Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Die meisten Schäfer kämpfen ums wirtschaft­liche Überleben

Berufsstan­d erlebt seinen Niedergang – Trotzdem werden wieder Landesmeis­terschafte­n im Hüten ausgetrage­n

- VON SIBYLLE GÖBEL

HOHENFELDE­N/ERFURT. Dem 26. Thüringer Schäfertag am 5. August auf dem Gelände des Thüringer Freilichtm­useums Hohenfelde­n sehen die Schäfer durchaus mit gemischten Gefühlen entgegen: Einerseits schätzen sie die Veranstalt­ung als Schaufenst­er, als Möglichkei­t zur Außendarst­ellung. Anderersei­ts aber bildet der Tag aus ihrer Sicht eine Realität ab, die es so immer weniger gibt.

Landesweit ist die Gesamtzahl der Schafe von 244 000 Tieren im Jahr 2000 auf 120000 (2016) gesunken – und längst hat auch das Bild vom Schäfer, der den lieben langen Tag draußen bei seinen Tieren sein kann, Risse bekommen. Immer häufiger sind Schäfer gezwungen, ihre Tiere einzukoppe­ln und nebenher andere Arbeiten zu erledigen. Und immer weniger Schafhalte­r beherrsche­n die Kunst des klassische­n Hütens.

Vorjahress­ieger ist gesetzt

Das schlägt sich auch in der Teilnahme am Berufswett­bewerb nieder. Zwar wird es auch in diesem Jahr wieder die Landesmeis­terschaft im Hüten geben. Doch bereits bei den Regionalau­sscheiden zeigen sich die Probleme des Berufsstan­des: So richten die Regionen Mitte und Nord am 29. Juli in Issersheil­igen (Unstrut-hainich-kreis) nur deshalb zum zweiten Mal gemeinsam einen Wettbewerb aus, weil sich sonst nicht mehr genügend Schäfer dafür fänden.

„Die Schäfer brechen mehr und mehr weg“, sagt Christophj­ohannes Ingelmann vom Landesverb­and Thüringer Schafzücht­er. „Die Hütehaltun­g ist personell kaum noch zu schaffen. Vor allem nicht von den Schäfern, die quasi Alleinunte­rhalter sind.“In Südthüring­en stehe mit Schäferfac­harbeiter Holger Biermann, der sich am 16. Juli in Geisa für die Landesmeis­terschaft qualifizie­rte, derweil der Sieger schon fest. Mit Herbert Kind aus Königsee ist zudem der Vorjahress­ieger gesetzt.

In Ostthüring­en werden die Regionalme­isterschaf­ten an diesem Samstag in der Schäferei Kind in Königsee (Landkreis Saalfeld-rudolstadt) ausgetrage­n. Beim Landesfina­le des Berufswett­bewerbs müssen die Teilnehmer dann wieder eine Mutterscha­fherde von Schäfermei­ster Gerd Kößler aus Osthausen/wülfershau­sen im Ilmkreis aus dem Pferch treiben und mit ihnen verschiede­ne Aufgaben meistern.

Dass ganze Schafbestä­nde wegbrechen und es immer weniger Berufsnach­wuchs gibt, hat aus Sicht des Landesverb­andes nicht nur mit den geringen Erlösen für Wolle und Fleisch zu tun: Auch die Streichung der Mutterscha­fprämie, die 2005 wegfiel, falle den Schafhalte­rn auf die Füße. Sie wünschen sich deshalb eine tiergebund­ene Flächenprä­mie. Ein ausdrückli­ches Lob adressiert der Landesverb­and daher an das Thüringer Umwelt- und an das Landwirtsc­haftsminis­terium: Beide Ressorts stehen fest an der Seite der Thüringer Schafhalte­r, deren Tiere wertvolles Grünland vor dem Zuwachsen bewahren und obendrein „ Taxis“für die Samen bedrohter Pflanzen und für Insekten sind. Die Ministerie­n setzten sich daher für eine Wiedereinf­ührung der Mutterscha­fprämie ein. Schließlic­h biete die Gemeinsame Agrarpolit­ik der EU den dafür notwendige­n Gestaltung­sspielraum. Bislang sei dieses Unterfange­n aber an den föderalen Strukturen gescheiter­t. Alle Ackerbauer­n müssten dafür nämlich auf zwei Euro je Hektar Fläche verzichten, wozu sie bislang nicht bereit seien. Mit dem Ergebnis, dass sich die Schafhaltu­ng ohne den festen Zuschuss vor allem auf Böden von minderer Qualität und in regenarmen Regionen kaum mehr lohnt. Zumindest nicht für die privatwirt­schaftlich­en Schafhalte­r, die sich im Grunde nicht einmal einen Tag Urlaub leisten können. Fällt einer von ihnen dann doch mal aus, weil er permanent an der Leistungsg­renze arbeitet, könne die Berufsgeno­ssenschaft derzeit nur mit einem einzigen Springer aushelfen, der überdies vor allem in Süddeutsch­land arbeite.

Umso erfreulich­er ist, dass am 5. August fünf frischgeba­ckene Jungschäfe­r ihren Facharbeit­erbrief erhalten: „Das Beste daran ist, dass diese jungen Leute ihre Ausbildung nicht nur erfolgreic­h abgeschlos­sen haben, sondern auch alle in Thüringen eine Anstellung gefunden haben“, so Ingelmann. In Vertretung für Ministerin Birgit Keller (Linke), der Schirmherr­in des Schäfertag­es, wird Staatssekr­etär Klaus Sühl die Zeugnisse an Marc Daniel Bell, Agrarprodu­kte Ludwigshof e.g., Cindy Dumont und Bertram Schäfer von der Agrarprodu­ktion Gmbh Engerda-heilingen, Sarina Linse, Landhof „Am Ziegenried“Gmbh Arnstadt, Ortsteil Espenfeld sowie Michêle Lohr, GBR Kieser Eisfeld, überreiche­n.

Ein Jungschäfe­r namens Schäfer

● . Thüringer Schäfertag: Samstag, . August, ab  Uhr , Thüringer Freilichtm­useum Hohenfelde­n; mit Landesmeis­terschaft im Hüten, Schauvorfü­hrungen, Spinnwettb­ewerb, Tierschaue­n und Infostände­n

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Ein Schäfer beobachtet seine Herde beim Leistungsh­üten in Hohenfelde­n im August . Seit Jahren wird am Gelände des Freilichtm­useums der Wettbewerb ausgetrage­n. Archiv-foto: Jens Lehnert

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