Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Niedergang trotz Erotikboom
Eine junge Managerin sollte die Traditionsmarke Beate Uhse wieder aufrichten. Der mutige Plan ist offenbar gescheitert
BERLIN. Im Juli 2015 wagt Beate Uhse wieder einmal etwas. Nicola Schumann, damals 35, soll das schlaffe Image aufpolieren und Deutschlands bekanntestes Erotikunternehmen vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahren. Eineinhalb Jahre später ist klar: Das Experiment ist gescheitert: Deutschland-Chefin Schumann geht zum Monatsende. Zudem mussten seit Jahresbeginn zwei der drei Vorstandsmitglieder gehen. Zurück bleibt ein Unternehmen, dem im boomenden Markt für Sexspielzeug der Anschluss fehlt.
Der Erotikmarkt hat sich in den vergangenen Jahren enorm gewandelt. Statt mitzugestalten, wurde Beate Uhse geradezu überrollt. Dabei hatte das Unternehmen den Erotikmarkt in Deutschland überhaupt erst geschaffen.
1951 begann Beate Uhse über das gleichnamige Versandhaus, Kondome und Ratgeber über Ehehygiene zu verkaufen. Uhse wollte damit vor allem Frauen helfen, die zwar Lust auf Sex hatten, jedoch nicht sofort schwanger werden wollten. Anfang der 60er-Jahre hatte die Firma bereits fünf Millionen Kunden in Deutschland. 1962 eröffnete Uhse in Flensburg den ersten Sexshop der Welt. Keine zehn Jahre später gehörten schon 25 Läden zur Kette.
Über die Jahre verdiente das Unternehmen gut, nur das Image hielt nicht mit. Beate Uhse, das klingt bis heute nach Bahnhofsviertel und Sexkino. Immer noch hat der Name etwas Anrüchiges. Anders als in den Gründungsjahren konzentrierte sich die Firma zudem zunehmend auf Männer als Kunden. Dann kam das Internet.
Im Netz erhielt man nun anonym und kostenlos, wofür sie vorher mit hochgeklapptem Kragen abgedunkelte Läden betreten mussten. „Beate Uhse hat einen wesentlichen Teil seiner Einnahmen mit Erotikvideos generiert“, sagte Thomas Roeb, Professor für Handel an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Das Internet hat diesem Geschäft komplett den Boden entzogen.“ Setzte das Unternehmen im Rekordjahr 2005 gut 280 Millionen Euro um, waren es zehn Jahre später nur noch 128 Millionen Euro. Allein 2015 verzeichnete der Erotikkonzern ein Minus von 18 Millionen Euro. Zudem schrumpften die Finanzreserven zwischen 2009 und 2015 von rund 100 Millionen Euro auf 8,8 Millionen Euro.
Dann kam Schumann. Sie hat als selbstständige Strategieberaterin unter anderem für Amazon, Google und Volkswagen gearbeitet, bevor sie als Deutschland-Chefin bei Beate Uhse anfing. Die jugendliche Managerin verkörperte Mitte 2015 das genaue Gegenteil des in die Jahre gekommenen Erotikkonzerns – und passte gerade deshalb so gut zu Beate Uhse.
Schumann versuchte, die Marke vom Rotlicht-Image zu befreien. Das Logo wurde leichter, das Filialnetz deutlich aufgehübscht. Schumann holte die Läden von den Bahnhofsvierteln in die Einkaufsstraßen der Innenstädte, stellte die Produkte in die Schaufenster.
Zuletzt eröffnete im November ein Flagship-Store direkt am Hackeschen Markt in Berlin. Gleichzeitig versuchte sie, den Onlineshop aufzuwerten. Und Beate Uhse war plötzlich auch in sozialen Netzwerken vertreten. Die wichtigste Änderung: Die DeutschlandChefin machte Frauen zur Zielgruppe. In den Medien wurde sie damit schnell zur hippen Enkelin von Beate Uhse.
Denn der Erotikmarkt wird längst von Frauen betrieben. Zahlreiche neu gegründete Firmen entwickeln Sexspielzeuge, die eher ästhetische Designstücke sind. Ihre Shops und Onlineauftritte wirken modern und sachlich.
Erotikfirmen wie der Bielefelder Onlinehändler Eis.de legen ein rasantes Wachstum hin. Der Erotikversand wächst jedes Jahr zweistellig und verzeichnete 2016 einen Umsatz von 100 Millionen Euro. „Wir haben den ehemaligen Platzhirschen den Rang abgelaufen“, sagt André Bierbass, operativer Geschäftsführer von Eis.de. Daneben wirbt vor allem das Berliner Start-up Amorelie, eine ProSiebenSat1Beteiligung, aktiv um junge, moderne Frauen.
So wollte Schumann auch Beate Uhse ausrichten. Doch der Wandel kam wohl zu spät – oder die Großaktionäre des Unternehmens hatten nicht genug Geduld. Denn auch im vergangenen Jahr steckte das Unternehmen in den roten Zahlen. Der Umsatz schrumpfte in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf nur noch 77 Millionen Euro. Der Verlust betrug 4,8 Millionen Euro. Vom einst üppigen Eigenkapital waren nur noch knapp fünf Millionen Euro übrig.
Die Aktie, beim Börsengang 1999 mit 7,20 gestartet, stieg kurz danach auf 28,20 Euro. Heute kostet sie 0,21 Cent. Das Unternehmen ist nur noch 16,4 Millionen Euro wert. Das bittere Ende könnte spätestens 2019 kommen. Dann wird eine Anleihe über 30 Millionen Euro fällig. Vielleicht ist aber schon vorher die Luft raus. Das Unternehmen muss jährlich 2,3 Millionen Euro Zinsen zahlen. Mit dem verbliebenen Eigenkapital ließe sich das nur noch zweimal stemmen.
Die Finanzreserven schrumpften