Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ein Baby, das einfach ins Wasser fiel
Neugeboren: Der kleine Alexander freut sich über seine Schwester Amelie. Mama Manuela brachte sie ganz allein in ihrer Badewanne zur Welt
Jena. Es sei noch Zeit, vermutlich komme das Baby mit einer Woche Verspätung, so wie es bereits beim ersten Kind gewesen sei, hieß am Morgen des 18. April von der Hebamme. Die 32-jährige Jenaerin Manuela Wiedmann schlenderte also von ihrem regulären HebammenTermin entspannt heimwärts und holte ihren zweijährigen Sohn Alexander aus dem Kindergarten ab.
Zur Entspannung in die Badewanne
Am Abend, gegen 18 Uhr, allerdings kündigten sich Wehen an. Manuela Wiedmann blieb entspannt. „Ich habe die Brotdose für den Großen fertig gemacht und am Abend etwas ferngesehen.“Vorsichtshalber gab sie aber auch einer Freundin Bescheid, die im Fall der Fälle auf Alexander aufpassen sollte, wenn sie und ihr Partner ins Klinikum müssen. Doch zunächst blieb alles ruhig. Später, Manuela Wiedmann war bereits zu Bett gegangen, wurden die Wehen intensiver. „Ich entschied mich, in die Badewanne zu gehen und zur Entspannung warmes Wasser über den Bauch laufen zu lassen.“Die Jenaerin folgte ganz ihren Bedürfnissen, sie spürte, was in diesem Moment guttun würde.
Der Papa wollte nur kurz das Auto holen
Ihr Partner Oliver (33) habe derweil im Kreißsaal angerufen. Dann sei Oliver losgegangen, um das Auto zu holen, welches etwa zehn Minuten entfernt von der Wohnung geparkt war. Den kleinen Alexander nahm Oliver mit, um ihn bereits im Autositz anzuschnallen und später seine
Partnerin zügig holen zu können.
Manuela Wiedmann blieb allein in der Wanne zurück. „Die Wehen wurden immer stärker, und ich spürte, dass sich etwas veränderte. Dann war auch schon Amelies Köpfchen da. Ich habe schnell noch den Stöpsel in die Wanne gesteckt, damit das Baby im warmen Wasser landet.“Und dann schwamm Amelie mit dem Gesicht nach unten in der Wanne. „Ich nahm sie aus dem Wasser und sprach sie an.“Aber zunächst habe Amelie nicht reagiert. „Oh Gott, dachte ich ganz kurz, vielleicht stimmt was nicht. Aber dann kam so ein kleiner Quark.“Manuela Wiedmann war erleichtert.
Auf einmal hieß es: „Das Baby ist da“
Glücklicherweise habe Oliver ihr das Handy an den Badewannenrand gelegt. Sie rief ihren Partner an, der noch am Auto war und sagte: „Das Baby ist da“. So konnte sie auch den ungefähren Geburtszeitpunkt
nachvollziehen: Beim Anruf war es 0.46 Uhr. „Sie kam genau am errechneten Termin zur Welt.“Oliver verständigte das Krankenhaus, und ein Krankenwagen wurde geschickt. Als Oliver und der kleine Alexander zurück nach Hause ins Badezimmer kamen, wurden sie von den Sanitätern begleitet, die schnell vor Ort waren.
Der Papa durfte noch die Nabelschnur durchtrennen. Brüderchen Alexander freute sich über seine kleine Schwester. „Er sagte ‚Baby
Wasser fallt‘“, erinnert sich Manuela Wiedmann. Angst oder Sorge habe sie während der gesamten Geburt nicht gehabt. „Ich hatte einfach das Vertrauen, dass alles gut wird.“So war es auch. Im Klinikum wurden die Geburtsverletzungen versorgt und die kleine Amelie genaustens untersucht: Mit 53 Zentimetern und 4050 Gramm ist sie gesund und munter.
Eigentlich war eine Geburt im Krankenhaus geplant
Drei Tage blieben Mama und Tochter noch im Universitätsklinikum, wo Amelie eigentlich das Licht der Welt erblicken sollte. Hier sei auch Alexander vor zwei Jahren geboren worden. „Für uns war ganz klar, dass wir auch Amelie im sicheren Umfeld der Uniklinik bekommen wollen. Eine Hausgeburt wäre für uns nicht infrage gekommen“, sagt Manuela Wiedmann. Amelie allerdings wusste von den Plänen ihrer Eltern nichts und hatte sich ihren eigenen Plan gemacht.
Seit dem vergangenen Sonntag findet sich nun die Familie daheim neu zusammen. Alexander sei ein sehr stolzer großer Bruder und liebe seine Schwester sehr. Dass Amelie aus Mamas Bauch ins Wasser gefallen ist, erzählt er noch immer gern und vermutlich wird sich das in der Jenaer Familie noch erzählt werden, wenn Amelie schon erwachsen ist. Für Manuela Wiedmann war es eine schöne Geburt, auch wenn sie nicht nach Plan verlief.
Seit Beginn des Jahres bis zum Freitagnachmittag wurden am Jenaer Universitätsklinikum 426 Geburten gezählt. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 351 Geburten.