Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Regierungskrisen sind das letzte, was Deutschland braucht“
Cdu-parteichef Mike Mohring über Probleme in Berlin, die rot-rot-grüne Landesregierung und Lerneffekte auf der harten Oppositionsbank
LEINEFELDE-WORBIS/APOLDA. Mike Mohring will sich am kommenden Samstag, 20. Oktober, zum Cdu-spitzenkandidaten für die Landtagswahl küren lassen. Erwartet wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mohring will ihr freundlicher gegenübertreten und sich nicht an Horst Seehofer beim Csu-parteitag 2015 orientieren.
Die CDU in Thüringen soll jetzt Volkspartei sein – so haben Sie es angekündigt und wollen weg von der Thüringenpartei. Warum plötzlich eine Partei fürs Volk?
Dieser Anspruch stammt aus einer Zeit, in der wir noch absolute Mehrheiten hatten, und schon damals haben ihn uns viele nicht abgenommen oder gar übel genommen. Wir haben in der Opposition gelernt, dass dieser Anspruch anmaßend ist. Dennoch haben wir eine Aufgabe in der Gesellschaft. Wir müssen Brücken bauen und den Bürgern mit ihrer ganz unterschiedlichen Sicht auf die Dinge ohne ideologische Scheuklappen immer wieder die Hand reichen, damit sie uns in unserer Demokratie nicht verloren gehen. Das ist die Aufgabe von Volksparteien, und die Union ist die einzig verbliebene. Diese Aufgabe, mit der wir auch in den Wahlkampf gehen, haben wir und die kann uns auch niemand abnehmen. Das ist nicht zuletzt ein Anspruch an uns selbst.
Sie sprechen ganz oft von einer polarisierten Gesellschaft und schwierigen Zeiten. Wie kann man das eigentlich ändern, wenn in Berlin die Köpfe vornehmlich aus Ihrer Partei immer noch das Ruder in der Hand haben, denen die Verantwortung dafür wesentlich zugeschrieben wird?
Wir sollten vorsichtig mit vorschnellen Diagnosen sein. Viele europäische Länder erleben eine Zersplitterung ihrer politischen Landschaft oder haben sie erlebt. Unsere Schwesterparteien in anderen europäischen Ländern haben schon lange einen schweren Stand. CDU und CSU sind als Volksparteien inzwischen in Europa die Ausnahme. Wir sollten es schätzen angesichts des zunehmenden Nationalismus in vielen europäischen Ländern.
Also sehen Sie nicht, was Sie anders machen könnten …
Wir sind herausgefordert, müssen unsere Hausaufgaben erledigen und die richtigen politischen und gesetzlichen Antworten für die Herausforderungen der Zeit geben und im Übrigen auch offensiver begründen. Dafür bekommen die Menschen Verantwortung in der Regierung und werden die Leute auf Zeit gewählt.
Wie das immer so ist – endet auch die Zeit von langjährigen Fraktionsvorsitzenden. Ralph Brinkhaus ist der neue Fraktionschef in Berlin. Wird das eine Eintagsfliege oder braucht es weitere personelle Veränderungen?
Bei der Wahl von Ralph Brinkhaus hat man gesehen, dass es in der Partei einen tief sitzenden Willen zur Veränderung gibt. Mit Volker Kauder allein hat das nicht unbedingt etwas zu tun. Er hat seinen guten Job gemacht.
Also sollte die Kanzlerin getroffen werden?
Vielleicht war es auch eine Stellvertreterentscheidung. Das will ich nicht ausschließen. Doch zunächst war es eine Entscheidung der Fraktion für die Fraktion. Eine selbstbewusste, doch aus gutem Grund hat sich Herr Brinkhaus sehr klar hinter die Kanzlerin gestellt. Regierungskrisen sind das letzte, was Deutschland braucht.
Die Kanzlerin will im Dezember wieder Cdu-bundesvorsitzende werden. Welche Auswirkungen kann die Schwächung durch die Kauder-abwahl haben?
Wenn der Parteichef – wie es bei Angela Merkel ist – sagt, dass er wieder kandidiert, dann entspricht es den bewährten Gepflogenheiten der CDU, diese Unterstützung zu gewähren.
Die Bundesvorsitzende kommt zu Ihrem wichtigen Landesparteitag. Orientieren Sie sich eigentlich an Horst Seehofers Art vom Csu-parteitag 2015 oder treten Sie Merkel freundlicher gegenüber?
Ich freu mich, dass sie kommt, und das wird sich auch in unserer Begegnung zeigen. Sie hat mich schon im Februar gefragt, ob ich möchte, dass sie kommt, wenn die CDU Thüringen über ihren Spitzenkandidaten entscheidet. Und ich habe ja gesagt.
Obwohl die sich in Berlin immer streiten, wie die Kesselflicker. Das kann doch der CDU in Thüringen auch nicht gut tun.
Da haben Sie Recht. Ich werde beim Landesparteitag noch mal deutlich sagen, dass wir in Thüringen nur erfolgreich sind, wenn diese Streitereien aufhören. Sonst fehlt uns der Rückenwind. Das gilt auch für Brandenburg oder Sachsen und aktuell auch für Hessen. Es ist an der Zeit, dass die Regierungsparteien auch mental den Wahlkampf hinter sich lassen und sich tatsächlich aufs Regieren konzentrieren. Es ist genug zu tun. Unsere Wähler heißen diesen Dauerstreit nicht gut. Das belegen die Umfragewerte ganz deutlich.
