Thüringische Landeszeitung (Jena)
Wie eine Schule in Jena-Lobeda demokratisch werden will
Otto-Schott-Gymnasium hat sich der Initiative „Weltoffenes Thüringen“angeschlossen und will demokratisch werden. So geht die Schule ihr Projekt an
Jena. Wildes Klatschen und vereinzelte Jubelrufe schallen über den Innenhof, als das Ergebnis der Abstimmung verkündet wird. Die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent. 1100 Stimmzettel mussten von den Wahlhelferinnen und Wahlhelfern ausgezählt werden. „Manche Kommune kann sich bei unseren Wahllokalen eine Scheibe abschneiden“, sagt Christian Herrmann stolz. Er ist Schulleiter des Otto-SchottGymnasiums in Jena-Lobeda. Direkt nach den Sommerferien haben die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums ihre neuen Schulsprecherinnen gewählt. Das Besondere daran: Der Prozess wurde professionell von den Schülerinnen und Schülern selbst durchgeführt. Es wurden Wahlzettel beschafft und Wahlkabinen aufgestellt. Freiwillige fungierten als Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, betreuten die Abstimmung und zählten die Stimmzettel aus.
Demokratie soll greifbarer werden
Als das Ergebnis am Dienstagmorgen vor der versammelten Schule im Hof verkündet wurde, machte sich das Gefühl breit, dass die Schülerinnen und Schüler dem demokratischen Prozess positiv gegenüber stehen. Es gab nicht nur großes Jubeln für die neu gewählte Schulsprecherin und ihre Vertreterin. Stolze Wahlhelferinnen und Wahlhelfer holten sich kleine Präsente ab. Auch das Ergebnis einer weiteren Abstimmung wurde bejubelt: Mit 465 von 549 Stimmen entschieden sich die Schülerinnen und Schüler dafür, dass das Otto-SchottGymnasium Teil der Initiative „Weltoffenes Thüringen“wird. Damit wurde der Grundstein für eine weitaus größere Mission gelegt.
Das Banner der Initiative soll ab sofort gut sichtbar an der Fassade des Gymnasiums angebracht werden. Innerhalb der Schule bietet das aktuelle Superwahljahr immer wieder Stoff für Diskussionen. „Es geht darum, wie wir mit dem Thema und
den Schülerinnen und Schülern in einem Jahr der politischen Spannung umgehen“, sagt Schulleiter Christian Herrmann. „Wir sitzen da immer ein wenig zwischen den Stühlen. Was dürfen wir an politischer Arbeiten machen und was sollen wir an politischer Arbeit machen?“
Den Kindern Rüstzeug an die Hand geben
Sie wollen das abstrakte Wort „Demokratie“für die Schülerinnen und Schüler greifbarer zu machen. Also wurde unter den Lehrerinnen und Lehrern eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. Als erster Schritt wurde die Wahl der Schulsprecherinnen und der Beitritt zur Initiative „auf das nächste Level gehoben“, so Martin Eckstein, Lehrer am Gymnasium und Teil des DemokratieProjektes. Das soll den offiziellen Wahlprozess veranschaulichen.
Doch was jetzt? Einen konkreten Plan für die Umsetzung des Demokratie-Projektes gibt es nicht. Dafür gibt es reichlich Ideen, wie den Schülerinnen und Schülern Inhalte vermittelt werden sollen. „Es ist ein Prozess, der gar nicht so einfach festzunageln ist“, sagt Schulleiter Christian Herrmann. Zentral ist, dass den Schülerinnen und Schülern die Werte vermittelt werden, die zu einer Demokratie dazugehören, darunter Respekt, Vielfalt und Toleranz.
Martin Eckstein beschreibt, wie so etwas aussehen könnte. „Es kann beispielsweise einen Projekt-Tag geben, in dem es um das Thema Ausgrenzung geht“, sagt er. Und weiter: „Dort sprechen wir dann darüber, was Ausgrenzung ist, wie es dazu kommt und wie die Schüler reagieren können, wenn sie einen Fall von Ausgrenzung mitbekommen.“So bekämen die Kinder Rüstzeug an
die Hand, um die vermittelten Werte in die Tat umsetzen.
Ähnliches könnte ein situatives Theater beisteuern, bei dem die Schülerinnen und Schüler Alltagssituationen durchspielen. „In einer solchen Situation wären sie dann nicht perplex, sondern wissen genau, wie sie reagieren müssen“, sagt Eckstein. Es soll Arbeitsgemeinschaften mit Diskussionen zu politischen Themen geben. Doch auch die demokratischen Prozesse an der Schule sollen weiterentwickelt werden. So sollen in den Klassen in Zukunft viel mehr Abstimmungen durchgeführt werden, beispielsweise an welchem Ort bestimmte Lernveranstaltungen stattfinden.
Alles in allem sind sich alle Beteiligten bewusst, wie schwierig die Mission des Demokratie-Projektes eigentlich ist. „Wir haben die Motivation, uns dieser Aufgabe zu stellen“, sagt Martin Eckstein.