Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Alfred Grossers pessimistische Zuversicht
Franzose mit „Le Mensch“bei Frühlingslese in Erfurt
ERFURT. „Man könnte verzweifeln“, schreibt der Franzose und Deutschlandkenner Alfred Grosser in seinem neuen Buch „Le Mensch“. Den 92-Jährigen bedrücken Gewalt, Krieg und Vergewaltigungen in der Welt, dass „schon Kinder lernen, den Feind zu bezeichnen und ihn blutig zu bekämpfen“. Dagegen setzt er in „Le Mensch“ein Bekenntnis zu Menschlichkeit, Toleranz und Akzeptanz. Sein berechtigter Pessimismus sei verbunden mit einer ebenso berechtigten Zuversicht.
In seinem Buch – Untertitel: Eine Ethik der Identitäten – widmet sich Grosser eben diesen verschiedenen Zuschreibungen, die einen Menschen ausmachen können. Er möchte, dass sie respektiert werden, und wirbt dafür, Verschiedenheit als Angebot und Herausforderung für das Zusammenleben der Kulturen zu verstehen. Zeigt nicht mit Fingern auf andere, so seine Botschaft. Wo Menschen als Menschen gesehen würden, bräuchte es weniger identitäre Verortung.
Einmal mehr arbeitet sich der streitbare Denker durch die Geschichte, betrachtet die deutsche Schuld und den Umgang damit ebenso wie die Benachteiligung der Frau, etwa durch Diskriminierung oder anhaltende Genitalverstümmelungen. Immer wieder flicht Grosser persönliche Erinnerungen und Begegnungen ein. Als bekennender Europäer hat er sich immer wieder eingemischt und tut es weiter. Bis ins hohe Alter pflegt er Kontakte zu politisch Gleichgesinnten, da ist dann das eine oder andere Zitat beim Lesen auch schon mal eines zu viel.
„Man sollte hoffen, im Moment des Sterbens sagen zu können, dass man ansteckend gelebt hat“, heißt es am Ende von „Le Mensch“. Wie lebendig dieser Mahner noch immer ist, kann man heute Abend erleben.
● Heute, . Uhr, Aula des Erfurter Rathsgymnasium