Mit kurzen Wahlkampfpausen kennen Sie sich ja aus. Die Thüringer CDU hat nach dem Machtverlust 2014 schnell wieder in den Landtagswahlkampf-modus geschaltet. Was haben Sie eigentlich in der Opposition gelernt?
Wir wollen mit den Bürgern und den Kommunen Politik gestalten. Die Opposition hat uns einen Perspektivwechsel ermöglicht. Im Handeln von Rot-rotgrün erkennen wir zum Teil unser eigenes aus den Zeiten der absoluten Mehrheiten. Es ist wie ein Spiegel unser früheres Auftretens. Über die Köpfe der Menschen hinweg und dabei gemeint, wir wüssten alles besser, weil wir die Mehrheit haben. Die Opposition haben wir links liegen gelassen. Bei Rot-rotgrün sehen wir nun sehr deutlich, wie man nicht handeln sollte. Wir wollen Politik im Bewusstsein gestalten, dass auch das Gegenüber Recht haben könnte. Mein Ideal ist eine zupackende, aber keine überstürzte Politik, die zu falschen Entscheidungen führt. Damit muss nach Rot-rot-grün Schluss sein. Diese Erfahrung müssen wir, wenn wir den Auftrag zur Regierungsverantwortung bekommen, immer erhalten.
Wenn die Thüringer mit RotRot-grün so unzufrieden wären, wie Sie und Ihre Kollegen das immer sagen, dann hätte es doch in den letzten Jahren gelingen müssen, diese Koalition zum Scheitern zu bringen. Das hatten Sie einst als Ihr Ziel ausgegeben.
Zunächst deuten alle Umfragen seit Jahren darauf hin, dass das Volk mit Rot-rot-grün fertig ist. Es gibt – Stand heute – bei Weitem keine Mehrheit für eine Neuauflage. Und im Landtag haben die einmal für Rot-rot-grün gewählten Abgeordneten auch keine Mehrheit mehr. Parlamentarisch hängt die Ramelowregierung von einem Abgeordneten ab, der als Schatzmeister der AFD in den Landtag gelangt und auf Umwegen zur SPD gewechselt ist. Zur Sicherung eines Ministerpräsidenten der Linken haben ihn seine Wähler gewiss nicht ins Parlament geschickt. Unabhängig davon gilt: Die parlamentarische Demokratie ist auf Stabilität angelegt, und das ist grundsätzlich richtig.
Kommen wir noch mal zurück zu Ihrer Partei. Da gibt’s ja auch Baustellen. Christian Carius hat überraschend das Amt des Landtagspräsidenten niedergelegt – ohne, dass die Partei informiert war. Was sendet denn das für ein Signal für die viel beschworene Einigkeit, die es in Ihrer Landespartei ja geben soll?
Zunächst hat die Entscheidung von Christian Carius mit der Partei nichts zu tun. Soweit, wie ich das sehe, war keiner im Vorfeld eingebunden. Wir akzeptieren und respektieren die persönlichen Gründe von Christian Carius. Das ist für uns bindend.
Wäre Christine Lieberknecht eine geeignete Nachfolgerin?
In meiner Fraktion sitzen viele geeignete Leute für viele Aufgaben in diesem Land. Für die Wahl des Landtagspräsidenten habe ich einen Fahrplan formuliert. Für die Woche nach dem Landesparteitag habe ich die Fraktionschefs von Linke, SPD und Grünen eingeladen zum Gespräch. Wir haben das Vorschlagsrecht als stärkste Fraktion, die anderen haben die Mehrheit. Das verpflichtet uns, einen Vorschlag gemeinsam auf den Weg zu bringen.
Ich hab gar nicht nach Ihrem Fahrplan gefragt, sondern nach Christine Lieberknecht.
Ich werde der Fraktion erst einen Vorschlag machen, wenn ich mit Linken, SPD und Grünen darüber gesprochen habe, was am Ende mehrheitsfähig ist.
Lassen wir das. Was wünschen Sie sich eigentlich persönlich für Ihre Spitzenkandidatur-entscheidung. 100 Prozent oder doch ein bisschen weniger?
Mir reichen im Prinzip 50 Prozent plus eins. Doch im Ernst: Ich wünsche mir, dass ein Aufbruchs-signal vom Parteitag ausgeht. Ein Signal der Gemeinsamkeit für ein gemeinsames Ziel. Für die Landtagswahlen sind wir vorbereitet.
Wann wird die AFD eigentlich für die CDU koalitionsfähig?
Die Frage stellt sich nicht, weil wir uns klar nach ganz links und ganz rechts abgrenzen. Mit Björn Höcke gibt in Thüringen überdies der Repräsentant des besonders radikalen Flügels den Ton an.
Und wenn die AFD in Thüringen plötzlich keinen Björn Höcke mehr hat …
… dann wären immer noch Geistesverwandte da, die sein Geschäft betreiben. Die Partei lebt im Osten vom Sozialnationalismus und schwächt damit übrigens nicht zuletzt SPD und Linkspartei.