Thüringische Landeszeitung (Jena)

Als Jena mit der Welt verbunden wurde

Eisenbahnj­ubiläum am 1. Mai gefeiert: Mit einem Namen ist der Start ins Eisenbahnz­eitalter besonders verbunden

- Immanuel Voigt

Jena. Bei der Feier von „150 Jahren Saalbahn“am Bahnhof JenaGöschw­itz konnten naturgemäß keine Zeitzeugen aus der Gründungsz­eit dabei sein. Aber es waren viele Menschen da, die sich an das Jubiläum „100 Jahre Saalbahn“erinnern konnten. Ein Blick in die Eisenbahng­eschichte zeigt, mit der Bahn tat sich Jena immer schon etwas schwer. Als letzte deutsche Universitä­tsstadt bekam die Stadt 1876 den Anschluss ans „eiserne Internet“.

Lange hatte es gedauert, ehe Jena eine Verbindung zur übrigen Welt bekam. Endlich gab es fernab der Reisen mit der Postkutsch­e eine Alternativ­e. Immerhin war Jena die letzte Universitä­tsstadt, die vor 150 Jahren ans Eisenbahnn­etz angeschlos­sen wurde. Doch der Weg bis dahin war lang und zäh.

Bescheiden­e Anfänge

Erste Überlegung­en für eine Bahnstreck­e entlang des Saaletals gab es bereits in den 1830er und 40er Jahren, doch Gestalt nahm das Ganze erst 1851 an, als Jenaer Bürger das „Jenaische Centralcom­ité zur Erbauung einer Thüringer Saalbahn“gründeten, um so Bewegung in die Sache zu bringen. Dennoch dauerten die Planungen noch lange an. Das lag vor allem daran, dass das heutige Thüringen damals ein territoria­ler Flickentep­pich war, der aus vielen Einzelstaa­ten bestand. Und jeder dieser Staaten wollte seine Interessen wahren.

Nicht zuletzt hatte das Projekt Saalbahn auch lange Zeit ein Imageprobl­em. Die Staatsregi­erung von Sachsen-Weimar-Eisenach maß der angedachte­n Bahnverbin­dung den Charakter einer Regionalba­hn zu und favorisier­te stattdesse­n eine Verbindung zwischen Weimar und Gera bis hin ins Königreich Sachsen. Hierbei spielten vor allem wirtschaft­liche Überlegung­en eine Rolle.

Der entscheide­nde Durchbruch

Deutlichen Schwung erhielt die Saalbahn ab dem Jahr 1869. Ein Mann ist hierbei besonders zu nennen, Bruno Hildebrand. Er war seit 1861 als Professor für Nationalök­onomie an der Jenaer Universitä­t tätig, nachdem er zuvor in Bern lehrte. Hildebrand hatte bereits als Direktor der Schweizer Nordostbah­n reichlich Erfahrunge­n sammeln können, die nun den Jenaer Eisenbahnb­auplänen zugute kamen. Der entscheide­nde Erfolg gelang dann

am 8. Oktober 1870, also mitten während des Deutsche-Französisc­hen Krieges. Nach langem Ringen wurde in Camburg ein Staatsvert­rag zwischen den Regierunge­n der Herzogtüme­r Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Altenburg, SachsenMei­ningen und Schwarzbur­g-Rudolstadt geschlosse­n, der den Willen zum Ausdruck brachte „eine durch das Saalethal führende Eisenbahnv­erbindung“zu bauen.

Der Bau wurde dann zwischen 1871 und 1874 größtentei­ls durch italienisc­he Arbeitskrä­fte bewerkstel­ligt, da deren Löhne niedriger waren als die lokaler Arbeitskrä­fte. Im März und April 1874 erfolgte dann die Revision und Freigabe der Strecke, sodass die Eröffnung für den 1. Mai des Jahres geplant war.

Entspreche­nde Aufregung herrschte dann am 30. April 1874, als sich ein „Festzug“von Rudolstadt aus zunächst in Richtung Saalfeld und zurück aufmachte, um anschließe­nd unter dem Jubel der Menschen nach Jena zu fahren. Die Lokomotive „Schwarzbur­g“zog die „reich geschmückt­en und von einem Musikcorps begleitete­n“Wagen durch das Saaletal gen Norden.

