Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Schicksals­wahl – auch für Merkel

Die Bedeutung der Bayern-wahl am Sonntag reicht weit über den Freistaat hinaus

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN. Bei der Abschlussk­undgebung der CSU ist ein Kanzler geladen, keine Kanzlerin. Den Österreich­er Sebastian Kurz hat die Csu-spitze als Gast nach München gebeten, Angela Merkel bleibt in Berlin.

Doch für die Cdu-vorsitzend­e hat die Wahl in Bayern Auswirkung­en. Auch wenn es nach dem erbitterte­n Streit mit der CSU im Sommer menschlich nachvollzi­ehbar wäre, wenn Merkel nicht das größte Mitgefühl an den Tag legen würde: An einem schlechten Abschneide­n der CSU kann ihr nicht gelegen sein.

Und die CSU steht bei der Landtagswa­hl am Sonntag vor einem historisch­en Desaster. Die Regionalpa­rtei, die ihren bundespoli­tischen Anspruch mit ihrer traditione­llen Stärke in Bayern begründet, befürchtet ihr schwächste­s Ergebnis seit mehr als 60 Jahren und den Verlust der gewohnten Regierungs­mehrheit. Umfragen lassen einen Absturz auf knapp 35 Prozent und eine schwierige Suche nach einem oder sogar zwei Koalitions­partnern erwarten.

Niemand weiß, welche politische­n Konsequenz­en die CSU aus einer Niederlage ziehen wird. Zwar gilt für die Cdu-chefin eine Art Schonfrist bis zur Wahl in Hessen am 28. Oktober und dem Abschneide­n des dortigen Cdu-ministerpr­äsidenten Volker Bouffier. Dann wird sich entscheide­n, wie es um ihre Chance steht, beim Cdu-parteitag Anfang Dezember wiedergewä­hlt zu werden. Von Merkel gab es dazu eine klare Ansage. Sie fühle sich „quickleben­dig“und betonte, dass Parteivors­itz und Kanzlersch­aft in einer Hand bleiben müssten. Sie werde beim Cdu-parteitag im Dezember wieder antreten. Damit hat sie die Latte für potenziell­e Nachfolger hoch gehängt: Derjenige müsste nach beiden Posten greifen. Und sollte Merkel als Kanzlerin zurücktret­en, würde die SPD die große Koalition wohl kaum fortführen.

Die Regierung würde platzen, die Union könnte versuchen, eine Minderheit­sregierung zu führen oder noch mal eine Jamaika-koalition bilden – ohne Merkel. Seehofer, dem nach dem Absturz der CSU auf 38,8 Prozent bei der Bundestags­wahl im vergangene­n Jahr die Macht als Ministerpr­äsident entglitt, gerät jetzt als Parteichef erneut unter Druck. Dass er im Sommer den Streit mit Merkel über die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze bis zur Rücktritts­drohung eskalierte, nehmen ihm viele in München übel. Der 69-Jährige habe den Konflikt unnötig angeheizt und dabei Glaubwürdi­gkeit verspielt, so die Kritik.

Als denkbarer Csu-partner werden die Grünen gehandelt. Mit Umfragewer­ten von 19 Prozent im jüngsten Zdf-politbarom­eter dürften sie zur zweitstärk­sten Kraft aufsteigen. Der SPD droht dagegen eine Halbierung des letzten Wahlergebn­isses.

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