Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Ich bin nicht so für den autoritären Führungsstil, sondern setze auf Dialog“
Interview: Bad Langensalzas Bürgermeister Matthias Reinz über seine ersten 100 Tage im Amt und den Wunsch, Schönstedt einzugemeinden
Ja, Frau Schirrmeister. Bisher war sie Sekretärin des Bürgermeisters. Ich fand Assistentin passender, und wir haben uns darauf geeinigt. Sie hat über die Jahre so viel Erfahrung gesammelt und hat großes Fachwissen zu allen Themen. Auch mit dem Verwaltungsleiter Simon Bach arbeite ich sehr eng und gut zusammen. Und natürlich mit den Fachbereichsleitern. Wie viele Stunden hat Ihre Arbeitswoche? Am Anfang gab es schon Wochen, in denen ich 60, 70 Stunden gearbeitet habe. Jetzt pendelt es sich langsam bei gut 50 Stunden ein. Sind Sie viel unterwegs oder sitzen Sie eher im Büro? Vor allem am Wochenende bin ich sehr viel unterwegs. Ich versuche, jeden Termin wahrzunehmen, zu dem ich eingeladen bin. Ich will mit möglichst vielen Leuten in Berührung kommen. Bei fünf oder sechs Terminen an einem Tag kann ich aber leider nicht immer so lange da bleiben, so wie zum Beispiel beim Konzert des Jugendblasorchesters Nägelstedt. Ich wurde kritisiert, weil ich nach einigen Stücken weiter musste. Aber da muss ich einfach um Nachsicht bitten, weil auch noch andere Leute auf mich warten. Öfters nehme ich auch meine Frau und meinen kleinen Sohn mit, wenn es passt. Die Familie darf ja auch nicht zu kurz kommen. Ist das mit den vielen Terminen auf Dauer durchzuhalten? Nein, das wird nicht funktionieren. Aber gerade in der Anfangszeit ist für beide Seiten der erste Eindruck wichtig. Später können wir solche Termine wieder mehr verteilen, auf die Beigeordneten. Was war für Sie die größte Überraschung? Es gab keine. Haben Sie etwas nicht geschafft, was Sie sich für die ersten 100 Tage vorgenommen hatten? Ich wollte auch die Gewerbetreibenden nach und nach besuchen. Ich habe damit angefangen, bin aber noch nicht so weit gekommen, wie ich das wollte. Das auch, weil ich so oft an die Arbeit im Büro gebunden war. Jetzt hoffe ich langsam, das verstärkt angehen zu können. Im Wahlkampf haben Sie einmal im Monat auf dem Markt Bratwürste gebraten für einen guten Zweck. Sie wollten das fortsetzen und haben dafür Kopfschütteln geerntet. Da musste ich mich tatsächlich eines Besseren belehren lassen. Das ist zeitlich wirklich nicht zu machen. Aber zum Pfefferkuchenmarkt habe ich mir fest vorgenommen, wieder am Grill zu stehen. Haben Sie Kontakt zu Ihrem Vorgänger im Amt? Wir treffen uns ab und zu bei Veranstaltungen, wo wir beide eingeladen sind. Aber regelmäßig Kontakt haben wir nicht, auch von seiner Seite aus nicht. Sie wohnen in Schönstedt. Ist das ein Vor- oder Nachteil? Weder noch. Ich glaube auch nicht, dass das die Leute stört. In Schönstedt zu wohnen, ist auch nicht anders, als wenn ich in einem der Bad Langensalzaer Ortsteile wohnen würde. Wichtiger ist doch: Mein Herz schlägt für diese einzigartige, außergewöhnliche Stadt. Dafür muss sie nicht in meinem Ausweis stehen. In Sachen Transparenz und Bürgerbeteiligung haben Sie Neuerungen eingeführt, etwa die öffentliche Vorbereitung der Stadtratssitzungen und Ihre feste Bürger-sprechstunde im Rathaus . Was kommt noch? Ich würde gerne auch im Stadtrat eine Bürgerfragestunde einrichten, für die man die Fragen vorher schriftlich einreicht, damit sie gleich in der Sitzung beantwortet werden können – ähnlich wie im Kreistag. Die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt lässt auch sehr zu wünschen übrig. Die Stadt braucht wieder eine Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die auch noch ein paar andere Aufgaben bekommen kann. Für eine Stadt dieser Größe ist das aus meiner Sicht nötig. Darüber müssen wir beim Stellenplan und beim Haushalt reden. Apropos Stadtrat – da gärt es offenbar gewaltig. Von Einigkeit ist da tatsächlich wenig zu spüren. Durch die Fraktionswechsel im Wahlkampf geht ein Riss durch den Stadtrat. Eine Selbstauflösung ist aber kaum umsetzbar. Wir müssen bis zur Neuwahl 2019 das Beste draus machen, auch wenn der Wahlkampf schon seine Schatten voraus wirft. Ich appelliere erneut an alle Fraktionen, immer sachorientiert zu arbeiten, nicht parteipolitisch oder persönlich geprägt. Sie haben als Parteiloser keine eigene Fraktion . Reden Sie mit den Fraktionen? Ich bin bei vielem auf den Stadtrat angewiesen. Darum müssen meine Beschlussvorlagen Hand und Fuß haben. Ich habe die Fraktionschefs mehrfach zu Gesprächen eingeladen. Nächste Woche treffen wir uns wieder. Haben Sie Kontakt zu Ihrem Nachfolger in Schönstedt? Ich war bei seiner Vereidigung. Wir reden ab und zu miteinander. Ich wünsche ihm alles Gute. Plötzlich wird im Schönstedter Gemeinderat die Eingemeindung nach Bad Langensalza wieder Thema. Sie stimmten einst als Bürgermeister für die Selbstständigkeit und gegen die Landgemeinde. Wie ist ihr Standpunkt jetzt? Wir werden uns in den kommenden Tagen mit den Stadtratsfraktionschefs und den Fachbereichsleitern hinsetzen und einen Vertragsentwurf erstellen, mit dem wir Schönstedt zeigen, wie eine Eingemeindung nach Bad Langensalza gehen könnte, die vorteilhafter wäre als die Zugehörigkeit zu einer Landgemeinde. Für die Stadt wären das 1400 Einwohner mehr, also deutlich höhere Zuweisungen, und Schönstedt ist schuldenfrei. Sie werben um Schönstedt?
Ja. Aber die Bürger müssen entscheiden, wohin es gehen soll, man müsste sie also befragen. Das Ergebnis sollte dann auch der Gemeinderat respektieren. Aber Sie waren vor Kurzem noch für Selbstständigkeit! Ja, ich war dafür, solange das möglich ist. Aber der Haushalt wird auch dort enger und lange wird es alleine nicht mehr gehen. Außerdem bin ich jetzt als Bürgermeister der Stadt verpflichtet und muss auch mit Blick auf die demografische Entwicklung anders denken. Darum bin ich daran interessiert, eine so gut aufgestellte Kommune einzugemeinden. Schönstedt passt auch geografisch gut ins Bad Langensalzaer Bild. Das wird der neuen Landgemeinde Unstrut-hainich nicht gefallen. Dort würde die perspektivische Einwohnerzahl für eine Landgemeinde ohne Schönstedt wohl nicht mehr erreicht. Deshalb müssen wir vorher mit dem Land reden, ob man dort mitgehen könnte. Auch in dieser Frage will ich mit allen offen und auf Augenhöhe kommunizieren.
● Teil des Gesprächs erscheint am Dienstag,
. Oktober