Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
In Deutschland lebende Türken stimmen über Erdogan ab
Noch bis 9. April können Wahlberechtigte über die Verfassungsreform entscheiden, die dem türkischen Präsidenten mehr Macht geben würde
BERLIN. Die gut 55 Millionen Wahlberechtigten in der Türkei müssen sich noch bis zum 16. April gedulden. Aber etwa drei Millionen Auslandstürken dürfen schon früher zu den Wahlurnen gehen. Ihre Stimmen könnten den Ausschlag geben.
Seit Montag sind die Wahllokale für das Verfassungsreferendum in Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie in Belgien, Frankreich und Dänemark geöffnet. In Deutschland können die rund 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in neun konsularischen Vertretungen ihres Landes sowie vier weiteren Wahllokalen abstimmen, etwa Frankfurt/main, Münster oder Mainz. Die Stimmabgabe läuft bis zum 9. April.
Für Staatschef Recep Tayyip Erdogan steht viel auf dem Spiel. „Erdogan will eine Diktatur verfassungsrechtlich kaschieren“, sagt Baris Yarkadas, Istanbuler Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP. „Aber die meisten Menschen wollen diese Zwangsjacke nicht, die Erdogan ihnen verpassen will“, meinte der Politiker im Gespräch mit dieser Zeitung.
Noch gibt sich Erdogan siegesgewiss. Er hoffe auf 60 Prozent Ja-stimmen, erklärte der Präsident vergangene Woche. Die Meinungsumfragen geben ein anderes Bild. Neun Umfragen sind seit Anfang März publiziert worden. Im Durchschnitt liegt das Ja-lager bei 48,4 Prozent. Die Nein-sager führen mit 51,5 Prozent.
Bei der Abstimmung im Parlament konnte sich Erdogan auf die Stimmen der Regierungspartei AKP und auf Teile der ultrarechten MHP stützen. Aber die Anhänger dieser beiden Parteien stehen keineswegs geschlossen hinter dem geplanten Präsidialsystem, meint Bekir Agirdir, Chef des Meinungsforschungsinstituts Konda: „Ein Fünftel der Akp-wähler ist von der Verfassungsänderung nicht überzeugt, und die Hälfte der Mhp-anhänger gehört zum Lager der Neinsager“, sagt Agirdir.
Fällt das geplante Präsidialsystem bei dem Referendum durch, wäre das ein schwerer Rückschlag für Erdogan. Die Gegner der Verfassungsänderung diffamiert er als „Terroristen“und „Staatsfeinde“. Teil dieser Strategie sind auch die Tiraden gegen ausländische Politiker. Die Europäer stigmatisiert Erdogan als „Faschisten“und „Feinde der Türkei“, ausländische Journalisten als „Spione“. So hofft er, unentschlossene Wähler auf seine Seite zu ziehen. Ob die Strategie aufgeht, wird sich in drei Wochen zeigen.