Thüringische Landeszeitung (Jena)
Als Jena mit der Welt verbunden wurde
Eisenbahnjubiläum am 1. Mai gefeiert: Mit einem Namen ist der Start ins Eisenbahnzeitalter besonders verbunden
Jena. Bei der Feier von „150 Jahren Saalbahn“am Bahnhof JenaGöschwitz konnten naturgemäß keine Zeitzeugen aus der Gründungszeit dabei sein. Aber es waren viele Menschen da, die sich an das Jubiläum „100 Jahre Saalbahn“erinnern konnten. Ein Blick in die Eisenbahngeschichte zeigt, mit der Bahn tat sich Jena immer schon etwas schwer. Als letzte deutsche Universitätsstadt bekam die Stadt 1876 den Anschluss ans „eiserne Internet“.
Lange hatte es gedauert, ehe Jena eine Verbindung zur übrigen Welt bekam. Endlich gab es fernab der Reisen mit der Postkutsche eine Alternative. Immerhin war Jena die letzte Universitätsstadt, die vor 150 Jahren ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. Doch der Weg bis dahin war lang und zäh.
Bescheidene Anfänge
Erste Überlegungen für eine Bahnstrecke entlang des Saaletals gab es bereits in den 1830er und 40er Jahren, doch Gestalt nahm das Ganze erst 1851 an, als Jenaer Bürger das „Jenaische Centralcomité zur Erbauung einer Thüringer Saalbahn“gründeten, um so Bewegung in die Sache zu bringen. Dennoch dauerten die Planungen noch lange an. Das lag vor allem daran, dass das heutige Thüringen damals ein territorialer Flickenteppich war, der aus vielen Einzelstaaten bestand. Und jeder dieser Staaten wollte seine Interessen wahren.
Nicht zuletzt hatte das Projekt Saalbahn auch lange Zeit ein Imageproblem. Die Staatsregierung von Sachsen-Weimar-Eisenach maß der angedachten Bahnverbindung den Charakter einer Regionalbahn zu und favorisierte stattdessen eine Verbindung zwischen Weimar und Gera bis hin ins Königreich Sachsen. Hierbei spielten vor allem wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle.
Der entscheidende Durchbruch
Deutlichen Schwung erhielt die Saalbahn ab dem Jahr 1869. Ein Mann ist hierbei besonders zu nennen, Bruno Hildebrand. Er war seit 1861 als Professor für Nationalökonomie an der Jenaer Universität tätig, nachdem er zuvor in Bern lehrte. Hildebrand hatte bereits als Direktor der Schweizer Nordostbahn reichlich Erfahrungen sammeln können, die nun den Jenaer Eisenbahnbauplänen zugute kamen. Der entscheidende Erfolg gelang dann
am 8. Oktober 1870, also mitten während des Deutsche-Französischen Krieges. Nach langem Ringen wurde in Camburg ein Staatsvertrag zwischen den Regierungen der Herzogtümer Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Altenburg, SachsenMeiningen und Schwarzburg-Rudolstadt geschlossen, der den Willen zum Ausdruck brachte „eine durch das Saalethal führende Eisenbahnverbindung“zu bauen.
Der Bau wurde dann zwischen 1871 und 1874 größtenteils durch italienische Arbeitskräfte bewerkstelligt, da deren Löhne niedriger waren als die lokaler Arbeitskräfte. Im März und April 1874 erfolgte dann die Revision und Freigabe der Strecke, sodass die Eröffnung für den 1. Mai des Jahres geplant war.
Entsprechende Aufregung herrschte dann am 30. April 1874, als sich ein „Festzug“von Rudolstadt aus zunächst in Richtung Saalfeld und zurück aufmachte, um anschließend unter dem Jubel der Menschen nach Jena zu fahren. Die Lokomotive „Schwarzburg“zog die „reich geschmückten und von einem Musikcorps begleiteten“Wagen durch das Saaletal gen Norden.
Es gab noch keinen Bahnhof
In Jena gab es zur Eröffnung der Saalbahn allerdings noch keinen fertigen Bahnhof. Das Hause konnte erst 1879 vollendet werden und war ein recht repräsentativer Bau, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet war, dass die „Saal-Eisenbahn-Gesellschaft“ihren Sitz in Jena
hatte. Das einstige Gebäude wurde im April 1945 durch Bombenangriffe zerstört. Anschließend wurde lediglich eine Baracke als Übergangslösung gebaut. Sein noch heute vorhandenes Empfangsgebäude erhielt der Saalbahnhof 1965.
Als 1974 das 100-jährige Jubiläum der Saalbahn anstand, wurde das Ereignis in Jena groß gefeiert. Unser Leser Thomas Fietz, damals in der 3. Klasse, erinnert sich: „Es war der 8. Juni 1974, als wir mit unserer Schulklasse im Rahmen des Heimatkundeunterrichts zum Saalbahnhof liefen.“Die Aufgabe lautete: „Fertigt einen Erlebnisbericht an.“Und in der Tat gab es für die Schulkinder viel zu sehen und zu erleben. Die Deutsche Reichsbahn hatte nämlich einen Sonderzug zusammengestellt,
bestehend aus acht Waggons, die ihre jeweilige Zeitepoche repräsentierten. Um das Ganze noch authentischer wirken zu lassen, trug das Zugpersonal die Kleidung und Uniform der Eisenbahner des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Für Thomas Fietz wurde dieser Ausflug zu einem „unvergesslichen Erlebnis aus der Kindheit“.
Doch vom einstigen Glanz des einst wichtigsten Jenaer Bahnhofs ist heute nicht mehr viel übrig. Nach 1990 verlor die Saalbahn an Bedeutung, auch weil sich die Stadt 1999 für einen IC-Halt im Paradies entschied. Das unter Denkmalschutz stehende Empfangsgebäude wird seit Jahren von Vereinen und kulturellen Institutionen als „Kulturbahnhof“genutzt.