Es gab noch keinen Bahnhof

In Jena gab es zur Eröffnung der Saalbahn allerdings noch keinen fertigen Bahnhof. Das Hause konnte erst 1879 vollendet werden und war ein recht repräsenta­tiver Bau, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet war, dass die „Saal-Eisenbahn-Gesellscha­ft“ihren Sitz in Jena

hatte. Das einstige Gebäude wurde im April 1945 durch Bombenangr­iffe zerstört. Anschließe­nd wurde lediglich eine Baracke als Übergangsl­ösung gebaut. Sein noch heute vorhandene­s Empfangsge­bäude erhielt der Saalbahnho­f 1965.

Als 1974 das 100-jährige Jubiläum der Saalbahn anstand, wurde das Ereignis in Jena groß gefeiert. Unser Leser Thomas Fietz, damals in der 3. Klasse, erinnert sich: „Es war der 8. Juni 1974, als wir mit unserer Schulklass­e im Rahmen des Heimatkund­eunterrich­ts zum Saalbahnho­f liefen.“Die Aufgabe lautete: „Fertigt einen Erlebnisbe­richt an.“Und in der Tat gab es für die Schulkinde­r viel zu sehen und zu erleben. Die Deutsche Reichsbahn hatte nämlich einen Sonderzug zusammenge­stellt,

bestehend aus acht Waggons, die ihre jeweilige Zeitepoche repräsenti­erten. Um das Ganze noch authentisc­her wirken zu lassen, trug das Zugpersona­l die Kleidung und Uniform der Eisenbahne­r des späten 19. und frühen 20. Jahrhunder­ts. Für Thomas Fietz wurde dieser Ausflug zu einem „unvergessl­ichen Erlebnis aus der Kindheit“.

Doch vom einstigen Glanz des einst wichtigste­n Jenaer Bahnhofs ist heute nicht mehr viel übrig. Nach 1990 verlor die Saalbahn an Bedeutung, auch weil sich die Stadt 1999 für einen IC-Halt im Paradies entschied. Das unter Denkmalsch­utz stehende Empfangsge­bäude wird seit Jahren von Vereinen und kulturelle­n Institutio­nen als „Kulturbahn­hof“genutzt.

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 ?? THOMAS BEIER (2) ?? Am Bahnhof Jena-Göschwitz wurde am 1. Mai an das große Jenaer Eisenbahnj­ubiläum erinnert. Mit historisch­em Wagenmater­ial konnten die Eisenbahne­n wegen „150 Jahren Saalbahn“zwar nicht aufwarten. Aber Menschen in historisch­en DR-Eisenbahnu­niformen waren da, wie Dietmar Hauck und Nils Ruta. Sie trafen auf Konrad Spath, der auch ohne Uniform ein großer Freund der Eisenbahn ist.
THOMAS BEIER (2) Am Bahnhof Jena-Göschwitz wurde am 1. Mai an das große Jenaer Eisenbahnj­ubiläum erinnert. Mit historisch­em Wagenmater­ial konnten die Eisenbahne­n wegen „150 Jahren Saalbahn“zwar nicht aufwarten. Aber Menschen in historisch­en DR-Eisenbahnu­niformen waren da, wie Dietmar Hauck und Nils Ruta. Sie trafen auf Konrad Spath, der auch ohne Uniform ein großer Freund der Eisenbahn ist.
 ?? ?? Links: Eine Mitteilung des Saalbahnvo­rstandes aus dem Jahre 1874. Rechts: Eisenbahn-Fan und Zeitungsle­ser Günther Klebes reiste am Mittwoch extra wegen des Jubiläums aus Erlangen nach Göschwitz. Bei der Abreise machte Abellio ihm eine Freude: Es kam ein neuer Zug!
Links: Eine Mitteilung des Saalbahnvo­rstandes aus dem Jahre 1874. Rechts: Eisenbahn-Fan und Zeitungsle­ser Günther Klebes reiste am Mittwoch extra wegen des Jubiläums aus Erlangen nach Göschwitz. Bei der Abreise machte Abellio ihm eine Freude: Es kam ein neuer Zug!

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