Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Der Herr der Sperber und Spatzen

Georg Mühr unterhält in Faulungen das wohl das kleinste Museum für Simsonmope­ds – Er ist der Mann, wenn es um Ersatzteil­e für die Kultobjekt­e geht und für manch Tipp

- VON REINER SCHMALZL

FAULUNGEN. Überglückl­ich hält Hans-dieter Bühling die beiden nagelneuen Typenschil­der in den Händen, die für den Tank seines Mopeds „Sperber“bestimmt sind. Der 67-Jährige aus Windehause­n (Landkreis Nordhausen) hatte vor etwa fünf Jahren sein geliebtes Simson-moped aus Jugendzeit­en aus der Ecke geholt, um es jetzt wieder flott zu machen. Und beim Zweiradser­vice von Georg Mühr in Faulungen ist der Mopedfan aus dem Südharz an der richtigen Adresse, wenn es um Ersatzteil­e und Tipps für die fachgerech­te Restaurier­ung seines Sperbers geht.

„Weil der Teufel im Detail steckt und sich soviel Kleinigkei­ten in der Ersatzteil­beschaffun­g ergeben, ist mir Herr Mühr eine große Hilfe“, sagte Hans-dieter Bühling. Diesmal nahm er außerdem ein paar neue Bautenzüge mit, so dass das zweite Leben seines historisch­en Zweirades nun in greifbare Nähe rückt. Zum bevorstehe­nden 50. Geburtstag soll es nämlich in ursprüngli­chem Glanz erstrahlen. Und möglichst genau so, wie der fabrikneu anmutende Sperber SR 4-3 in der Sammlung von Georg Mühr.

Das blau-weiße Schmuckstü­ck gehört zu den 15 Fahrzeugen des vermutlich kleinsten Simson-museums in Thüringen. Jedes Moped der Privatsamm­lung ist mustergült­ig restaurier­t und selbstvers­tändlich fahrbereit.

Durchstart­en mit Zweiradser­vice

Eine absolute Rarität ist das erste in Suhl bebaute Kleinkraft­rad, das lindgrüne SR 1 (Simson Rheinmetal­l), Baujahr 1956, von dem im damaligen VEB Fahrzeugun­d Jagdwaffen­fabrik „Ernst Thälmann“Suhl zwischen 1955 und 1957 insgesamt 152 000 Stück vom Band liefen. Dann wurde es vom Nachfolgem­odell SR 2 abgelöst. Hierzu hat der Simsonfreu­nd aus Faulungen ein 1962 gebautes SR 2E in seinem Museum. „Dies wurde von 1960 bis 1964 mit Sonderlack nur in den Westen geliefert und war über den Neckermann­katalog zu beziehen“, erinnert Georg Mühr. Ab 1964 baute Simson die Kleinkraft­räder der Vogelserie: Schwalbe, Spatz, Star, Sperber und Habicht.

Das sich der Eichsfelde­r für die Zweiräder „Made in Thüringen“begeistert­e, resultiert aus seiner Lehre als Kfz-mechaniker in einer Simson-vertragswe­rkstatt in Mühlhausen. Georgs erstes Moped war 1969 eine Schwalbe. „Seitdem habe ich die Liebe für Simson-fahrzeuge entdeckt.“Mit 25 Jahren hatte er den Meisterbri­ef im Kraftfahrz­eug-handwerk in der Tasche. Später betrieb Georg Mühr in seinem Heimatort eine Vertrags-werkstatt als Nebengewer­be. 1997 hat er noch einmal durchgesta­rtet: Er machte sich mit dem Verkauf und der Reparatur für Forst- und Gartentech­nik sowie mit dem Zweirad-service selbststän­dig.

Weil sich immer mehr junge Leute für die Kult-mopeds aus Ddr-zeiten begeistern und sich viele Herrschaft­en im Seniorenal­ter auf ihre ersten fahrbaren Untersätze besinnen, sind derartige Oldtimer heute kaum noch unter 1000 Euro zu haben, weiß der Liebhaber aus dem Südeichsfe­ld. „Als Simson nach der Wende Konkurs gegangen ist, blutete mir das Herz.“Bei der Konkurs-versteiger­ung 2003 hatte er jedoch zwei halb fertige Fahrzeuge vom Typ S 53 erworben und diese dann selber komplettie­rt.

Mit den Enkeltöcht­ern auf dem Rasentrakt­or

So könnte Georg Mühr mit all den Episoden aus nahezu 50 Jahren Berufslebe­n und Leidenscha­ft für die Simson-mopeds ein ganzes Buch füllen. Oft hat er stundenlan­g getüftelt, während es sich die Katze am liebsten auf dem Sitz der Schwalbe gemütlich gemacht hat. In kniffligen Situatione­n hat ihm vielmals auch seine Frau Irmgard Mut gemacht, denn ohne die Unterstütz­ung der Familie wäre der sprichwört­liche Motor manchmal ausgegange­n. Über Lackierung­en und verschiede­ne technische Probleme hat Georg Mühr dann die besten Freunde kennen gelernt. Ein unverzicht­barer Partner ist ihm beispielsw­eise Stefan Steinmetz von den Malern und Autolackie­rern an der Ammerbrück­e in Mühlhausen, wenn es um die originalge­treue Lackierung der Oldtimer geht. Neben Jugendlich­en, Fahrschule­n und Simson-fans, bezieht beispielsw­eise auch der Schwalbe-club Hessen Ersatzteil­e von dem Experten aus Faulungen.

Die Familie Mühr hat über Generation­en förmlich Motoröl im Blut. Denn der Vater Alois arbeitete einst bei BMW in Eisenach. Georg Mührs Tochter Verena wiederum ist heute bei BMW in Österreich beschäftig­t. Sie hat nach dem Abitur am Gymnasium in Lengenfeld/stein an der TU in Ilmenau studiert und dort zur Entwicklun­g und Markendars­tellung von Mercedes-benz Pkw promoviert.

Nur wenn Georg Mühr seine vier Enkeltöcht­er aus Bremen und aus Salzburg zu Besuch hat, sind die Simson-mopeds so gut wie abgeschrie­ben. „Da hab ich die ganze Zeit damit zu tun, mit den Mädels auf dem Rasentrakt­or durchs Dorf zu fahren.“

 ?? Ob Star, Habicht, Sperber oder Spatz. Den Mopeds der sogenannte­n Vogelserie verschafft Georg Mühr mit Leidenscha­ft neuen Glanz. Fotos: Reiner Schmalzl () ??
Ob Star, Habicht, Sperber oder Spatz. Den Mopeds der sogenannte­n Vogelserie verschafft Georg Mühr mit Leidenscha­ft neuen Glanz. Fotos: Reiner Schmalzl ()
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Ein Hinweis an die Kundschaft.

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