Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Gutes Gefühl beim Abgang aus der großen Politik
Carola Stauche (CDU) hat kein Problem mit dem Loslassen – Nur ihr Mandat im Kreistag behält sie noch
SAALFELD. Im Idealfall, heißt es, sollte das höchste deutsche Parlament ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Was dem Deutschen Bundestag regelmäßig nicht ganz gelingt. Sonst wären wir ein Volk von Juristen, Verwaltungsmenschen, Berufspolitikern und Lehrern. Doch unter den 630 Abgeordneten, die ihre Region mitgenommen zu haben scheinen nach Berlin, ist wohl keiner authentischer als Carola Stauche.
Die Ostthüringer Cdu-politikerin hat acht Jahre lang ihren Wahlkreis Sonneberg/saalfeldrudolstadt/saale-orla-kreis im Bundestag vertreten. Engagiert, aufgeschlossen, aber auch konservativ bis zur Sturheit. So wie der Menschenschlag im ländlichen Raum um Saalfeld und Rudolstadt herum eben ist. Doch jetzt soll Schluss sein mit der großen Politik. Die 65-Jährige wird nicht noch einmal kandidieren. Es sei genug, sagt sie.
Manchmal gegen eigene Koalition gestimmt
Den Verdacht, dass ihr Abschied nicht ganz freiwillig vonstatten geht, weist Carola Stauche weit von sich. Nee, sagt sie, es habe da keinen Druck gegeben aus dem Cdu-landesvorstand oder so. Nicht mal einen sanften. „Das haben wir in der Landesgruppe unter uns ausgemacht.“
Mit Landesgruppe sind die neun Thüringer Cdu-abgeordneten gemeint. Sieben Männer, zwei Frauen, die zur Wahl vor vier Jahren alle Wahlkreise im Freistaat direkt gewannen. Und zunächst sah es so aus, als wollten sie das 2017 noch einmal versuchen. Doch im Januar 2016 zeichnete sich ab, dass Thüringen wegen seines Einwohnerrückgangs einen weiteren Bundestagswahlkreis verlieren wird. Nicht mehr neun, sondern nur noch acht. Schon damals ließ Stauche durchblicken, dass sie sich einen Rückzug vorstellen könne. „Bundestagsabgeordneter sein ist schon ziemlich anstrengend“, sagt sie heute rückblickend.
Die Leute glauben das immer nicht. Im großen Plenarsaal herumsitzen, was soll daran anstrengend sein? Carola Stauche zählt die Funktionen auf, die sie in den acht Jahren hatte oder noch hat: Mitglied im Landwirtschafts-ausschuss, stellvertretendes Mitglied im Tourismusausschuss, vier Jahre lang auch im Innenausschuss des Parlaments. Außerdem bis vor einem Jahr Vize-bundesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV), was ihr die ständige Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Kommunales der Cdu/csu-fraktion einbrachte. Da komme an Sitzungen allerhand zusammen. Ausschüsse tagen auch während der laufenden Bundestagsdebatte, für die die Abgeordnete Stauche manchmal als Schriftführerin eingeteilt war. Also vorn beim Präsidenten, um ihn bei der Sitzungsleitung zu unterstützen. Die Landwirtschaft werde immer donnerstags am Abend behandelt. Da säßen meistens nur noch die Landwirtschafts-fachpolitiker im Plenarsaal. Und das „ziemlich erschöpft, wenn es schon 23 Uhr oder noch später ist“, sagt Agrarausschuss-mitglied Stauche mit etwas Enttäuschung in der Stimme.
Obwohl sie natürlich weiß,
dass die politischen Weichen nicht unter der Reichstagskuppel gestellt werden. Wenn ein Gesetz zur Abstimmung steht, sind die Messen fast immer schon gelesen. Die Übermacht der Großen Koalition ist derart groß, dass verfassungsrechtliche Bedenken laut wurden. Nein, um die Details geht es in langen Gesprächsrunden und in den Fachausschüssen. Um das neue Düngemittelgesetz zum Beispiel hat die Ostthüringerin hart mit den Spd-kollegen, immerhin Koalitionspartner, gestritten. Und dem novellierten Erneuerbare-energien-gesetz gab die Cdu-abgeordnete Stauche am Ende ihre Stimme nicht. Wegen der Benachteiligung von Biogasanlagen, sagt sie. Thüringer Agrarunternehmen hätten viele davon.
