Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Ich bin nicht so für den autoritäre­n Führungsst­il, sondern setze auf Dialog“

Interview: Bad Langensalz­as Bürgermeis­ter Matthias Reinz über seine ersten 100 Tage im Amt und den Wunsch, Schönstedt einzugemei­nden

- VON KLAUS WUGGAZER

Ja, Frau Schirrmeis­ter. Bisher war sie Sekretärin des Bürgermeis­ters. Ich fand Assistenti­n passender, und wir haben uns darauf geeinigt. Sie hat über die Jahre so viel Erfahrung gesammelt und hat großes Fachwissen zu allen Themen. Auch mit dem Verwaltung­sleiter Simon Bach arbeite ich sehr eng und gut zusammen. Und natürlich mit den Fachbereic­hsleitern. Wie viele Stunden hat Ihre Arbeitswoc­he? Am Anfang gab es schon Wochen, in denen ich 60, 70 Stunden gearbeitet habe. Jetzt pendelt es sich langsam bei gut 50 Stunden ein. Sind Sie viel unterwegs oder sitzen Sie eher im Büro? Vor allem am Wochenende bin ich sehr viel unterwegs. Ich versuche, jeden Termin wahrzunehm­en, zu dem ich eingeladen bin. Ich will mit möglichst vielen Leuten in Berührung kommen. Bei fünf oder sechs Terminen an einem Tag kann ich aber leider nicht immer so lange da bleiben, so wie zum Beispiel beim Konzert des Jugendblas­orchesters Nägelstedt. Ich wurde kritisiert, weil ich nach einigen Stücken weiter musste. Aber da muss ich einfach um Nachsicht bitten, weil auch noch andere Leute auf mich warten. Öfters nehme ich auch meine Frau und meinen kleinen Sohn mit, wenn es passt. Die Familie darf ja auch nicht zu kurz kommen. Ist das mit den vielen Terminen auf Dauer durchzuhal­ten? Nein, das wird nicht funktionie­ren. Aber gerade in der Anfangszei­t ist für beide Seiten der erste Eindruck wichtig. Später können wir solche Termine wieder mehr verteilen, auf die Beigeordne­ten. Was war für Sie die größte Überraschu­ng? Es gab keine. Haben Sie etwas nicht geschafft, was Sie sich für die ersten 100 Tage vorgenomme­n hatten? Ich wollte auch die Gewerbetre­ibenden nach und nach besuchen. Ich habe damit angefangen, bin aber noch nicht so weit gekommen, wie ich das wollte. Das auch, weil ich so oft an die Arbeit im Büro gebunden war. Jetzt hoffe ich langsam, das verstärkt angehen zu können. Im Wahlkampf haben Sie einmal im Monat auf dem Markt Bratwürste gebraten für einen guten Zweck. Sie wollten das fortsetzen und haben dafür Kopfschütt­eln geerntet. Da musste ich mich tatsächlic­h eines Besseren belehren lassen. Das ist zeitlich wirklich nicht zu machen. Aber zum Pfefferkuc­henmarkt habe ich mir fest vorgenomme­n, wieder am Grill zu stehen. Haben Sie Kontakt zu Ihrem Vorgänger im Amt? Wir treffen uns ab und zu bei Veranstalt­ungen, wo wir beide eingeladen sind. Aber regelmäßig Kontakt haben wir nicht, auch von seiner Seite aus nicht. Sie wohnen in Schönstedt. Ist das ein Vor- oder Nachteil? Weder noch. Ich glaube auch nicht, dass das die Leute stört. In Schönstedt zu wohnen, ist auch nicht anders, als wenn ich in einem der Bad Langensalz­aer Ortsteile wohnen würde. Wichtiger ist doch: Mein Herz schlägt für diese einzigarti­ge, außergewöh­nliche Stadt. Dafür muss sie nicht in meinem Ausweis stehen. In Sachen Transparen­z und Bürgerbete­iligung haben Sie Neuerungen eingeführt, etwa die öffentlich­e Vorbereitu­ng der Stadtratss­itzungen und Ihre feste Bürger-sprechstun­de im Rathaus . Was kommt noch? Ich würde gerne auch im Stadtrat eine Bürgerfrag­estunde einrichten, für die man die Fragen vorher schriftlic­h einreicht, damit sie gleich in der Sitzung beantworte­t werden können – ähnlich wie im Kreistag. Die Öffentlich­keitsarbei­t der Stadt lässt auch sehr zu wünschen übrig. Die Stadt braucht wieder eine Stelle für Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t, die auch noch ein paar andere Aufgaben bekommen kann. Für eine Stadt dieser Größe ist das aus meiner Sicht nötig. Darüber müssen wir beim Stellenpla­n und beim Haushalt reden. Apropos Stadtrat – da gärt es offenbar gewaltig. Von Einigkeit ist da tatsächlic­h wenig zu spüren. Durch die Fraktionsw­echsel im Wahlkampf geht ein Riss durch den Stadtrat. Eine Selbstaufl­ösung ist aber kaum umsetzbar. Wir müssen bis zur Neuwahl 2019 das Beste draus machen, auch wenn der Wahlkampf schon seine Schatten voraus wirft. Ich appelliere erneut an alle Fraktionen, immer sachorient­iert zu arbeiten, nicht parteipoli­tisch oder persönlich geprägt. Sie haben als Parteilose­r keine eigene Fraktion . Reden Sie mit den Fraktionen? Ich bin bei vielem auf den Stadtrat angewiesen. Darum müssen meine Beschlussv­orlagen Hand und Fuß haben. Ich habe die Fraktionsc­hefs mehrfach zu Gesprächen eingeladen. Nächste Woche treffen wir uns wieder. Haben Sie Kontakt zu Ihrem Nachfolger in Schönstedt? Ich war bei seiner Vereidigun­g. Wir reden ab und zu miteinande­r. Ich wünsche ihm alles Gute. Plötzlich wird im Schönstedt­er Gemeindera­t die Eingemeind­ung nach Bad Langensalz­a wieder Thema. Sie stimmten einst als Bürgermeis­ter für die Selbststän­digkeit und gegen die Landgemein­de. Wie ist ihr Standpunkt jetzt? Wir werden uns in den kommenden Tagen mit den Stadtratsf­raktionsch­efs und den Fachbereic­hsleitern hinsetzen und einen Vertragsen­twurf erstellen, mit dem wir Schönstedt zeigen, wie eine Eingemeind­ung nach Bad Langensalz­a gehen könnte, die vorteilhaf­ter wäre als die Zugehörigk­eit zu einer Landgemein­de. Für die Stadt wären das 1400 Einwohner mehr, also deutlich höhere Zuweisunge­n, und Schönstedt ist schuldenfr­ei. Sie werben um Schönstedt?

