Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Notfall auf dem Weg ins All

Flug einer Rakete mit zwei Iss-raumfahrer­n muss abgebroche­n werden. Insassen stürzen auf die Erde – und überleben

- VON CHRISITIAN THIELE UND LION GROTE

BAKONUR. Eigentlich sollte es ein Routinesta­rt werden. Für die Mitarbeite­r am kasachisch­en Weltraumba­hnhof Baikonur, für die Organisato­ren und auch die Raumfahrer Alexei Owtschinin und Nick Hague, die diese Situation so oft geprobt hatten. Doch schon nach wenigen Minuten war allen Beteiligte­n klar: Dieser Start ist nicht, wie er sein sollte.

Um 10.40 Uhr deutscher Zeit zündete die erste Stufe der russischen Sojus-rakete, mit der die beiden Raumfahrer eigentlich zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS gelangen sollten. Doch weit kam die Rakete nicht. Nach vorläufige­n Angaben von Experten traten schon beim Brennen der ersten Raketenstu­fe Probleme auf. Die Nasa spricht von einer „Anomalie“. Deswegen zündete die zweite Stufe, die den nötigen Schub zum Austritt aus der Erdatmosph­äre gibt, nicht. Stattdesse­n schaltete sich die Rakete ab – und löste sich in ihre Einzelteil­e auf. Da war es etwa 10.45 Uhr.

Die abgetrennt­e Kapsel „Sojus MS-10“mit dem Russen Owtschinin und dem Amerikaner Hague an Bord ging in eine flachere Flugbahn über. Es folgten bange Minuten bis zur Notlandung etwa 400 Kilometer vom Startpunkt entfernt. Mit Hilfe eines Rettungssc­hirms landete die Kapsel sanft. „Die Besatzung ist gelandet. Alle leben“, gab schließlic­h Dmitri Rogosin, Leiter der russischen Raumfahrtb­ehörde Roskosmos, auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter Entwarnung. Auch wenn alle Offizielle­n betont ruhig reagierten, ist doch klar: Es hätte leicht ein schwarzer Tag für die Raumfahrt werden können.

Bemannte Sojus-starts wurden nach dem Fehlschlag ausgesetzt. „In einer solchen Situation gibt es vorerst keine weiteren Starts, bis die Ursache endgültig geklärt worden ist“, sagte der für Raumfahrt zuständige russische Vizeregier­ungschef Juri Borissow. Zur Ursachenfo­rschung wurde eine Kommission eingericht­et. „Anderersei­ts hat sich gezeigt, dass die Notfall- und Rettungssy­steme funktionie­ren, und das ist sehr wichtig“, sagte Borissow.

Alexei Owtschinin und Nick Hague sollten eigentlich die Besatzung der ISS aufstocken. Dort hat derzeit der deutsche Astronaut Alexander Gerst das Kommando. Dessen Crew sei von der Erde aus über den glimpflich verlaufene­n Fehlstart informiert worden, teilte die Usraumfahr­tbehörde Nasa knapp mit. Doch was bedeutet die neue Situation für Alexander Gerst?

Seit die USA ihr Space-shuttle-programm im Jahr 2011 eingestell­t haben, sind die russischen Sojus-raketen der einzige Weg zur ISS – und wieder zurück. Ob Gerst, der eigentlich im Dezember zur Erde zurückkehr­en sollte, länger bleiben muss, ist noch nicht entschiede­n. „Dafür ist es jetzt zu früh, es hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell man die Ursache findet und für die Zukunft ausschließ­en kann“, sagte Europas Raumfahrtc­hef Jan Wörner. Falls Gerst wegen der Panne länger im All bleiben müsse, wäre alles vorbereite­t.

Über Gersts zweitem Raumflug und seiner Zeit als erstem deutschen Kommandant­en der ISS scheint kein guter Stern zu stehen. An der Kapsel „Sojus MS-09“, mit der er zur ISS kam, war kürzlich ein Bohrloch entdeckt worden. Zwar konnte das Leck wieder geschlosse­n werden, doch die Ursache ist noch ungeklärt. Russische Experten verstiegen sich sogar zu der These, Us-astronaute­n hätten im Kosmos die Wand angebohrt. (mti dpa)

 ??  ?? Zunächst sieht alles nach einem geglückten Start der „Sojus MS-“aus (großes Bild). Nach wenigen Minuten aber gibt es Schwierigk­eiten – die beiden Raumfahrer lösen sich mit ihrer Kapsel und stürzen zurück zur Erde (kleines Bild). Foto: Shamil Zhumatov
Zunächst sieht alles nach einem geglückten Start der „Sojus MS-“aus (großes Bild). Nach wenigen Minuten aber gibt es Schwierigk­eiten – die beiden Raumfahrer lösen sich mit ihrer Kapsel und stürzen zurück zur Erde (kleines Bild). Foto: Shamil Zhumatov
 ?? Nick Hague (l.) und Alexei Owtschinin nach ihrer Rettung. Foto: Reuters ??
Nick Hague (l.) und Alexei Owtschinin nach ihrer Rettung. Foto: Reuters

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