Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Wie fühlen Sie sich nach Ihrer Höllenfahrt?
MIT THOMAS THIEME SPRACH FRANK QUILITZSCH
Wie war denn Ihr letzter Drehtag für den Zdf-dreiteiler „Unterleuten“, Herr Thieme? Da mussten Sie doch, wenn der Plan nicht noch geändert wurde, als Gombrowski zur Hölle fahren.
Na, wie Höllenfahrten so sind. Nicht gerade lustig. Ich werde aber einen Teufel tun und Ihnen Details schildern, falls Sie darauf lauern sollten.
Ich bitte Sie, die Leser des Romans – und das sind sehr viele – wissen schon, dass der gescheiterte Held durch einen Brunnen in die Unterwelt hinabsteigt, um sich dort das Leben zu nehmen.
Tja. Wenn Sie das sagen, kann ich es nur bestätigen.
Und wie oft mussten Sie da hinunter?
Das Hinuntersteigen ist nur einer der Vorgänge. Der Hauptvorgang ist die Ankunft in der Hölle, und die haben wir schon ein paar Mal gedreht.
Sie sind ja schon viele Filmtode gestorben. Dieser aber ist besonders, er dauert auch länger. Was geht einem da durch den Kopf?
Mir ist wochenlang jede Menge durch den Kopf gegangen. Wenn es dann so weit ist, ist es ein Drehtag wie jeder andere. Ob man als märkischer Landmann nun im Büro sitzt, in der Kneipe oder in der Hölle landet, als Schauspieler hat man vor der Kamera das zu tun, was das Drehbuch vorgibt.
Wissen Sie, woran mich die Verfilmung von „Unterleuten“erinnert? An den Ddr-fernsehmehrteiler „Wege übers Land“. Das war doch damals, 1968, unser Serienhighlight!
Stimmt, nach dem Roman von Helmut Sakowski, das hat’s ja auch gegeben... Ich weiß nur nicht, worauf Sie hinaus wollen.
Damals war Manfred Krug der Kommunist, und Armin Mueller-stahl spielte gewissermaßen Ihren Part, oder den von Gombrowskis Vater: einen nach dem Krieg enteigneten Großgrundbesitzer.
Interessante Parallele. Demnach ist „Unterleuten“vielleicht eine Art Fortsetzung der Ddr-landarbeiter-saga bis in die Gegenwart.
Gombrowski hatte von seinem Vater den Auftrag , das enteignete Land zurückzuholen. Das hat er erreicht. Und dann wollte er sein Dorf in die neue Zeit bringen. Das hat nicht geklappt.
Aus verschiedenen Gründen hat das nicht geklappt, vor allem weil seine Reputation schwer gelitten hat. Er gilt eben als der Nachfahre des Großgrundbesitzers, keiner traut ihm über den Weg. Er sagt zum Beispiel zu einer Zugereisten aus dem Westen: „Ich bin hier der Böse. Dabei reiße ich mir für dieses Dorf seit vierzig Jahren den Arsch auf.“Man kann beobachten, dass viele Dörfer in Brandenburg heute personell ziemlich aus dem letzten Loch pfeifen. Und ich habe gehört, dass sie dort jetzt ein ganzes Dorf mit allen Höfen und Häusern verkaufen wollten. So pfeift auch Unterleuten aus dem letzten Loch, und Gombrowski hängt sich da rein.
Warum scheitert der Selbsthelfer, wie Schiller ihn nennen würde?
An der Vorgeschichte mit dem Vater und der langen Feindschaft mit Kron sieht man, wie inzestuös das seit Jahrzehnten und Jahrhunderten in diesem Dorf abläuft. Gombrowski hat als Geschäftsmann natürlich auch Leute über den Tisch gezogen, was ihn nicht beliebter gemacht hat. Aber Sie haben es doch letztens selbst gesagt: Er ist der Faust von Unterleuten. Er ist mit Abstand die stärkste, intelligenteste, sensibelste Person von denen, die geblieben sind. Nur, sie wollen ihn nicht. Und dann kommt die Sache mit den Windrädern. Erstaunlicherweise sind es nicht die alteingesessenen Ossis, die sich da querstellen, sondern die zugereisten Wessis, junge Leute, Öko-typen, die nicht wollen, dass die Dinger unmittelbar vor ihrem Bauenhäuschen stehen, und die gehen richtig gegen ihn los. Gombrowski spürt, mit diesen zugereisten Ökos kannst du Unterleuten nicht retten.
„Wenn der Glaube an das Gute versagte, musste er durch den Glauben an das Eigene ersetzt werden“, heißt es bei der Autorin Juli Zeh.
Eben. Damit kann sich Gombrowski nicht abfinden.
● Thomas Thieme: Ich Hoeneß Kohl – Gespräche mit Frank Quilitzsch. Klartext-verlag, Essen, Seiten mit zahlr. Abb., , Euro