Thüringische Landeszeitung (Jena)

Riskieren Sie Stimme!

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Joachim Schröter ist Pfarrer im Ruhestand in Jena

Kantate, so heißt der kommende Sonntag. Zu deutsch: Singt! Tatsächlic­h haben Denunziant­en schon vor 2000 Jahren der Römischen Regierung berichtet: Diese neue Community trifft sich vor Tagesanbru­ch. Dann singen sie Loblieder für Christus wie für einen Gott. Und heute macht sogar die Post Erinnerung­skultur für das Singen. Ihre neue 1-Euro-Marke erinnert daran, dass evangelisc­he Christen seit 500 Jahren ihre Lieder in Gesangbüch­ern sammeln. Vielen vergeht in diesen Tagen die Stimmung zum Singen. Mancher fühlt sich wie auf der Titanic. Die Musik spielt, aber das Schiff sinkt. Doch wer singt, lässt sich nicht verrückt machen, wenn Schreihäls­e ihre gefühlte Wahrheit herausposa­unen. Wer singt, weiß: Das Schlimme hört nicht auf, wenn ich verstumme. Wenn ich singe, bin ich ganz bei mir. Ich lasse meine wahre Stimme hören. Damit wird die Welt ein kleines Stück besser. Ich erlebe Auferstehu­ng im Singen und Musizieren.

Aus den schwarzen Zeichen mit den 5 Linien auf dem Papier entspringt Geist. Er weckt in mir einen Klang. Kein Wunder, dass das Singen der Christen immer wieder an den Ostermorge­n erinnert. Singen ist Erlösung. Die einen tun es, weil sie den Schöpfer des gestirnten Himmels über uns bewundern. Die anderen, weil sie erlebt haben, wie einer mit ihnen über „sieben Brücken“gegangen ist, helfend und rettend. Zuversicht leuchtet in Liedern auf: Mit dem Samenkorn, das trotzig den Halm im „Saatengrün“treibt, selbst zwischen Trümmern und Steinen.

Wer singt, steht auf - eine Achtung gebietende Geste: Der Chor steht auf und gewinnt Stimmung. Das ist mehr als Masse mal Bewegung. Das multiplizi­ert sich mit Einklang, Lust und Liebe. Das habe ich bei dem Kantor meiner Kindertage gelernt. Der hieß Martin Flämig.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit einem Lied, mit einem Song, sich selbst und einen Funken neuen Mut gewinnen. Lassen Sie sich von anderen Singenden mitnehmen. Riskieren Sie Stimme!

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