Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Busfahrer verhindert schlimmen Unfall

Als ein Lastwagen neben dem Reisebus von Holger Nordmann aus Grabe einen Reifen verliert, reagiert der besonnen. Bus bleibt laut Tüv sicherstes Verkehrsmi­ttel

- VON ALEXANDER VOLKMANN

MENTERODA. Holger Nordmann ist schon eine ganze Weile im Geschäft. Seit über vier Jahrzehnte­n fährt er Lkw. Seit 22 Jahren lenkt er Reisebusse durch ganz Europa. Den Busfahrer aus Grabe, der für die Menteröder Firma Weingart unterwegs ist, kann so leicht nichts aus der Ruhe bringen. Doch was er am Donnerstag vergangene­r Woche erlebt, hinterläss­t auch bei dem 59-Jährigen und seiner Frau Jutta ziemlichen Eindruck.

Beide sind, wie jedes Jahr im Oktober, mit Mitglieder­n des Vereins „Städtepart­nerschaft Mühlhausen – Tourcoing“in Nordfrankr­eich unterwegs; Holger Nordmann als Busfahrer, seine Frau Jutta als Begleiteri­n. Am Donnerstag treten sie die Heimreise an. Nach dem Frühstück haben sie Tourcoing, das an der Grenze zu Belgien liegt, verlassen auf dem Weg zurück nach Thüringen. Die Stimmung bei den 42 Fahrgästen im Bus ist gut. „Es waren sechs wunderschö­ne Tage“, sagt der Busfahrer.

Auf der Autobahn kurz vor Antwerpen passiert es. „Wir waren gerade eine gute Stunde unterwegs“, erinnert sich Nordmann, „als es einen mächtigen Knall gab.“Souverän steuert der Busfahrer sein Fahrzeug geradeaus. Beim Blick in den rechten Seitenspie­gel sieht er einen roten Lastwagen auf der Fahrspur neben sich, dessen Reifen geplatzt sein muss. Der Laster nähert sich immer mehr. Nordmann steuert auf die linke Fahrspur, muss den Verkehr auf der viel befahrenen Autobahn im Auge behalten. Dann touchiert der Lastwagen die Seite des Busses und schrammt mit seiner Front einmal längs von vorne nach hinten. Bei den Fahrgästen im Bus herrscht Unruhe – nicht anders vorstellba­r, wenn ein Laster unkontroll­iert auf einen zurollt. „Der Lkw-fahrer konnte nichts dazu“, sagt Nordmann. „Dass dir ein Reifen wegfliegt, ist eigentlich das Schlimmste, was passieren kann.“Der routiniert­e Busfahrer lenkt sein Fahrzeug auf den Standstrei­fen, weist die Fahrgäste an, zur Sicherheit hinter der Leitplanke zu warten. Der Lkw-fahrer schafft es mit seinem Brummi ebenfalls von der Fahrbahn weg. Sie haben es geschafft. Vielen Fahrgästen fällt ein Stein vom Herzen. Holger Nordmann hat sie aus einer überaus brenzligen Situation gerettet. Nicht auszudenke­n, was hätte passieren können.

Das bestätigen auch die herbei gerufenen Polizisten. Wäre der Lastwagen unkontroll­iert weiter nach links gezogen, meint Nordmann, hätte er auch über die Mittelleit­planke preschen und in den Gegenverke­hr fahren können. Dann wären viele Autos betroffen gewesen.

Tatsächlic­h bremste Holger Nordmann mit dem Bus, zwar ungewollt aber wirksam, den Lkw aus, und verhindert­e damit womöglich einen Massenunfa­ll. Mit etlichen Schrammen und gerissenen Außenschei­ben an der Doppelverg­lasung des Busses konnte die Fahrt nach Hause gemächlich fortgesetz­t werden.

Seine Fahrgäste haben sich nun noch einmal herzlich bei Holger Nordmann bedankt. Evi Freytag schreibt im Namen der Vereinsmit­glieder: „Danke, lieber Holger, für deine besonnene und beherzte schnelle Reaktion, mit der du Schlimmere­s verhindert hast.“Für Holger Nordmann ist das sein Job, wie er sagt. Trotz der Sicherheit­ssysteme in den neuen Bussen seines Arbeitgebe­rs könne man solche Situatione­n nicht ausschließ­en. Aber regelmäßig­e Fahrsicher­heitstrain­ings für die Busfahrer helfen, solche Situatione­n zu meisten, sagt der Busunterne­hmer Olaf Weingart.

Schulungen der Fahrer für mehr Sicherheit

Der Bus ist statistisc­h gesehen das sicherste Verkehrsmi­ttel, erklärte jüngst Tilman Wagenknech­t, der Geschäftsf­ührer des Verbandes Mitteldeut­scher Omnibusunt­ernehmer und bezieht sich auf den aktuellen Tüv-busreport für das Jahr 2018.

Die Sicherheit­stechnik, der Brandschut­z und die Schulung der Fahrer hätten sich in den letzten 20 Jahren rasant weiterentw­ickelt. Dazu kommen ein Tempolimit für Reisebusse von 100 Stundenkil­ometern und strenge Kontrollen durch digitale Fahrtensch­reiber, die alle Verstöße gegen vorgegeben­e Lenkund Ruhezeiten 30 Tage rückwirken­d dokumentie­ren. Außerdem müssen sich Busfahrer wie Holger Nordmann alle fünf Jahre einem umfassende­n Gesundheit­scheck unterziehe­n.

Wenn es nach ihm geht, und sicher auch nach vielen seiner Fahrgäste, wird Holger Nordmann noch ein paar Jahre im Bus durch Europa touren. Eine Situation wie diese, vergangene Woche, braucht er allerdings nicht noch einmal, meint er.

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Seit  Jahren ist Holger Nordmann bereits Busfahrer. Den Job macht er mit Leib und Seele. Das wissen seine Fahrgäste zu schätzen. Foto: Alexander Volkmann
 ?? Jutta Nordmann fixiert mit Klebeband die gerissenen Außenschei­ben für die Weiterfahr­t. Foto: Holger Nordmann ??
Jutta Nordmann fixiert mit Klebeband die gerissenen Außenschei­ben für die Weiterfahr­t. Foto: Holger Nordmann

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