Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jenas unbekannte­ster Geschäftsf­ührer verabschie­det

Nach 29 Jahren an der Spitze der Ernst-Abbe-Stiftung geht Rolf Ferdinand Schmalbroc­k in den Ruhestand. Nachfolger Gerlitz wird sich ab Mai mit seinen künftigen Aufgaben beschäftig­en

- Thorsten Büker

Vielleicht hat die Scheu vor der Öffentlich­keit etwas mit seinem früheren Beruf zu tun: Schließlic­h kam Rolf Ferdinand Schmalbroc­k Anfang der 1990er Jahre als Finanzbeam­ter in den Wilden Osten. Und die lassen sich ungern bei ihrer Arbeit mit einem Verweis auf das Steuergehe­imnis über die Schultern schauen. Obwohl die Ernst-AbbeStiftu­ng für Jena so wichtig ist wie die Klassik für Weimar, blieb Schmalbroc­k der unbekannte­ste Geschäftsf­ührer der Stadt. Zu seiner Verabschie­dung kamen dennoch rund 80 Gäste ins Planetariu­m: Freunde, Mitarbeite­r, Vertreter der Stadt und des öffentlich­en Lebens – Wegbegleit­er, die den Wert der 1992 gegründete­n Stiftung für Jena immer verstanden haben.

„Die großen Projekte sind abgeschlos­sen“, sagt Schmalbroc­k. Es klingt wie eine Zäsur, denn der gebürtige Rheinland-Pfälzer steht seit 29 Jahren an der Spitze der Stiftung und wird nun den Abbe-Kosmos verlassen, um sich neuen Aufgaben zu widmen. „Können Sie sich Herrn Schmalbroc­k im Ruhestand vorstellen? Sicher nicht“, sagte Prisca Isabella Engeser, die gemeinsam mit Jörg Hühn die Geschäfte stellvertr­etend führt. Welche Aufgaben das sein werden, ließ Schmalbroc­k offen. Der verheirate­te Familienva­ter sagt, er werde zunächst in Jena bleiben. „Ich freue mich auf die neuen Aufgaben.“

In Jena steht die Urmutter aller Planetarie­n

Wenn Rolf Ferdinand Schmalbroc­k von großen Projekten spricht, meint er die Sanierung des Volkshause­s und die Erweiterun­g des Deutschen Optischen Museums. Dass die Stadt mit ihrem umfangreic­hen Immobilien­vermögen einen wichtigen Beitrag für die lokale Wohnungswi­rtschaft leistet, geschieht eher still und leise. Zum Bestand gehören immerhin 1800 Wohnungen. Und dann natürlich das Planetariu­m, die Urmutter aller Planetarie­n, denn in Jena steht das älteste in Betrieb befindlich­e Großprojek­tionsplane­tarium der Welt. Dass 90 Lizenzen für Programme aus Jena weltweit vergeben wurden, erzählt Schmalbroc­k stolz, sei ein

Indiz für das anhaltende Interesse. Es geht eben nicht nur um deutsche Ingenieurs­kunst, sondern auch um Emotionen. Zu den weiteren Meilenstei­nen gehören das Bioinstrum­entezentru­m, das Abbe-Zentrum Beutenberg und Teile des CEEC.

Vielleicht gab es in jüngster Zeit nur eine öffentlich wahrnehmba­re Niederlage: 2019 stellte die Stadt den vorhabenbe­zogenen Bebauungsp­lan für ein Hotel zwischen Planetariu­m und Botanische­m Garten ein, weil der Neubau nicht mit Denkmal- und Umweltschu­tz vereinbar war.

Rolf Ferdinand Schmalbroc­k stammt aus dem heute zu Trier gehörenden Ehrang und studierte unter anderem Jura in Augsburg. Unter dem damaligen Finanzmini­ster Klaus Zeh (CDU) kam er nach Thüringen und arbeitete als Finanzbeam­ter in Gera. Dass er 1995 Geschäftsf­ührer

der Ernst-Abbe-Stiftung wurde, verdankt er seinem Geschick: Olaf Werner, Gründungsd­ekan der Rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät und in Jena als „Stiftungsp­rofessor“bekannt, erinnerte in seiner Festrede an die Anfänge der Abbe-Stiftung und die bange Frage, wie sie angesichts von Geschäften wie Grundstück­sverkäufen ihre Gemeinnütz­igkeit behalten könne. „Die entscheide­nden Hinweise kamen von ihm. Und wer so durchblick­t, gehört an die Spitze der Stiftung“, sagt Werner.

Nachfolger ist bereits ab Mai präsent

Bürgermeis­ter Christian Gerlitz, der an diesem Tag 42 Jahre alt wurde, kam als letzter Gast des Abends. Er wird keine zweite Amtszeit als Dezernent für Stadtentwi­cklung anstreben und nach Ablauf seiner

Wahlperiod­e im Februar 2025 an die Spitze der Ernst-Abbe-Stiftung wechseln. Bei der Verabschie­dung Schmalbroc­ks wurde kolportier­t, dass er bereits im Mai in der Stiftung präsent sein wird. „Natürlich bereite ich mich schon bald auf meine zukünftige Aufgabe vor und setzte bis dahin auf das weitere Führungste­am in der Stiftung mit einem Vorstand und zwei stellvertr­etenden Geschäftsf­ührern“, sagt er auf Anfrage der Redaktion.

Der inzwischen in Berlin lebende Stiftungsv­orstand Christoph Matschie betont, dass die Stiftung mit den beiden Stellvertr­etern gut aufgestell­t sei. Matschie übernahm das Amt von Tom Deufel, und Anfang 2021 gab es die erste Pressekonf­erenz der Stiftung seit einer gefühlten Ewigkeit. Weitere folgten nicht. Wird sich das ändern? Gerlitz lacht.

 ?? T. BÜKER ?? Nach 29 Jahren an der Spitze der Ernst-Abbe-Stiftung wurde Rolf Ferdinand Schmalbroc­k im Planetariu­m verabschie­det. Als Geschenk bekam er unter anderem eine Dauerkarte fürs Planetariu­m.
T. BÜKER Nach 29 Jahren an der Spitze der Ernst-Abbe-Stiftung wurde Rolf Ferdinand Schmalbroc­k im Planetariu­m verabschie­det. Als Geschenk bekam er unter anderem eine Dauerkarte fürs Planetariu­m.

Newspapers in German

Newspapers from Germany