Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Eine Leitstelle wächst zusammen
Der Landkreis Nordhausen und der Kyffhäuserkreis praktizieren ein vom Land geplantes Vorhaben bereits seit fünf Jahren
NORDHAUSEN/SONDERSHAUSEN. Das Haus am Ende der Dr.robert-koch-straße wirkt wie ein Bettenhaus der Südharzklinik. Der Gedanke drängt sich auf, weil es auf dem Gelände des Krankenhauses in Nordhausen steht. Im ersten Stock weist ein Schild darauf hin, dass sich hier eine Wohngemeinschaft befindet – es sind Auszubildende des Klinikums, die hier leben.
Eine Etage darüber hat die Rettungsleitstelle ihre Räume vor vielen Jahren bezogen. Ein Blick hinein lohnt für Interessierte, die sich mit der geplanten Umstrukturierung des Leitstellenwesens in Thüringen befassen wollen – oder müssen. Die Zusammenlegung mehrerer Leitstellen wird gerade vorbereitet. Gutachten sind erstellt und ausgewertet. Aktuell erwartet man im Ministerium von Innenminister Georg Maier (SPD) Stellungnahmen der Landkreise, sagt ein Sprecher auf Tlzanfrage. Bereits im November sollen die Kreisverwaltungen ihre Einschätzung eingereicht haben.
Der Landkreis Nordhausen gilt als ein Vorreiter bei der Zusammenarbeit. Seit nunmehr fünf Jahren wird in der Rolandstadt das Leitstellenwesen auch für den Nachbarlandkreis, den Kyffhäuserkreis, mit besorgt. Das Konstrukt einer Zweckvereinbarung haben die Landrätinnen Antje Hochwind (SPD) und Birgit Keller (Linke), die heutige Infrastrukturministerin, schon 2013 auf den Weg gebracht.
Mann der ersten Stunde dieser Zusammenarbeit ist Tobias Mielke. Er leitet das Sachgebiet „Rettungsdienst und Zentrale Leitstelle“im Landkreis Nordhausen. Spricht er über die Zusammenarbeit der beiden Landkreise auf diesem wichtigen Gebiet, dann lobt er vor allem. „Der Wille der Hausleitungen war von Anfang an da, hier etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen“, sagt Mielke und erinnert daran, dass erste Gespräche schon unter den Landräten Joachim Claus (CDU), Nordhausen, und Peter Hengstermann (CDU), Kyffhäuserkreis, im Jahr 2011 geführt worden waren. Deren Nachfolgerinnen hätten die Pläne umgesetzt. Der Rettungsleitstelle kommt in jedem Landkreis
„Ab einer gewissen Größe wird es unübersichtlich. Die ist aber noch nicht erreicht.“
Jonas Weller, Kreisbrandinspektor Kyffhäuserkreis
die zentrale Rolle bei der Alarmierung von Rettungswagen und Notärzten sowie Feuerwehren zu. Hier sind die Alarmpläne bekannt, von hier aus erhalten die Einsatzkräfte alle verfügbaren Informationen. Fällt die Leitstelle einmal aus, kann das im Notfall fatale Folgen haben. Sind Kooperationen dennoch sinnvoll und richtig oder sollte jeder Landkreis seine eigene Leitstelle in seinem Hoheitsgebiet haben?
Tobias Mielke steht der Zusammenarbeit positiv gegenüber. „Würde ich das nicht, dann hätten wir in den vergangenen fünf Jahren etwas falsch gemacht“, sagt er. Die positive Einstellung werde sich wohl auch in der Stellungnahme des Landkreises zu den Plänen der Landesregierung widerspiegeln. Mielke verweist darauf, dass es umfangreiche gesetzliche Schnittmengen bei den Rettungsleitstellen gibt. „Alles andere ist zu regeln“, schildert er mit Blick auf die gesammelten Erfahrungen. Da sind Dienstwege zu strukturieren, Personalplanungen zu steuern und Dienstpläne so zu schreiben, dass in der Regel aus beiden Landkreisen jemand in der Leitstelle sitzt.
Deren Besetzung ist vorgegeben und wird derzeit in Nordhausen mit drei Leitstellendisponenten pro Schicht abgesichert. Darunter ein Disponent für den feuerwehrtechnischen Dienst und zwei für den Rettungsdienst. Damit spiegelt sich auch das Verhältnis der Einsatzzahlen deutlich wider. Für 2017 zeigt die Statistik 2200 Feuerwehreinsätze und 33.500 Rettungsdiensteinsätze.
Personell schlägt dennoch eine Einsparung zu Buche. Als beide Leitstellen noch eigenständig gearbeitet haben, waren stets ein Rettungsdienstler und ein Disponent mit Feuerwehrhintergrund im Dienst. Aus einstmals 22 Vollzeitstellen für eine Rund-um-die-uhr-besetzung beider Leitstellen sind jetzt 16,5 Vollzeitstellen geworden. „Wir sparen pro Schicht eine Funktion“, sagt Mielke. Mittlerweile erreicht die Leitstelle auch den gewünschten Personalansatz, weil mehrere Disponenten in den vergangenen Jahren ihren Ruhestand angetreten haben. Gleichwohl: Die Kosten für Personal werden nicht weniger. „Wir sind jetzt dort, wo wir vor fünf Jahren angefangen haben“, sagt Mielke. Tarifsteigerungen machen sich eben bemerkbar.
