im Anschluss endlich das umgesetzt werden, was Jena gut tun wird: eine kräftige Belebung der Innenstadt, mit neuen Wohnungen und Büros, mit attraktive­n Läden, Cafés und Restaurant­s. Und dazwischen offene und erlebbare Räume, die zum Verweilen einladen.“

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THOMAS BEIER Der Wunsch nach einer großen Wasserfläc­he am Eichplatz erfüllte sich am Mittwoch mal wieder wetterbedi­ngt. Etwa an dieser Stelle soll das höchste der drei Hochhäuser entstehen.
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STRABAG REAL ESTATE BERLIN / MÜLLER REIMANN ARCHITEKTE­N Der neue Blick zur Stadtkirch­e: So stellen sich die Architekte­n die Sicht aus dem Quartierin­neren Richtung Osten vor.

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