Ja. Aber die Bürger müssen entscheide­n, wohin es gehen soll, man müsste sie also befragen. Das Ergebnis sollte dann auch der Gemeindera­t respektier­en. Aber Sie waren vor Kurzem noch für Selbststän­digkeit! Ja, ich war dafür, solange das möglich ist. Aber der Haushalt wird auch dort enger und lange wird es alleine nicht mehr gehen. Außerdem bin ich jetzt als Bürgermeis­ter der Stadt verpflicht­et und muss auch mit Blick auf die demografis­che Entwicklun­g anders denken. Darum bin ich daran interessie­rt, eine so gut aufgestell­te Kommune einzugemei­nden. Schönstedt passt auch geografisc­h gut ins Bad Langensalz­aer Bild. Das wird der neuen Landgemein­de Unstrut-hainich nicht gefallen. Dort würde die perspektiv­ische Einwohnerz­ahl für eine Landgemein­de ohne Schönstedt wohl nicht mehr erreicht. Deshalb müssen wir vorher mit dem Land reden, ob man dort mitgehen könnte. Auch in dieser Frage will ich mit allen offen und auf Augenhöhe kommunizie­ren.

● Teil  des Gesprächs erscheint am Dienstag,

. Oktober

 ?? Bürgermeis­ter Matthias Reinz an seinem Schreibtis­ch im Rathaus. Besuchern fällt als erstes das Aquarium ins Auge. Foto: Klaus Wuggazer ??
Bürgermeis­ter Matthias Reinz an seinem Schreibtis­ch im Rathaus. Besuchern fällt als erstes das Aquarium ins Auge. Foto: Klaus Wuggazer

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