Ums Personal allein kann es also nicht gehen. Der Sachgebietsleiter rechnet bei der Technik vor: „Wenn ich für die Leitstelle eine technische Investition von 100.000 Euro tätigen muss, dann wird das jetzt auf zwei Kostenträger aufgeteilt. Früher musste jeder Landkreis das Geld für sich aufbringen.“Leitstellentechnik sei so schnelllebig, dass Investitionen in dieser Größenordnung keine Seltenheit darstellen. Für Nordhausen und den Kyffhäuserkreis werden, so sieht es die Zweckvereinbarung vor, diese Kosten anteilig nach der Anzahl der Rettungsdiensteinsätze geteilt. „Wir haben uns für diesen Weg entschieden und er ist gut“, macht Mielke deutlich. Für den Landkreis Nordhausen bedeutet das im Umkehrschluss, dass aus dessen Haushalt etwas mehr Geld fließt. Im Kyffhäuserkreis fehlt dafür aber die Leitstelle.
Die Kooperation und Kommunikation aber scheint bestens zu laufen. Jonas Weller, seit Jahresbeginn Kreisbrandinspektor im Kyffhäuserkreis, sagt: „Es gibt keine Probleme.“Der 31Jährige stellt wie Mielke darauf ab, dass eine Effizienzsteigerung deutlich spürbar sei. „Gerade bei den Investitionen im Leitstellenbereich, die notwendig sind“, sagt er. Gleichwohl erkennt Weller, dass es gerade seitens der Feuerwehrkameraden zu Beginn der Zusammenarbeit Vorbehalte gegeben hätte. „Das waren Kleinigkeiten. Die konnten schnell abgebaut werden“, macht er deutlich. Vornehmlich sei es um die Arbeitsorganisation gegangen. Neue Dienstwege hätten sich einspielen müssen. Das dauere seine Zeit.
„Wer sich weiterhin eine eigenständige Leitstelle leisten will, der hat auch das nötige Geld dafür.“
Tobias Mielke, Sachgebietsleiter Rettungsdienst und Zentrale Leitstelle Landkreis Nordhausen
An den Disponenten-plätzen in der Dr.-robert-koch-straße geht es an diesem Donnerstagvormittag eher ruhig zu. Eine Feuerwehr meldet die Rückkehr ins Gerätehaus. Zwei große Bildschirme verraten, welche Rettungswagen gerade im Einsatz sind und welche zur Reserve zur Verfügung stehen. Auf dem Landeplatz steht der Hubschrauber der Drf-luftrettung, der in Nordhausen stationiert ist und von der Leitstelle aus koordiniert wird. Neben den besetzten Disponenten-plätzen stehen weitere zur Verfügung. „Wir können bei Großlagen schnell aufwachsen“, sagt Mielke und zeigt: Alle Rechner befinden sich im Standby-modus. Darin sieht er einen Vorteil größerer Einheiten in diesem Bereich – der Personalpool, der kurzfristig beordert werden kann, ist umfangreicher.
Im Katastrophenfall muss sich jeder Landkreis selbst behelfen. Den sieht die Zweckvereinbarung nicht vor. Deshalb gibt es in Sondershausen nach wie vor Leitstellentechnik, die vorgehalten wird. Allerdings ohne Personal und mit direkter Anbindung nach Nordhausen und Zugriff auf alle Daten des Systems. Mielke beschreibt das als „Weg maximaler Transparenz“.
Was die Kooperation eigentlich an Einnahmen gebracht hat? Mielke schmunzelt. „Nicht viel“, sagt er und zieht einen Ordner aus seinem gut sortierten Aktenschrank. 35.000 Euro seien an die Landkreise geflossen vom Land. Die Krankenkassen als Kostenträger aber bewegen sich bisher nicht. „Das, was von den Krankenkassen kommt, ist zu wenig“, stellt er klar. Aber die Hand bleibt ausgestreckt, denn die Argumentation der Kassen deckt sich mit denen in Nordhausen und Sondershausen. Kleine Leitstellen seien unwirtschaftlich. „Deshalb werben wir für offene Gespräche“, so Mielke. Trotz der Kooperation und der damit verbundenen Schaffung einer größeren Einheit hätten die Landkreise bisher keinen Euro mehr erhalten.
Andere Landkreise hingegen wollen diesen Weg gar nicht erst gehen. Im Eichsfeld wird zum Beispiel weiter auf einer eigenständigen Leitstelle beharrt. „Wer auf eine eigene Leitstelle besteht, der muss das nötige Geld haben“, sagt Mielke. Die Einsparungen und erleichterten Investitionen in Nordhausen und dem Kyffhäuserkreis überzeugen ihn aber vom gewählten Modell. Ein Aufwachsen der Einheit, wie es die Pläne der Landesregierung vorsehen, halten sowohl Mielke als auch Jonas Weller für möglich. „Es gibt eine Größenordnung, in der es unübersichtlich wird. Aber die ist nicht erreicht“, sagt Weller.
Wenn die Stellungnahmen der Landkreise zu den Landesplänen im November vorliegen, stehen die nächsten Schritte an – im Umsetzungsfall bliebe wohl das Gebäude in der Koch-straße Sitz der Leitstelle. So sieht es das Gutachten vor, das dem Landkreis Nordhausen die besten Voraussetzungen bescheinigt.