Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Busfahrer verhindert schlimmen Unfall
Als ein Lastwagen neben dem Reisebus von Holger Nordmann aus Grabe einen Reifen verliert, reagiert der besonnen. Bus bleibt laut Tüv sicherstes Verkehrsmittel
MENTERODA. Holger Nordmann ist schon eine ganze Weile im Geschäft. Seit über vier Jahrzehnten fährt er Lkw. Seit 22 Jahren lenkt er Reisebusse durch ganz Europa. Den Busfahrer aus Grabe, der für die Menteröder Firma Weingart unterwegs ist, kann so leicht nichts aus der Ruhe bringen. Doch was er am Donnerstag vergangener Woche erlebt, hinterlässt auch bei dem 59-Jährigen und seiner Frau Jutta ziemlichen Eindruck.
Beide sind, wie jedes Jahr im Oktober, mit Mitgliedern des Vereins „Städtepartnerschaft Mühlhausen – Tourcoing“in Nordfrankreich unterwegs; Holger Nordmann als Busfahrer, seine Frau Jutta als Begleiterin. Am Donnerstag treten sie die Heimreise an. Nach dem Frühstück haben sie Tourcoing, das an der Grenze zu Belgien liegt, verlassen auf dem Weg zurück nach Thüringen. Die Stimmung bei den 42 Fahrgästen im Bus ist gut. „Es waren sechs wunderschöne Tage“, sagt der Busfahrer.
Auf der Autobahn kurz vor Antwerpen passiert es. „Wir waren gerade eine gute Stunde unterwegs“, erinnert sich Nordmann, „als es einen mächtigen Knall gab.“Souverän steuert der Busfahrer sein Fahrzeug geradeaus. Beim Blick in den rechten Seitenspiegel sieht er einen roten Lastwagen auf der Fahrspur neben sich, dessen Reifen geplatzt sein muss. Der Laster nähert sich immer mehr. Nordmann steuert auf die linke Fahrspur, muss den Verkehr auf der viel befahrenen Autobahn im Auge behalten. Dann touchiert der Lastwagen die Seite des Busses und schrammt mit seiner Front einmal längs von vorne nach hinten. Bei den Fahrgästen im Bus herrscht Unruhe – nicht anders vorstellbar, wenn ein Laster unkontrolliert auf einen zurollt. „Der Lkw-fahrer konnte nichts dazu“, sagt Nordmann. „Dass dir ein Reifen wegfliegt, ist eigentlich das Schlimmste, was passieren kann.“Der routinierte Busfahrer lenkt sein Fahrzeug auf den Standstreifen, weist die Fahrgäste an, zur Sicherheit hinter der Leitplanke zu warten. Der Lkw-fahrer schafft es mit seinem Brummi ebenfalls von der Fahrbahn weg. Sie haben es geschafft. Vielen Fahrgästen fällt ein Stein vom Herzen. Holger Nordmann hat sie aus einer überaus brenzligen Situation gerettet. Nicht auszudenken, was hätte passieren können.
Das bestätigen auch die herbei gerufenen Polizisten. Wäre der Lastwagen unkontrolliert weiter nach links gezogen, meint Nordmann, hätte er auch über die Mittelleitplanke preschen und in den Gegenverkehr fahren können. Dann wären viele Autos betroffen gewesen.
Tatsächlich bremste Holger Nordmann mit dem Bus, zwar ungewollt aber wirksam, den Lkw aus, und verhinderte damit womöglich einen Massenunfall. Mit etlichen Schrammen und gerissenen Außenscheiben an der Doppelverglasung des Busses konnte die Fahrt nach Hause gemächlich fortgesetzt werden.
Seine Fahrgäste haben sich nun noch einmal herzlich bei Holger Nordmann bedankt. Evi Freytag schreibt im Namen der Vereinsmitglieder: „Danke, lieber Holger, für deine besonnene und beherzte schnelle Reaktion, mit der du Schlimmeres verhindert hast.“Für Holger Nordmann ist das sein Job, wie er sagt. Trotz der Sicherheitssysteme in den neuen Bussen seines Arbeitgebers könne man solche Situationen nicht ausschließen. Aber regelmäßige Fahrsicherheitstrainings für die Busfahrer helfen, solche Situationen zu meisten, sagt der Busunternehmer Olaf Weingart.
Schulungen der Fahrer für mehr Sicherheit
Der Bus ist statistisch gesehen das sicherste Verkehrsmittel, erklärte jüngst Tilman Wagenknecht, der Geschäftsführer des Verbandes Mitteldeutscher Omnibusunternehmer und bezieht sich auf den aktuellen Tüv-busreport für das Jahr 2018.
Die Sicherheitstechnik, der Brandschutz und die Schulung der Fahrer hätten sich in den letzten 20 Jahren rasant weiterentwickelt. Dazu kommen ein Tempolimit für Reisebusse von 100 Stundenkilometern und strenge Kontrollen durch digitale Fahrtenschreiber, die alle Verstöße gegen vorgegebene Lenkund Ruhezeiten 30 Tage rückwirkend dokumentieren. Außerdem müssen sich Busfahrer wie Holger Nordmann alle fünf Jahre einem umfassenden Gesundheitscheck unterziehen.
Wenn es nach ihm geht, und sicher auch nach vielen seiner Fahrgäste, wird Holger Nordmann noch ein paar Jahre im Bus durch Europa touren. Eine Situation wie diese, vergangene Woche, braucht er allerdings nicht noch einmal, meint er.