Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Von der Sehnsucht nach Verwurzelung
Synagogenmusik beim Yiddish Summer
WEIMAR. Gewissermaßen hoher Besuch stellte sich am Mittwochabend beim Yiddish Summer Weimar ein. Im großen Saal der Musikschule „Johann Nepomuk Hummel“gaben sich unter viel Beifall des Publikums die legendären Kantoren Israel Goldstein, der 25 Jahre lang Direktor des Hebrew Union College in New York war, und Eliyahu Schleifer, emeritierter Professor für Sakrale Musik am Hebrew Union College in Jerusalem, ein Stelldichein. Zusammen mit ihren Studenten am Geiger-kolleg Potsdam, einer der bedeutendsten Ausbildungsstätten für Kantoren, führten die Urgesteine dieser Musikrichtung kantoriale Gesänge auf, wie sie beispielsweise in vielen Synagogen Polens, Weißrusslands und der Ukraine erklingen. Unverkennbar war deren Einfluss auf das jiddische Liedrepertoire insgesamt.
Israel Goldstein, Eliyahu Schleifer, Sveta Kundish, Yuval Hed, Aviv Weinberg, Assaf Levitin und Naman Wagner boten mit vielen Beispielen aus dem Repertoire der osteuropäisch-jüdischen Liturgie einen stimmungsvollen wie virtuosen Konzertabend der unter dem Motto „Die zwei Gesichter des Kantors“stand. Für letzteres lautete die von Goldstein und Schleifer gegebene Erklärung: „Ein Kantor singt in der Synagoge, ein anderer nur für sich selbst, aber überall ist Gott.“
Eine wahrhaft begnadete Stimme nennt Sveta Kundish ihr Eigen, die beim Yiddish Summer bereits mehrfach die Zuhörer erfreute. Ihr dunkles Timbre sowie ihr leidenschaftlicher Ausdruck verleihen den Gesängen eine ganz spezielle, anziehende und berührende Färbung zwischen dramatisch und schlicht. Nachempfinden konnte man dies besonders in dem liedhaften Gebet „Ribono shel olam“(Herr des Universums), welches vor dem Zubettgehen die guten und schlechten Taten eines Tages reflektiert. Ohne jedes Wort genau zu verstehen, tauchte man mit der Stimme von Sveta Kundish ein in eine fremde und doch auch vertraute Welt des Glaubens. Nicht anders war es, als sich die Professoren und Geiger-kolleg-studenten, am Flügel begleitet von Naaman Wagner, zum gemeinsamen Psalmen-gesang zusammenfanden.
Eines hatten alle der rund 20 Beispiele aus dem reichen Schatz der Synagogenmusik gemeinsam: die tiefe Sehnsucht nach Verwurzelung.