Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Entspannung im Job
Stress birgt viele Risiken für die Gesundheit. Schon mit einfachen Übungen können Arbeitnehmer gegensteuern
BERLIN. Es ist viel Arbeit – zu viel für die knapp bemessene Zeit. Der Tag war lang, keine Mühe wurde gescheut – doch der Chef hat kein gutes Wort übrig. Viele gute Ideen schwirren durch den Kopf, aber niemand hört sie – entscheiden tun immer die anderen.
Auf die eine oder andere Weise kennen viele Arbeitnehmer diese Situationen. Auf Dauer können solche Erfahrungen krank machen, denn sie lösen chronischen Stress aus. Mögliche Folgen sind Schlafstörungen, Herz-kreislauf- und Muskel-skelett-erkrankungen, Diabetes oder Depressionen.
Schon vor Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Stress zu einer der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts erklärt. Laut dem Stressreport Deutschland, der zuletzt 2013 erschien, fühlt sich fast jeder Fünfte im Job überfordert, 43 Prozent der Berufstätigen klagen über wachsenden Stress. Ändern lässt sich das aus zwei Richtungen: strukturell aufseiten der Arbeitgeber. Aber auch jeder Arbeitnehmer kann lernen, zu entspannen.
Grundsätzlich ist Stress nicht schlimm. Ursprünglich von Nutzen, um fliehen oder kämpfen zu können, aktivieren Stresshormone den Körper. Die Konzentrationsfähigkeit steigt. „Das schadet der Gesundheit erst mal nicht“, sagt Andrea Lohmannhaislah von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) und Autorin des Stressreports. „Erst wenn es zu einem Dauerzustand wird, kann es gefährlich werden.“
Was genau negativen Stress auslöst, dazu gebe es viele Theorien, sagt Lohmann-haislah. Ihnen gemeinsam ist die Tatsache, dass die Anforderungen auf der einen und die Ressourcen auf der anderen Seite nicht im Gleichgewicht sind. Also etwa einerseits hohe Erwartungen, auf der anderen Seite aber nur ein geringer Handlungsspielraum, zu wenig Zeit und Personal oder eine fehlende Belohnung. „Belohnung heißt aber nicht unbedingt Geld. Es geht vor allem um Anerkennung“, sagt Lohmann-haislah.
Doch nicht nur die äußeren Umstände spielen eine Rolle bei der Entstehung von chronischem Stress. Es sei immer auch der Mitarbeiter, der einen Teil dazu beitrage, ist Marcus Eckert überzeugt. Der Psychologe hat an der Universität Lüneburg zum Thema geforscht und sich nun mit dem Institut Lerngesundheit selbstständig gemacht. Er berät Unternehmen und bietet ein Online-training an. „Schädlicher Stress entsteht auch durch die Bewertung des Stressors“, sagt er. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter ist perfektionistisch veranlagt und möchte die Dinge mehr als zufriedenstellend erledigen. Der Zeitdruck, erlaubt ihm aber nur ein solides Ergebnis. In der Folge hat er Stress. Die Anforderung an sich und die Ressource Zeit ergeben keine Gleichung.
Oder: Der Chef ist im Gespräch mit der Mitarbeiterin kurz angebunden. Sie macht sich deswegen Sorgen. „Das muss aber nicht bedeuten, dass er unzufrieden mit ihrer Arbeit ist. Vielleicht steht er selbst unter Zeitdruck“, sagt Eckert.
Der Ausstieg aus dem ewigen Gedankenkarussell aus Interpretationen funktioniere über Achtsamkeit, sagt Eckert. Ein großes Wort, das für viele eher nach Esoterik denn nach konkreter Maßnahme gegen Stress klingt. „Das ist sie aber. Es geht darum, ganz frei von Bewertung im Hier und Jetzt zu sein.“Konkret kann das bedeuten: Eine Treppe, die man jeden Tag geht, ganz bewusst zu gehen. Oder den Tee am Schreibtisch ganz bewusst zu trinken. Wie fühlt er sich im Mund an? Wonach schmeckt er? Studien zeigen, dass das den präfrontalen Kortex trainiert, einen Bereich im Gehirn, der für die Lenkung von Aufmerksamkeit zuständig ist. „Das mag sehr einfach klingen, braucht aber viel Training“, weiß Eckert. Vier bis sechs Wochen dauere es, bis die Übungen ihre Wirkung entfalten: eine mentale Distanz zu äußeren und inneren Reizen zu schaffen.
Eine der wichtigsten Methoden, um sich vor Stress zu schützen, ist naheliegend wie simpel: Pause machen. Laut Stressreport tun das 26 Prozent der Arbeitnehmer nicht. „Die Menschen müssen sich klarmachen, dass sie weder sich noch dem Unternehmen einen Gefallen tun“, sagt Lohmann-haislah.
Die Psychologin macht häufig progressive Muskelentspannung. Das Prinzip hinter der progressiven Muskelentspannung: Körperpartien werden angespannt und auf ein langes Ausatmen hin wieder entspannt. Dabei soll der Unterschied wahrgenommen werden. „Man fokussiert sich auf das Loslassen und die gute Durchblutung der Muskeln. Das erzeugt ein sehr angenehmes Gefühl“, erklärt Marcus Eckert. In seinen Stresstrainings ist Entspannung ein fester Bestandteil. Zusätzlicher Effekt: Über Muskelarbeit werden Stresshormone abgebaut.
Ungleichgewicht kann leicht Stress erzeugen