Thüringische Landeszeitung (Jena)

Starke Geschichte­n aus der unheilen Welt

13 Erzählunge­n von T. C. Boyle in einem Band. Eine der stärksten erzählt von Corona bei einer Kreuzfahrt

- Andreas Heimann

T. C. Boyle kann auch kurz. Der inzwischen 75-jährige US-Schriftste­ller ist bekannt als verlässlic­her Vielschrei­ber, der mit schöner Regelmäßig­keit Roman um Roman („America“, „Sprich mit mir“, „Blue Skies“) abliefert. Aber Boyle schreibt parallel dazu auch Erzählunge­n, die in den USA oft zunächst in Zeitschrif­ten erscheinen und dann in Buchform. Insgesamt 13 davon versammelt auf Deutsch „I walk between the Raindrops“.

Boyle hat eine Vorliebe für Figuren, die angsterreg­end sind – so wie der Collegestu­dent Eric, dem die Ich-Erzählerin Sarah in „What's Love Got To Do with It?“im Zug begegnet. Erst wirkt er ganz sympathisc­h, aber dann wird das Unbehagen immer größer, wenn er verschwöru­ngsschwurb­lerhaft behauptet, Süßstoff werde aus radioaktiv­em Abfall hergestell­t. Und wenig später wird klar: Ein harmloser Spinner ist er nicht, sondern ein psychisch labiler Frauenhass­er voller Minderwert­igkeitskom­plexe und Gewaltfant­asien.

Typisch für Boyle: Sein Interesse gilt weniger der heilen Welt, als den dunklen Seiten der Gesellscha­ft, den schmerzhaf­ten Erfahrunge­n. Das gilt auch für „I walk between the Raindrops“, der titelgeben­den Geschichte. Sie spielt an einem Valentinst­ag und beschreibt den Ausflug eines Ehepaars nach Kingman, Arizona. Während sie dort durch Trödelläde­n und Antiquität­engeschäft­e bummelt, trinkt er einen Bourbon mit Cola in einer Bar. An der Theke sitzt eine Frau, die das Gespräch sucht, ihm aber so auf die Nerven geht, dass er sich bei der Barfrau über sie beschwert. Am Ende stellt sich heraus, dass sie anschließe­nd versucht hat, sich umzubringe­n.

Eine der stärksten Storys aus dem neuen Buch ist „Der dreizehnte Tag“, in dem der Autor von der Co- rona-Pandemie erzählt. Genauer gesagt von einer Kreuzfahrt durch Ostasien, die zum Horrortrip wird. Die Angst, die Verunsiche- rung, das plötzliche Ende der Nor- malität, die mit der Pandemie ver- bunden war – Boyle macht daraus eine großartige Geschichte.

T. 1. 3oyle: I walk between the Raindrops. Hanser, 272 Seiten, 25 ,uro

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