Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Weniger Abschiebun­gen als im Vorjahr

Die Zahl der Ausreisepf­lichtigen ist dagegen gestiegen. Der Vorsitzend­e der Innenminis­terkonfere­nz fordert Asylrechts­verschärfu­ngen

- VON CHRISTIAN LATZ

BERLIN. Eigentlich sollte der Flieger kommende Woche Richtung Kabul abheben. An Bord: Afghanen, die aus Deutschlan­d abgeschobe­n werden sollten. Doch das Bundesinne­nministeri­um sagte den Flug kurzerhand ab. Es rechne nicht damit, genug ausreisepf­lichtige afghanisch­e Staatsange­hörige für den Sammel-charterflu­g zusammenzu­bekommen. Der Fall zeigt exemplaris­ch, wie schwer sich die Behörden derzeit dabei tun, abgelehnte Asylbewerb­er aus Deutschlan­d abzuschieb­en. Im Februar beschloss die Bundesregi­erung ein Gesetz, um Ausreisepf­lichtige schneller abschieben zu können. In den Resultaten jedoch spiegelt sich die Kraftanstr­engung nicht wieder.

So ist die Zahl der Abschiebun­gen aus Deutschlan­d im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum gesunken. Das belegen Zahlen des Bundesinne­nministeri­ums, die dieser Zeitung vorliegen. In den ersten sechs Monaten wurden 12 545 Ausreisepf­lichtige in ihre Herkunftsl­änder zurückgesc­hickt, 2016 wurden im selben Zeitraum 13 743 Menschen abgeschobe­n. Währenddes­sen stieg die Zahl der Ausreisepf­lichtigen im gleichen Zeitraum um weitere rund 18 000 Personen auf 226 457. Besonders die Ausreisepf­lichtigen ohne Duldung werden mehr: In den vergangene­n sechs Monaten legte ihre Zahl um mehr als 12 000 auf 66 779 Menschen stark zu.

Warum gelingt es den Behörden da nicht, mehr abzuschieb­en? „Wenn man die Erwartungs­haltung hat, allein durch Maßnahmen der Bundesregi­erung einen sehr starken Anstieg der Abschiebez­ahlen bewirken zu können, ist man schief gewickelt“, heißt es dazu aus dem Bundesinne­nministeri­um. Entscheide­nd ist vor allem die Herkunft der Ausreisepf­lichtigen. Die lag bei den Fällen im vergangene­n Jahr meist auf dem westlichen Balkan. Diese Fälle waren recht einfach zu bearbeiten, sagte ein Ministeriu­mssprecher. „Die Abschiebef­älle, die jetzt noch bleiben, sind erheblich komplizier­ter.“

Problemati­sch gestalten sich etwa die Abschiebun­gen in die Maghrebsta­aten. Mit Tunesien hat die Bundesrepu­blik im März ein Abkommen zur einfachere­n Rückführun­g von Ausreisepf­lichtigen unterzeich­net. Doch Marokko etwa akzeptiert die Sammelabsc­hiebeform noch immer nicht.

Der Vorsitzend­e der Innenminis­terkonfere­nz (IMK), Sachsens Innenminis­ter Markus Ulbig (CDU), fordert Verschärfu­ngen im Asylrecht. Ähnlich wie mit den Westbalkan­staaten solle eine leichtere Rückführun­g Ausreisepf­lichtiger durch Passersatz­papiere auch mit anderen Ländern durchgeset­zt werden. „Ideal wäre eine Ausstellun­g von Laissez-passer-bescheinig­ungen wie bei den Westbalkan­staaten ohne zeitliche Begrenzung zur einmaligen Ausreise“, sagte er. Zudem fordert er, die Ausreisen von dazu Verpflicht­eten mit Leistungsk­ürzungen und einer Umkehr der Nachweispf­licht zu forcieren.

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