Es blieb nicht das einzige Gesetz dieser Koalition, dem sich Carola Stauche verweigerte. Sie stimmte auch gegen die ersten Hilfskredite der EU für das strauchelnde Griechenland, entgegen dem Willen ihrer Fraktionsführung. Stress gemacht habe ihr deshalb niemand. Nur anzumelden hatte man vorher seine Abstimmungsabsicht, „das gehört sich auch so“.
Wie ausgesprochen turbulent es zu ihrer letzten regulären Sitzungswoche im Bundestag noch einmal zugehen würde, das hat
Carola Stauche selbst nach acht Jahren Berlin-erfahrung überrascht. Kanzlerin Angela Merkel machte eine Bemerkung, und plötzlich stand die „Ehe für alle“auf der Tagesordnung. Die SPD nahm dafür den Bruch der Koalitionsabsprache in Kauf, niemals mit den Oppositionsfraktionen zu stimmen. Wie sich die Cdu-politikerin Stauche entschied, ließ sich vorhersehen. Sie stimmte gegen die vollständige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. „Na klar“, sagt sie, nichts anderes hätten ihre Wähler von ihr erwartet. Sie habe zu dem Thema über 300 Emails zugeschickt bekommen, und Dutzende Leute aus dem Wahlkreis hätten sie angerufen. „Nicht einer hat mir wegen meiner Neinstimme einen Vorwurf gemacht.“Dass die Mehrheit diesmal auf der anderen Seite war, damit müsse man leben. Überhaupt, sagt die Ostthüringerin am Ende ihrer Zeit im Bundestag: „Ich bin mit mir vollkommen im Reinen.“
Und was bleibt? Außer einer Menge an Erfahrung, wie die parlamentarische Demokratie funktioniert, sind es auch ein paar konkrete, sichtbare Erfolge für die Heimatregion. Dass der Bau der B 90 neu endlich vorangekommen ist, darauf ist die Ostthüringer Abgeordnete „richtig stolz“. Für sowas müsse man nämlich in Berlin die entscheidenden Stellen anbohren, immer wieder. Und dort bohren alle, klar. Auch dass die Bundesförderung für Schloss Schwarzburg locker wurde, hält sie sich mit zugute. Öffentlich hat sie da nicht so viel Gewese drum gemacht. Ist nicht ihre Art, sagt sie.
Die Frage, was den entscheidenden Unterschied zum Thüringer Landtag ausmachte, dem sie von 2004 bis 2009 angehörte, beantwortet die Frau aus dem idyllischen Sorbitztal bei Saalfeld ohne zu zögern: „Landtag geht leichter.“Sie macht das nicht zuletzt an der Größe der Wahlkreise fest. In ihrem Bundestagswahlkreis, den sie mit Regionalbüros in Sonneberg, Saalfeld und Pößneck bespielte, tummeln sich allein von der CDU sechs Landtagsabgeordnete. Deswegen ist Stauche auch gegen groß geschnittene Landkreise: „Für Kreistagsmitglieder, die ihr Mandat ehrenamtlich ausfüllen müssen, ist das gar nicht zu schaffen.“
Sie meint, was sie sagt. Falls sich ein Adressat mal von ihrer Direktheit irritiert fühlt, dann sei‘s drum. Einmal war sie selbst die Zielscheibe. Wegen ihrer Bundestagsrede zur Umsetzung der Eu-richtlinie Tabakprodukte. Prompt wurde ihre Rede von der „Heute-show“aufs Korn genommen. Die Collage, die Stauche mit Häuptlings-federschmuck, rauchender Friedenspfeife und dem Schriftzug „Qualmender Büffel“zeigt, ist im Internet leicht zu finden. Sie nimmt es sportlich. In das Zdfsatiremagazin, sagt sie, schaffe es auch nicht jeder.