Thüringische Landeszeitung (Jena)
„Kommunalpolitik ist die spürbare Veränderung vor der eigenen Haustür“
Neu auf der politischen Bühne: Als Ortsteilbürgermeisterin von Jena-Süd hat sie schon Erfahrungen gesammelt, jetzt kandidiert Christina Prothmann (Bündnis 90/Die Grünen) auf Listenplatz 5 auch für den Jenaer Stadtrat
Warum wollen Sie sich kommunalpolitisch engagieren?
Weil Demokratie davon lebt, dass Menschen mitmachen und sich beteiligen. Kommunalpolitik ist greifbar. Kommunalpolitik ist die spürbare Veränderung vor der eigenen Haustür und es ist mir wichtig, unsere Stadt mitzugestalten. Kommunalpolitik ist auch der Ort, an dem wir alle zusammen etwas verändern können und so der Politikverdrossenheit etwas entgegensetzen. Deswegen bin ich mit vielen Menschen im Gespräch, nehme ihre Wünsche, Ängste und Sorgen mit, um daraus gute gemeinsame Antworten auf Fragen und Probleme in unserer Stadt zu finden und in kommunalpolitisches Handeln zu übersetzen.
Können Sie abschätzen, wie viele Stunden Sie für die kommunalpolitische Arbeit opfern müssen?
Als ich Ortsteilbürgermeisterin in Jena-Süd geworden bin, habe ich meine Lohnarbeitszeit um 10 Stunden reduziert, um Zeit für das Amt zu haben. Die investierten Stunden sind nicht jede Woche gleich, aber bewegen sich zwischen 10 und 15 Stunden. Es gibt viel Überschneidung zum Stadtrat. Trotzdem kämen wohl weitere 5 bis 10 Stunden dazu.
Wo sehen Sie ihre politischen Schwerpunkte?
Mein politisches Herz schlägt dafür, Räume für alle Menschen zu schaffen, in denen sie sich wohl und sicher fühlen können. Dazu gehören Angebote für ältere Menschen und
Freiräume für Jugend und Kultur. Ich möchte Menschen mitnehmen und dazu im Gespräch bleiben, wie sie sich unsere Stadt vorstellen. Gut die Hälfte meiner Stunden am Tag fließt in ehrenamtliche Arbeit. Deswegen ist mir die Stärkung des Ehrenamts wichtig. Als Notfallseelsorgerin habe ich viele Berührungspunkte mit Blaulichtthemen und möchte die Strukturen vor Ort stärken und eine verlässliche Ansprechpartnerin sein.
Eine Partei, die sich für soziale Gerechtigkeit glaubhaft einsetzt
Was überzeugt Sie an den Grünen? Soziale Gerechtigkeit ist mir wichtig.
Ich wollte einer Partei beitreten, die dafür glaubhaft einsetzt und gleichzeitig für eine umfassend gute Klimapolitik einsteht.
Was wollen Sie in der Legislatur erreichen?
In Jena-Süd möchte ich es schaffen, unsere Feste zu verstetigen und endlich eine eigene Ortsteilzeitung herauszugeben. Im Stadtrat möchte ich vieles erreichen – von mehr freien Flächen und Räumen für Kultur und junge Menschen bis hin zu kostenlosen öffentlichen Toiletten im Stadtgebiet und sicheren Schulund Radwegen. Am Wichtigsten ist mir aber zu erreichen, dass Menschen verstehen, dass wir Kommunalpolitiker
und -politikerinnen nicht ‚Die-da-Oben’ sind, dass wir zuhören, da sind und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ein lebenswertes Jena gestalten.
Was sind die größten Probleme, die Sie in Jena sehen?
Einerseits müssen wir es schaffen, unser Stadtzentrum klimatisch herunterzukühlen und es zu einem Ort zu machen, an dem man gern verweilt und auch an einem heißen Augusttag noch flanieren gehen kann. Wir brauchen mehr Wohnraum, der bezahlbar ist. Junge Menschen und soziokulturelle Initiativen werden immer mehr aus dem Zentrum unserer Stadt herausgedrängt und haben kaum noch Räume, in denen sie sich verwirklichen können. Nachts ist es schwierig, mit dem ÖPNV gut von A nach B zu kommen. Auch daran, das Radfahren sicherer und einfacher zu machen, müssen wir noch arbeiten.
Was läuft gut in Jena?
Wir haben eine aktive und sehr engagierte Zivilgesellschaft. So viele Menschen setzen sich im Ehrenamt, in ihrer Freizeit für unsere Stadt ein. Als Wissenschafts- und Hochschulstandort sind wir stark und attraktiv. Stolz können wir auch auf die vielfältige und einzigartige Bildungslandschaft in unserer Stadt sein.
Wie soll Jena in zehn Jahren aussehen?
Jena ist immer noch eine junge Stadt, in der sich aber auch ältere Menschen wohlfühlen. Die Kulturszene pulsiert und alle Bewohnenden kommen gut, bequem und sicher zu jeder Tageszeit mit dem ÖPNV von A nach B. Unser Stadtzentrum ist grün statt grau – mit Stadtgrün auf Plätzen, Dächern und Gleisen. Wir haben viele kostenlose Freizeitangebote für junge und ältere Menschen und ausreichend bezahlbaren Wohnraum.
Was haben sie während ihrer Zeit als Ortsteilbürgermeisterin gelernt?
Dass die Mühlen der Verwaltung manchmal langsam mahlen, es sich aber lohnt, an Dingen dranzubleiben. Auch dicke Bretter lassen sich bohren.
Die Grünen sind immer wieder Ziel für Angriffe. Macht Ihnen das Angst?
Angst direkt nicht, aber große Sorge. Engagement in einer demokratischen Partei innerhalb einer Demokratie sollte nicht gefährlich sein. Es ist okay, wenn Menschen inhaltlich anderer Meinung sind. Ich wünsche mir aber sachliche (und auch harte) Debatten anstelle von Anfeindungen, Hass und Bedrohung. Über die Zeit geht das schon an die Substanz. Umso mehr lohnt es sich aber, jetzt für unsere Demokratie zu kämpfen und das mühselig Erarbeitete zu bewahren.
In loser Folge stellen wir Menschen vor, die erstmals in den Stadtrat einziehen wollen. Am Sonntag, 26. Mai, sind Kommunalwahlen.